Die Grenze zwischen Österreich und Bayern nahe Freilassing. (Bild: Imago)
Grenzkontrollen

CSU: „Bund handelt unverantwortlich“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat die Bundesregierung wegen einer "spürbaren" Ausdünnung der Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze scharf attackiert. Auch der Innenminister warnt vor den Folgen, sollte der Bund seiner Pflicht, die Grenzen zu sichern, nicht nachkommen.

Ministerpräsident Seehofer nannte das Vorgehen der Bundesregierung „unverantwortlich“ – und drohte erneut mit einer Verfassungsklage. Es seien grundlegende Fragen der Sicherheit des Landes und der Bevölkerung berührt. Seehofer betonte, er sei mit seiner Geduld „an einer Grenze“. Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) klagte: „Dieses Verhalten ist völlig absurd und nicht sicherheitspolitisch begründbar.“

Ich erwarte einfach, dass Politik funktioniert, einfach funktioniert, und die Grundregeln einer vernünftigen Zusammenarbeit eingehalten werden.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Seehofer erklärte, bei einer offenkundig unzureichenden Überwachung der EU-Außengrenzen sei es die Pflicht der Bundesregierung, die deutschen Grenzen zu kontrollieren und zu sichern. Schon bisher sei diese Pflicht nicht an jedem Grenzübergang erfüllt worden. Wenn die bestehenden Kontrollen aber nun so ausgedünnt würden, dass sie ein paar Stunden stattfinden und dann wieder ein paar Stunden nicht, dann sei das „einfach nicht zu verantworten“.

Weil immer weniger Flüchtlinge Deutschland erreichen, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein Auslaufen der Grenzkontrollen im Mai in Aussicht gestellt – und auf seiner Entscheidungshoheit beharrt. „Die Entscheidung über die Aufrechterhaltung und den Umfang von Grenzkontrollen trifft der zuständige Bundesinnenminister“, betonte er und versprach, dass er die Entscheidung „mit den Bundesländern und insbesondere auch dem hauptbetroffenen Bundesland besprechen“ werde.

Bayern fordert Schutz der EU-Außengrenzen

Innenminister Joachim Herrmann sieht einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen unabdingbar: „Von September bis Dezember 2015 wurden durch die Bundespolizei und die Bayerische Polizei insgesamt rund 645.000 Migranten bei Personenkontrollen aufgegriffen. Im Jahr 2016 waren es bislang mehr als 105.000.“ Zwar stagniere der Zustrom derzeit auf vergleichsweise niedrigem Niveau, die Lage in Griechenland habe sich aber bislang keineswegs stabilisiert.

Auch etwaige Ausweichrouten über Italien seien nicht auszuschließen. Die Bundesregierung müsse sich deshalb organisatorisch und logistisch auf eine Verlagerung der Flüchtlingsrouten einstellen und schon jetzt entsprechende Absprachen mit Österreich treffen.

Herrmann warnt vor künftigen Entwicklungen

Herrmann warnte vor einem Abbau der Grenzkontrollen vor allem auch für den Fall eines möglichen Wiederanstiegs der Flüchtlingszahlen.

Das mittlerweile etablierte System einer geordneten Übernahme von Flüchtlingen an den mit Österreich vereinbarten fünf Grenzübergabepunkten wäre dann nicht mehr möglich. Auch Einreiseverweigerungen durch die Bundespolizei wären in Frage gestellt.

Joachim Herrmann

Der Innenminister machte deutlich, dass ein Wegfall stationärer Grenzkontrollen außerdem eine deutliche Verstärkung der Schleierfahndung durch die Bayerische Polizei und die Binnengrenzfahndung der Bundespolizei erforderlich machen würde.

Verbesserte Kontrollabfertigung

Um den erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen an reisestarken Tagen entgegen zu wirken, hat sich die Staatsregierung deshalb für Verbesserungen beim Grenzübergang Walserberg, beim Grenzübergang Kiefersfelden/Kufstein sowie im Schienenverkehr zwischen Salzburg und Freilassing eingesetzt. An allen Kontrollstellen soll dauerhaft eine Kontrollabfertigung auf zwei baulich getrennten Fahrstreifen ermöglicht werden. Güter- und Personenverkehr bekommen dafür jeweils eine eigene Spur. Für die Kontrollstelle auf der Autobahn A 8 wird aktuell eine für Grenzkontrollen auf zwei Fahrstreifen geeignete Fläche ertüchtigt. Die neue Kontrollörtlichkeit nahe des ehemaligen Grenzüberganges Walserberg befindet sich in Bau und kann voraussichtlich noch vor den Pfingstferien betrieben werden.

Kontrollen bremsen Wirtschaft

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ergänzte zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Grenzkontrollen: “Die Grenzkontrollen an den Grenzübergängen zu Österreich belasten Teile der bayerischen Wirtschaft im grenznahen Raum. Die Grenzkontrollen sind momentan aber richtig und wichtig. Sicherheit hat oberste Priorität. Und Sicherheit ist auch ein entscheidender Standortfaktor.“ Die wirtschaftlichen Belastungen durch die Grenzkontrollen seien geringer als die Kosten einer unkontrollierten Masseneinwanderung.

Wir wollen die Belastungen für die Unternehmen möglichst gering halten. Die Grenzkontrollen müssen daher möglichst effizient abgewickelt werden. Verzichtbar sind sie aber nicht.

Ilse Aigner, Bayerische Wirtschaftsministerin

Über 30 Prozent der Tatverdächtigen aus dem Ausland

Der Ministerrat betonte auch die Notwendigkeit einer genauen Analyse der Sicherheitslage und des Sicherheitsempfindens in der Bevölkerung. Herrmann: „Fakt ist: 31,5 Prozent aller Tatverdächtigen waren im vergangenen Jahr ausländische Staatsangehörige, im vorletzten Jahr wurden in gleicher Größenordnung ausländische Staatsangehörige durch bayerische Gerichte verurteilt. Wir werden dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen und unser Handlungskonzept zur Bekämpfung der Ausländerkriminalität weiterentwickeln.“

Verfassungsklage wird „wahrscheinlicher“

Auf die Nachfrage, ob die angedrohte Verfassungsklage Bayerns gegen den Bund nunmehr wahrscheinlicher werde, sagte Seehofer: „Wenn diese Verpflichtung der Bundesregierung nicht erfüllt wird, dann wird sie natürlich wahrscheinlicher.“ Bayern hatte vom Bund eine Obergrenze für die Flüchtlingszahlen und eine effektive Grenzsicherung verlangt und dabei mit dem Gang nach Karlsruhe gedroht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf Seehofers Brief bisher noch nicht reagiert.