Mobilität von Morgen: Seit Mitte Juni sind E-Scooter für Straßen und Radwege zugelassen - auch der Metz-Moover. (Foto: Metz mecatech)
Verkehr

Mit Schwung aus der Krise

Der Fernseher- und Elektrotechnikproduzent Metz hat schwere Zeiten und die Insolvenz hinter sich. Als einziger einheimischer Hersteller von E-Rollern saust er nun in Richtung Mobilität der Zukunft. Denn seit Juni sind die Stromflitzer zugelassen.

Lautlos gleitet das Gerät, das den Verkehr der Zukunft ermöglichen soll, um die Häuser. Vorbei an der Werkshalle, in der Mitarbeiter Leiterplatten fertigen. An jener Halle, in der sie Blitzlichtgeräte für Fotoapparate herstellen. Bis zu dem historischen Gebäude aus den 1950er-Jahren, dessen gezacktes Dach das markant gezackte „M“ im Logo der Zirndorfer Firma Metz nachbildet. In dem Städtchen bei Nürnberg produziert der Elektrogerätehersteller seit jeher „Made in Germany“. Radiogeräte, Fernseher, Equipment für Fototechnik.

Seit vergangenem Jahr zählt zum Sortiment auch der Metz Moover, der derzeit einzige Elektroroller aus deutscher Fabrikation. „Für Traditionsunternehmen der Elektrotechnik stellt die E-Mobilität die ungeheure Chance dar, sich noch mal neu zu erfinden“, erklärt Lauri Joukhi, 34, Chef von Metz mecatech. Ein Aufbruch nach längerer Malaise. Die Konkurrenz aus Fernost hatte dem fränkischen TV-Produzenten zunehmend das Leben schwer gemacht. Weil infolge des Booms von Smartphones mit immer besseren Kameras auch der Verkauf von analogen und digitalen Fotoapparaten sinkt, ist der Absatz von Blitzgeräten ebenso bedroht. 2014 musste Metz Insolvenz anmelden.

Am Stau vorbeiflitzen

Aus der Insolvenzmasse hat Joukhis Vater Wilhelm Daum mit Ausnahme der Fernseher-Sparte große Unternehmensteile gekauft. Daum stellt in Fürth auch Motoren für E-Bikes her. Sein Sohn – Finne wegen der skandinavischen Mutter – erklärt: „Eigentlich war unser Weg in die Elektromobilität naheliegend. Aber wir haben lange überlegt.“ Und dann im Jahr 2016 begonnen, ihren Roller zu entwickeln, „ein Produkt, das in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht legal war“.

Vor einigen Wochen freilich hat der Bundestag den Weg für die elektrisch beschleunigten Scooter freigemacht. Auf Straßen und Radwegen sind sie seit Juni zugelassen, nur auf Gehwegen dürfen sie mit ihren maximal 20 km/h nicht herumsausen. Verkehrsminister Andreas Scheuer sagt: „Wir wollen neue Wege moderner, umweltfreundlicher und sauberer Mobilität in unseren Städten. E-Scooter haben ein enormes Zukunftspotenzial.“ Der lange erwartet Startschuss auch für die Traditionsfirma in Mittelfranken.

E-Scooter haben ein enormes Zukunftspotenzial.

Andreas Scheuer, Verkehrsminister

Inzwischen rüsten zahlreiche sogenannte „Sharing-Dienste“ auch in Bayerns Metropolen auf. Sie vermieten ihre batterie-betriebenen Tretroller via App. Minister Scheuer hofft, dass mehr Menschen im städtischen Nahverkehr vom Auto auf Stromfahrräder umsteigen oder verstärkt U- und S-Bahn benutzen – und dann für die letzten paar hundert Meter zum Arbeitsplatz oder zur Shopping-Meile auf einen solchen Leih-Scooter umsteigen.

Die Frage der Verkehrssicherheit

Allerdings haben Verkehrsexperten noch immer das Desaster mit dem Leihradanbieter Obike im Gedächtnis, der etwa die Landeshauptstadt München quasi über Nacht mit billigsten Velos aus chinesischer Produktion flutete. Um havarierte Zweiräder kümmerte sich die Firma kaum. Zum Volkssport wurde es, die Geräte aus Protest in die Bäume im Englischen Garten zu hängen oder in die Isar zu werfen.

Für Traditionsunternehmen der Elektrotechnik stellt die E-Mobilität eine ungeheure Chance dar.

Lauri Joukhi, Metz-Chef

Ein ähnliches Problem ist auch mit den neuen Rollern nicht ausgeschlossen. Denn viele der neu entstehenden Verleihunternehmen setzen auf Billigware aus Fernost, die sie containerweise einkaufen. Erfahrungen in anderen europäischen Städten zeigen, dass manche der China-Scooter nur wenige Monate halten, weil die Kunden achtlos mit ihnen umgehen und die Betreiber sie nicht reparieren, da der günstige Einkaufspreis das nicht rentabel erscheinen lässt. Auch bezüglich der Verkehrssicherheit bestehen noch Zweifel. In Stockholm etwa kam Ende Mai bereits ein Scooter-Fahrer bei einem Zusammenstoß mit einem Auto ums Leben.

Mit einem Preis von 2.000 Euro im Fahrrad-Fachandel orientiert sich Metz mit dem Moover freilich ins Premiumsegment, weniger interessant für viele Sharing-Anbieter. „Die nehmen oft lieber die günstigen Massenroller“, sagt Moover-Chef Joukhi. Er hat eher den sportlichen Endkunden im Visier, der sich ein solches Gerät für die eigene Fortbewegung anschafft. Mit dem E-Flitzer aus Franken ersteht er auch einen, der in Tests wesentlich stabiler und sicherer abschneidet. Die 12-Zoll-Luftreifen lassen ihn erschütterungsresistenter über huckeliges Terrain gleiten als die 8-Zoll-Vollgummi-Reifen mancher Fernost-Konkurrenten. Die Bremsen greifen schneller, sodass sich der Bremsweg gegenüber Vergleichsgeräten von fünf auf zwei Meter verringert. „Im Großstadtverkehr kann das den Unterschied zwischen einem schweren Unfall und einem nur leichten Schrecken bedeuten“, gibt Joukhi zu bedenken.

Gerät für kurze Strecken

Voll an der Steckdose aufgeladen erreicht der Moover eine maximale Reichweite von 25 Kilometern, fährt mit seinen 20 km/h Spitzengeschwindigkeit jedoch erheblich langsamer als etwa ein E-Bike, bei dem der Fahrer voll in die Pedale tritt. Dass der Moover mit 16 Kilogramm Gewicht zudem zu schwer ist, um ihn wirklich zusammenzuklappen und in der U-Bahn mitzuschleppen, das gibt der junge Entwickler Joukhi unumwunden zu. Aber die Qualität des Metallrahmens aus der Herstellung der fränkischen Zulieferers Stechert in Trautskirchen und die eingebauten Sicherheitsfeatures brächten eben eine entsprechende Masse mit – schwer wird da leicht mal was.

Dafür sei der Moover langlebiger als die Billiggerätschaften, glaubt Joukhi. „Wer umweltfreundliche Mobilität meint, sieht die Fernostdinger mit anderen Augen. Wenn die wirklich so schnell weggeworfen werden, dann sind sie nicht so grün wie man denkt“, sagt er. Rund 1.000 Moover hat der fränkische Finne, der beim Reden leicht das „R“ rollt, im vergangenen Jahr bereits abgesetzt. Denn in Städten wie Paris oder Madrid sind E-Scooter schon länger zugelassen. Mit dem Neustart in Deutschland peilt er für 2019 bereits 6.000 bis 8.000 Stück an.

Im nächsten Jahr geht es dann richtig los.

Lauri Joukhi, Metz-Chef

Derzeit fertigen 12 der insgesamt 160 Mitarbeiter in der Zirndorfer Halle mit dem gezackten Metz-Dach vierzig Roller am Tag. Wenn in der Leiterplattenproduktion Flaute herrscht, schichten die Personaler ihre Kräfte in die Moover- Herstellung um. Auf dem zweirädrigen Gerät ruhen viele Hoffnungen. Zwar ist der Umsatz des Unternehmens seit 2016 von 25 auf 20 Millionen Euro gesunken – „aber der Moover kann uns wieder auf alte Höhen bringen“, glaubt Chef Joukhi. Ein wenig Sorge bereitet ihm noch, dass viele Erwachsene solche Scooter nur in Form der kleinen Kick-Roller kennen, mit denen Kinder zur Schule sausen. „Dieses Image eines Spielzeugs, das müssen wir noch ändern.“

Roller contra Radler?

Wichtig für die erhoffte Verkehrswende in den Städten mit E-Bikes, Pedelecs, herkömmlichen Rad‘ln, Lastenrädern, E-Rollern und anderem Kleingerät wird freilich eine Neuordnung der Verkehrswege. „Die derzeitige Infrastruktur lässt vieles nicht zu“, erklärt der Metz-Macher, „es fehlen Radwege, Radwege, Radwege.“ Damit dort nicht der Nahkampf zwischen behelmten Stromradlern, Müttern mit Kindern im Transportkorb ihres Lastrads und nun auch noch Rollerfahrern ausbricht, müssten die Asphaltstrecken zwischen den Straßen und Gehwegen verbreitert werden. Zulasten von Autofahrern und/oder Fußgängern. Die Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern zeichnen sich in den verkehrspolitischen Debatten in den Magistraten von Städten wie München bereits ab.