Seehofer dankt Österreich ausdrücklich
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat der österreichischen Regierung „ausdrücklich“ für die Durchsetzung einer nationalen Obergrenze und damit der Schließung der Balkanroute für Asylbewerber gedankt. Es liege ausschließlich an Österreich und den Balkanländern – und nicht etwa an der Politik Deutschlands –, dass mittlerweile wesentlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Flüchtlingskrise

Seehofer dankt Österreich ausdrücklich

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat der österreichischen Regierung „ausdrücklich“ für die Durchsetzung einer nationalen Obergrenze und damit der Schließung der Balkanroute für Asylbewerber gedankt. Es liege ausschließlich an Österreich und den Balkanländern – und nicht etwa an der Politik Deutschlands –, dass mittlerweile wesentlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

Obwohl der deutliche Rückgang des Flüchtlingszustroms nach Deutschland ausschließlich auf die Schließung der Balkanroute durch die Transitländer zurückzuführen ist, hat Kanzlerin Merkel Kritik an Österreich und der Durchsetzung seiner nationalen Obergrenze geübt: „Ich bin Österreich nicht dankbar. Ich fand es nicht glücklich, dass einseitige Entscheidungen getroffen wurden“, sagte sie im SWR. Dies habe „zu einer Belastung Griechenlands“ geführt, wo sich inzwischen viele tausend Flüchtlinge stauen. Dass diese ihre Hoffnungen oft auch ganz persönlich auf sie selbst richteten, sei „natürlich schon sehr emotional“, räumte die Kanzlerin im SWR ein. Viele der Menschen dort halten Merkel-Fotos hoch (die sie im Gegensatz zu ihren Pässen offenbar nicht verloren haben) oder sagen Sätze wie: „Angela Merkel soll uns aufmachen!“

Die Schmutzarbeit machen die anderen, Merkel hat die Moral.

Neue Zürcher Zeitung

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner begrüßte die jüngsten Entwicklungen. „Das Ehrlichste ist es, wenn man den Flüchtlingen sagt: Es gibt kein Durchkommen mehr über die Balkanroute, dass die Balkanroute geschlossen ist, weil dann wird man auch keine Hoffnungen und Erwartungen wecken.“ Die österreichische Zeitung „Der Standard“ urteilt deutlich über Merkel: „Die deutsche Kanzlerin schiebt dafür gerne ihren EU-Partnern, auch Österreich, die Schuld zu. Aber in Wirklichkeit tragen sie und ihre verunglückte Diplomatie selbst die Hauptverantwortung.“ Auch das Schweizer Blatt „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt: „Die Schmutzarbeit machen die anderen, Merkel hat die Moral.“

Bayern unterstützt Österreich bei seiner Politik

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat hingegen Österreich „ausdrücklich“ für seine neue Flüchtlingspolitik gedankt. „Wir unterstützen Österreich bei seiner neuen Flüchtlingspolitik“, betonte Seehofer bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) in München.

Denn schließlich liege es ausschließlich an Österreich und den Balkanländern, dass weniger Flüchtlinge kommen, meinte Seehofer. Diese Tatsache sei „nicht auf die Politik der deutschen Regierung zurückzuführen“. Die Politik Österreichs sei eine „wirksame Maßnahme“ der Begrenzung. Zudem zwinge sie Europa, zu handeln. Seehofer gab ferner zu bedenken, dass dies „eindeutig humaner“ sei, als Hoffnungen auszulösen, die niemand erfüllen könne.

Sehr große Bedenken gegen EU-Mitgliedschaft der Türkei

Gegen die beim EU-Türkei-Gipfel erhobenen Forderungen der Türkei wie beispielsweise EU-Vollmitgliedschaft oder Visafreiheit hegt Seehofer „sehr große Bedenken“. „Wir sind für alle Maßnahmen, die die Flüchtlingszahlen begrenzen. Aber das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung muss stimmen“, argumentierte der bayerische Ministerpräsident.

Diesbezüglich sind noch alle Fragen offen.

Horst Seehofer, bemängelt die ungeklärte Flüchtlingsverteilung

Auch an der Forderung, dass die EU für jeden Syrer, der von Griechenland abgeschoben wird, einen syrischen Kriegsflüchtling aus der Türkei aufnehmen müsse, ließ Seehofer kein gutes Haar: „Diesbezüglich sind noch alle Fragen offen.“ Schließlich weigern sich nach wie vor viele EU-Länder, auch nur einen einzigen Flüchtling aufzunehmen. Und hinsichtlich der geforderten sechs Milliarden Euro meinte er, dass „klar nachprüfbar sein muss, was mit den sechs Milliarden passiert“.

Tirols Landeshauptmann Platter (ÖVP) wies die Kritik ebenfalls an Österreich zurück. Immerhin habe man hierzulande im vergangenen Jahr 90.000 Flüchtlinge aufgenommen. „Das kann sich dieses Jahr nicht wiederholen“, bemängelte Platter. Die Untätigkeit der EU habe Österreich gezwungen, nationale Maßnahmen zu ergreifen.

Gemeinsames Ziel: Chaos an Grenzen verhindern

Seehofer und Platter erklärten, Bayern und Tirol wollten sich mit aller Macht dafür einsetzen, größere Flüchtlingsströme und damit ein drohendes Chaos auf der Brenner-Autobahn zu verhindern. Man wolle dafür sorgen, dass nach der faktischen Schließung der Balkan-Route nicht massenhaft Flüchtlinge über den Brenner kommen, sagte Seehofer.

„Wir stimmen überein, dass wir das Wiederaufleben der Brenner-Route verhindern wollen“, so Seehofer. Platter sagte ebenfalls, man wolle alles unternehmen, um Chaos zu vermeiden. Um Wartezeiten an den bayerisch-österreichischen Grenzen zu verringern, will Seehofer beim Bund weiter darauf hinwirken, dass die Kontrollen auf den Autobahnen in Zukunft zweispurig stattfinden. Dies sei heute die Ausnahme, solle aber in Zukunft der Regelfall sein, sagte er. Er hoffe, dass es dafür noch vor Ostern eine Lösung gebe.

Regen in Idomeni – Sorgen in Italien

Nach zweitägigen schweren Regenfällen haben mehr als 250 Migranten das Aufnahmelager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze freiwillig verlassen. Vor allem Familien seien mit Bussen in organisierte Lager im Großraum Athen gebracht worden, berichteten griechische Medien am Morgen. Mindestens 13 000 Menschen harrten aber noch immer in Idomeni aus. Bundesinnenminister Thomas de Maizière verwies darauf, dass die griechischen Behörden „andere, bessere Unterkünfte“ angeboten hätten. „Und es ist nicht zu viel verlangt von den Flüchtlingen, dass sie in bessere Unterkünfte gehen als in den schlechten, in denen sie bisher sind.“ Europa müsse Griechenland helfen, allerdings sei die Zahl der Flüchtlinge dort im Verhältnis zur Bevölkerung „immer noch deutlich niedriger“ als in Deutschland, Österreich oder Schweden im vergangenen Jahr. „Die Zeit des Durchwinkens ist vorbei“, betonte de Maizière. Nachdem Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien ihre Grenzen geschlossen haben, ist die Balkanroute praktisch dicht. De Maizière sagte, in Deutschland käme derzeit nicht einmal ein Zehntel der Menge an Flüchtlingen an wie im vergangenen Herbst. „Das Gipfelergebnis vom Montag hat dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet“, betonte er mit Rücksicht auf Merkel, weil auch ihm klar sein dürfte, dass der Beitrag wohl eher durch die Grenzschließungen kam. „Wir sind auf einem sehr guten Weg und für Deutschland werden die Zahlen damit auch niedrig bleiben.“

Es gibt die Sorge, dass es andere Routen gibt.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Nach der Schließung der Balkanroute wollen einige EU-Staaten Flüchtlinge daran hindern, auf andere Routen auszuweichen. Der italienische Innenminister Angelino Alfano kündigte an, mit Albanien entsprechende Gespräche führen zu wollen. Es gehe darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um illegale Migration zu verhindern, erklärte er am Rande eines EU-Innenministertreffens in Brüssel. Albanien grenzt an den Nordwesten von Griechenland und gilt deswegen als alternatives Transitland. Von dort aus könnten Flüchtlinge versuchen, mit Schiffen über die Adria nach Italien zu gelangen. Zusätzlich bietet Albanien die Möglichkeit, auf dem Landweg in Richtung Norden weiterzureisen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière wies darauf hin, dass Flüchtlinge auch wieder verstärkt versuchen könnten, von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien zu kommen. „Es gibt die Sorge, dass es andere Routen gibt“, sagte der CDU-Politiker. Man sei deswegen mit den Italienern im Gespräch, um frühzeitig eine ähnliche Entwicklung wie auf der Balkanroute zu vermeiden.

(dpa/APA/wog/avd)