Vom Berg ins Tal: Kommt eine Gondelbahn wie am Nebelhorn ü ber Oberstdorf bald auch nach Kempten? (Foto: Imago/Imagebroker)
Verkehr

Am stählernen Faden

Als erste Stadt im Allgäu will Kempten eine Seilbahn für den öffentlichen Nahverkehr bauen. Eingebettet in ein größeres Konzept mit dezentralen Bus-Knotenpunkten soll sie ab 2025 über die Dächer schweben. Nun kommt finanzielle Hilfe vom Freistaat.

Seilbahnen bringen Passagiere im Allgäu auf alle höheren Berge. Die Nebelhorn-Bahn über Oberstdorf, die Fellhorn-Gipfelbahn im Kleinwalsertal, die Alpspitzbahn in Nesselwang, die Tegelbergbahn bei Schwangau, die Hornbahn in Bad Hindelang und etliche mehr. Allerdings dienen sie ausschließlich der alpinen Beförderung – Wanderer im Sommer, Skifahrer im Winter. Eine Gondel für den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt, die hätte Kempten exklusiv.

Pilotprojekt im Bezirk Schwaben

Die größte Kommune im Allgäu möchte nach dem Willen der CSU-Stadtratsfraktion an einen Trend anschließen, der aus den überfüllten Metropolen der Welt kommt. Bis ins Jahr 2025 will sie eine Seilbahn für den innerstädtischen Verkehr errichten. Die bolivianische Hauptstadt La Paz verfügt bereits über acht solcher Seilbahnen. In München macht sich die rot-schwarze Rathaus-Koalition für ein vergleichbares Projekt im Norden der Stadt stark. Die Vorteile liegen auf der Hand: Geringere Baukosten im Vergleich zu U- oder S-Bahnen, schnellere Realisierbarkeit, Entlastung für den Auto-, Bus- und Fahrrad-Verkehr auf dem Boden.

Für Kempten wäre ein solch luftiges Fortbewegungsmittel „revolutionär“, ein „mutiger Ansatz“, findet Oberbürgermeister Thomas Kiechle. Noch vor der Sommerpause hat der Stadtrat die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse beschlossen. Unterstützung kommt nun aus der Landeshauptstadt. Verkehrsminister Hans Reichhart ist eigens ins Allgäu gereist, um einen Förderbescheid über 50.000 Euro für die beschlossene Studie zu übergeben. Die Stadt solle damit „die Möglichkeit einer Stadtseilbahn im ÖPNV näher untersuchen lassen“.

Über und auf der Erde

Eingebettet wäre die Gondel über den Dächern in ein umfänglicheres Nahverkehrs-Konzept, das auch den Ausbau von dezentralen Bus-Kotenpunkten vorsieht, die dann mit Haltestellen der Hochbahn zu verbinden wären. Kosten könnte das Ganze nach Schätzung von OB Kiechle einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, von dem der Freistaat wohl 60 Prozent zuschießen müsste. Für technisch machbar hält der Rathaus-Chef das Projekt ohnehin, seit ihm der Chef der Oberstdorf/Kleinwalsertal Bergbahnen, Augustin Kröll, dies im Frühjahr grundsätzlich bestätigt hat.

Die Seilbahn ist CO2-frei und lärmfrei.

Thomas Kreuzer, CSU-Stadtrat

Der Kemptener Stadtrat Thomas Kreuzer, zugleich einflussreicher CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, argumentiert für das ambitionierte Projekt: „Die Seilbahn ist CO2-frei und lärmfrei. Wir reduzieren massiv den Busverkehr im Stadtkern.“ Das Land unterstütze in ganz Bayern Nahverkehrs-Projekte finanziell. Da sei es „mehr recht als billig, auch einmal so etwas Innovatives zu bezuschussen“.