Russland gehört zu den größten Waffenexporteuren der Welt. (Bild: Imago/Yuri Smityuk/TASS)
Militärausgaben

Mehr Konflikte, mehr Waffen

Die weltweiten Militärausgaben sind nach vier Jahren Rückgang erstmals wieder gestiegen, meldet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Dafür sei unter anderem China verantwortlich, das seine Gebietsansprüche immer aggressiver verfolge. Wie Sipri mitteilte, wurden in 2015 rund 1676 Milliarden Dollar (1,5 Billionen Euro) in militärische Mittel investiert.

Laut einer neuen Studie des Friedensforschungsinstituts Sipri stieg der weltweite Rüstungsverkauf zwischen 2011 und 2015 im Vergleich zum Zeitraum 2006 bis 2010 um 14 Prozent.

  • Die größten Waffenexporteure zwischen den Jahren 2011 bis 2015 sind demnach die USA (Weltmarktanteil von 33 Prozent), Russland (25), China (5,9), Frankreich (5,6) und Deutschland (4,7). Deutschlands Exporte seien allerdings im Vergleich zu den Jahren 2006 bis 2010 etwa auf die Hälfte gesunken, so Sipri. Auffällig gesteigert habe dagegen China seine Rüstungsexporte – insgesamt um 88 Prozent. Gemeinsam stehen diese fünf Länder für rund drei Viertel der internationalen Rüstungsexporte.
  • Als die fünf größten Abnehmer von Rüstungsgütern nennt das Institut in seinem neuen Bericht Indien, Saudi-Arabien, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und Australien. Insgesamt seien die Rüstungsimporte insbesondere im Nahen und Mittleren Osten deutlich gestiegen.
  • Die Gesamtmilitärausgaben von 1676 Milliarden Dollar beinhalten einen Anstieg um ein Prozent im Vergleich zu 2014. Vor allem Russland (+7,5 Prozent), China (+7,4 Prozent) und Saudi-Arabien (+5,7 Prozent) gaben mehr für Rüstung aus. In vielen westeuropäischen Ländern und den USA sanken die Ausgaben dagegen.

Blick auf die letzten zehn Jahre

Betrachtet man einen Zeitraum von zehn Jahren, zeigt sich: In China verdoppelten sich die Rüstungsausgaben von 2006 bis 2015 (+132 Prozent), auch in Saudi-Arabien (+97 Prozent) und Russland (+91 Prozent) sind die Zuwächse enorm. Noch höher fällt der Zehnjahres-Anstieg bei den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 136 Prozent aus, auch Indien mit 43 Prozent und Brasilien mit 38 Prozent erhöhten die Ausgaben in diesem Zeitraum deutlich. Deutschland dagegen hat in dem Zeitraum seine Ausgaben gerade einmal um 2,8 Prozent auf rund 39 Milliarden Dollar gesteigert. Andere westeuropäische Länder wie Großbritannien (-7,2 Prozent), Frankreich (-5,9 Prozent) und Italien (-30 Prozent) reduzierten sogar die Militärausgaben, bedingt sicherlich durch die Wirtschaftskrise besonders in Südeuropa. Auch die USA verzeichneten über zehn Jahre einen Rückgang um 3,9 Prozent.

Bei der Gesamtsumme liegen die USA vorne

Die USA stehen aber trotz eines Rückgangs im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent auf 596 Milliarden Dollar mit Abstand an der Spitze der Rüstungsausgaben. Auf Platz zwei rangiert China mit von Sipri geschätzten 215 Milliarden Dollar. Diese Summe ist umstritten, da China viele Schattenhaushalte hat, in denen ebenfalls Militärausgaben versteckt sind oder sein sollen – auch wenn das Land das offiziell bestreitet. China gebe für sein Militär 50 Prozent mehr Geld aus, als es ausweist, schreibt jedenfalls Sipri, das diese Summe mit eingerechnet hat. Peking rechne die Kosten für seine paramilitärischen Polizeimilizen nicht in den Wehretat ein und verbuche auch nicht besondere Kosten für militärische Forschung und Entwicklung sowie militärisch nutzbare Infrastrukturprojekte und Waffenimporte. Platz drei hat nicht mehr Russland (66,4 Milliarden Dollar), sondern Saudi-Arabien mit 87,2 Milliarden Dollar. Platz fünf geht an Großbritannien mit 55,5 Milliarden Dollar. Deutschland liegt auf der Liste der Länder mit den höchsten Ausgaben an neunter Stelle (39,4 Milliarden Dollar).

Für die Staaten Kuba, Eritrea, Nordkorea, Somalia, Sudan, Syrien, Turkmenistan und Usbekistan fehlen die Zahlen aus verschiedenen Gründen vollständig.

Kriege und Konflikte

„Die Militärausgaben im Jahr 2015 zeigen gegensätzliche Trends“, sagte Sam Perlo-Freeman, Leiter des Sipri-Projektes. Auf der einen Seite spiegelten sie die eskalierenden Konflikte und Spannungen in vielen Teilen der Welt wider – rund um die Sorgenkinder China, Russland und die arabische Region. Auf der anderen Seite sei klar zu erkennen, dass durch den sinkenden Ölpreis weniger „Ölgeld“ in die Rüstung fließe, vor allem in Angola, Südsudan, Tschad, Ecuador, Kasachstan, Oman und Venezuela. Andere Ölförderländer bauten ihre Rüstungsausgaben dagegen weiter aus, darunter Algerien, Aserbaidschan, Russland und Saudi-Arabien. Diese wirtschaftlich und politisch schwankende Situation mache es schwierig, eine Prognose für die Zukunft zu erstellen.

Einige Spannungsherde und die daran Beteiligten bilden sich deutlich in den Rüstungsausgaben ab. Man könnte sie also als Konfliktbarometer sehen:

  • Die Spannungen mit Russland haben vor allem die Nachbarländer von Russland und der Ukraine zu Ankäufen von mehr Waffen und Ausrüstung motiviert. Polen (+22 Prozent), Litauen (+33 Prozent), Rumänien (+11 Prozent), die Slowakei (+17 Prozent), Estland (+6,6 Prozent) und Lettland (+14 Prozent) sorgten für einen Gesamtanstieg um 13 Prozent in Zentraleuropa. Im Gegensatz dazu gingen die Ausgaben in den westeuropäischen Ländern um 1,3 Prozent zurück. Doch das wird sich bald ändern, so die Stockholmer Forscher. Großbritannien, Deutschland und Frankreich hätten nun angesichts des schwierigen Verhältnisses zu Russland und der Bedrohung durch Terrororganisationen wie den Islamischen Staat angekündigt, ihre Ausgaben ebenfalls zu erhöhen. Russland verzeichnete einen Anstieg zum Vorjahr um 7,5 Prozent, die Ukraine um 10 Prozent.
  • Ein neuer Konfliktherd, nämlich die jetzt wieder aufflammenden Kämpfe um die Region Berg-Karabach (der Bayernkurier berichtete) waren an den Rüstungsausgaben sichtbar: Das Ölförderland Aserbaidschan hat in den letzten zehn Jahren die Ausgaben um 165 Prozent auf 3 Milliarden Dollar erhöht, allein im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent – ein deutliches Warnsignal. Armenien dagegen hat mit 447 Millionen Dollar deutlich weniger ausgegeben, allerdings im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls um 7,7 Prozent und seit 2006 um 71 Prozent mehr.
  • Auch in den USA wird laut Sipri immer weniger am Militär gespart. „Es macht den Eindruck, dass die Einschnitte in den USA dem Ende entgegengehen“, sagte Perlo-Freeman der Deutschen Presse-Agentur. Für 2016 werden nach fünf Jahren des Rückgangs gleich bleibende US-Militärausgaben erwartet. Und auch der Rückgang hing in erster Linie mit dem Rückzug der US-Truppen aus Irak und Afghanistan, der Wirtschaftskrise und einer Haushaltssperre zusammen.
  • Der Irak hingegen rüstet wegen der Bedrohung durch den IS weiter auf. Im Vergleich zum Vorjahr gab das Land rund 35 Prozent mehr für Waffen aus, seit 2005 sogar um 536 Prozent. Saudi-Arabien, das derzeit Krieg im Jemen führt und den alten Feind Iran erstarken sieht, hat seit 2006 die Militärausgaben um 97 Prozent erhöht und seit 2014 um 5,7 Prozent. Hier fehlen allerdings noch die endgültigen Zahlen für 2015, angesetzt wurden nur die geplanten Ausgaben. Iran reduzierte die Ausgaben für das Militär in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent, bedingt allerdings auch durch die Sanktionen des Westens. Nachdem diese teilweise aufgehoben wurden, wird auch hier ein Anstieg im Jahr 2016 erwartet.
  • Auch rund um das zunehmend aggressiv und expansiv auftretende China wachsen die Militärausgaben: In Indien seit 2006 um 43 Prozent, in Australien um 32 Prozent, in Indonesien um 150 Prozent, in Südkorea (mit der zusätzlichen Bedrohung durch Nordkorea) um 37 Prozent, in Singapur und Neuseeland um 9 Prozent. Allein im Jahr 2015 erhöhten beispielsweise auch die Philippinen ihre Militärausgaben um 25 Prozent, Vietnam um 7,6 Prozent und Indonesien um 16 Prozent. Nur in Japan sanken die Ausgaben in den letzten 10 Jahren um 0,5 Prozent, aber die Regierung hat bereits angekündigt, die Mittel für 2016 um 1,5 Prozent zu erhöhen – im vierten Jahr hintereinander. Dies gilt in diesem Jahr auch für Indien (+8 Prozent). China gab allerdings 2015 viermal so viel Geld für sein Militär aus wie das innerhalb Asiens auf Platz zwei kommende Indien.
  • Fast alle Länder um die Konfliktregionen Afghanistan und Pakistan erhöhten ebenfalls ihre Militärausgaben.
  • In Mexiko führte der Krieg gegen die Drogenkartelle zu einem Anstieg um 3,6 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014 und um 92 Prozent seit 2006.
  • Erstaunlich ist dagegen nach 11 Jahren des Anstiegs der Rückgang der Militärausgaben im chronisch kriegerischen Afrika um 5,3 Prozent seit 2014. Verantwortlich hierfür dürfte in erster Linie der gefallene Ölpreis sein. Insgesamt liegt hier ein Anstieg um 68 Prozent in den letzten zehn Jahren vor. Besonders im nördlichen Afrika wuchsen die Ausgaben seit 2006 um 149 Prozent, während der Zuwachs im südlich der Sahara gelegenen Teil mit 30 Prozent geringer ausfiel. Rund um die Boko-Haram-Islamisten stiegen die Militärausgaben: Offiziell weist Nigeria seit 2014 einen Rückgang um 2,5 Prozent aus, laut Sipri gibt es aber enorme Schattenhaushalte, die eher auf eine Anstieg deuten. In Mali stiegen die Ausgaben seit 2014 um 66 Prozent. Kenias Verwicklungen in Somalia sorgten für einen Anstieg um 22 Prozent seit 2014.

Eine Randnotiz: Der fallende Ölpreis könnte 2016 für unerwartete prozentuale Rückgänge bei den Militärausgaben sorgen.

Das Friedensforschungsinstitut Sipri

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) wurde 1966 vom schwedischen Parlament gegründet und seitdem in wesentlichen Teilen finanziert. Es soll Wissenschaftler, Politiker und Medien mit Daten, Analysen und Empfehlungen zu internationalen militärischen Fragen versorgen. Das Institut mit rund 50 Mitarbeitern unter seinem derzeitigen britischen Direktor Dan Smith arbeitet mit den Vereinten Nationen und der EU zusammen. Es hat Repräsentanzen unter anderem in Wien, Peking und Shanghai. Seine Untersuchungen zur Rüstungsstärke waren besonders im Kalten Krieg eine allseits anerkannte Zahlengrundlage für die Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West.