Die Wahlbeteiligung in Polen ist traditionell niedrig, da man dem Staat insgesamt misstraut - ein Erbe des Kommunismus. Bild: Imago/Zuma Press
Parlamentswahl

Auch Polen rückt nach rechts

Die Polen haben für den Wechsel gestimmt: Bei der Parlamentswahl ist die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit rund 38 Prozent klar stärkste Kraft geworden. Dies wird auch zu einem härteren Kurs gegen die EU und Deutschland führen. Entschieden hat die Wahl aber mit das Flüchtlingsthema.

Nach in der Nacht veröffentlichten Hochrechnungen stimmten 38 Prozent der Wähler für PiS und ihre Spitzenkandidatin Beata Szydlo. Dies reicht den Prognosen zufolge, um allein zu regieren. „Dieser Sieg ist euer aller Verdienst“, sagte Szydlo vor jubelnden Anhängern. Wenn sich die Prognosen bestätigen, kann die PiS des früheren Regierungschefs und eigentlichen starken Mannes in der Partei, Jaroslaw Kaczynski, alleine regieren. Die Nationalkonservativen dürfen auf 238 Sitze im neuen Parlament hoffen, für die absolute Mehrheit sind 231 Mandate notwendig. Die PiS ist dann erstmals seit 2007 an der Macht. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,6 Prozent, für Polen ein hoher Wert. Das liegt an einem tiefen Misstrauen gegenüber allen staatlichen Institutionen und den Regierungen, was vor allem aus Polens kommunistischer Vergangenheit herrührt. Wann das offizielle Endergebnis bekanntgegeben wird, war noch nicht klar.

Flüchtlinge entscheiden auch diese Wahl

Mit entschieden hat die Wahl das Thema Flüchtlinge, auch wenn Polen bisher kaum Asylbewerber aufgenommen hat. Befürchtungen der meist katholischen Polen gerade gegenüber den mehrheitlich muslimischen Migranten, die es in Polen faktisch nicht gibt, spielten allerdings seit Monaten eine große Rolle. Die bisherige polnische Regierung fuhr aber gerade bei diesem Thema einen Schlingerkurs. Mal wollte man der EU „den Marsch blasen“, nur um am nächsten Tag dann für die EU zu werben. Dies wiederholte sich auch bei anderen Bereichen der Flüchtlingskrise. Hinzu kamen einige Affären der PO.

Der Kurs Polens wird sich deutlich ändern

PiS-Parteichef Kaczynski dagegen fuhr einen strikten Kurs gegen Flüchtlinge, und daneben auch gegen seine anderen Feindbilder Deutschland, Homosexuelle und EU. Die sonstigen Wahlversprechen der PiS werden dagegen kaum einzuhalten sein, sie waren wohl eher das „Blaue vom Himmel“: Der Mindestlohn und die Sozialleistungen sollen steigen, das Rentenalter und Steuern sinken und ein Familiengeld von 118 Euro monatlich pro Kind eingeführt werden. Klar ist jedenfalls, dass sich der Kurs zu den Themen Flüchtlingen und Russland deutlich verschärfen wird. Ob auch die EU und Deutschland wieder als Sündenbücke herhalten müssen, wird sich zeigen, wenn die neue Ministerriege steht. Sollten dort mehrheitlich Hardliner vertreten sein, ist auch hier eine Verschärfung zu erwarten.

Trotz guter Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten verliert die Regierung

Die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) von Regierungschefin Ewa Kopacz kam danach lediglich auf 23,4 Prozent. Sie muss sich nach acht Jahren an der Regierung mit der Oppositionsrolle abfinden. Bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren hatten noch 33,7 Prozent der Wähler für die PO gestimmt und nur 23,2 Prozent für die PiS. Kopacz räumte am Abend ihre Niederlage ein. Fast trotzig verwies sie auf die Erfolge von acht Jahren PO-Regierung, vor allem das Wirtschaftswachstum und den Rückgang der Arbeitslosigkeit. „In diesem Zustand überlassen wir Polen denen, die heute gewonnen haben“, sagte sie. Das ist durchaus richtig, denn auch die Infrastruktur wurde entscheidend verbessert und die Durchschnittslöhne stiegen. Der Makel daran: Vom hohen Wirtschaftswachstum profitierten nicht alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen und die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei hohen 20 Prozent. Seit 2007 haben 2,2 Millionen junge Polen das Land verlassen, auch wenn das pro Jahr nicht viel mehr sind als zu Kaczynskis Regierungszeit. Weitere Probleme in dem Land waren hohe Wohnungspreise, viele unsichere Zeitarbeitsverträge, schlechte Gesundheitsversorgung, teure Medikamente und niedrige Renten.

Weitere Parteien ziehen in das polnische Parlament ein

Im künftigen Parlament sind Prognosen zufolge fünf Parteien vertreten. Drittstärkste Partei ist danach die konservative Bewegung Kukiz des ehemaligen Rockmusikers Pawel Kukiz, die 9,1 Prozent der Stimmen erhielt und auf 44 Abgeordnetensitze hoffen kann. Außerdem schafften die wirtschaftsliberale Partei Nowoczesna mit 7,2 Prozent und die Bauernpartei PSL mit 5,7 Prozent der Stimmen den Einzug ins Parlament. Linke Parteien sind erstmals seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht mehr im Parlament vertreten.