Fünf vor Zwölf in Griechenland
Spannende Diskussion in der Hanns-Seidel-Stiftung: Hellas am Scheideweg. Überwältigende Zustimmung der Griechen für die Regierung Tsipras - aber gar keine für Reformen.
Griechenland

Fünf vor Zwölf in Griechenland

Spannende Diskussion in der Hanns-Seidel-Stiftung: Hellas am Scheideweg. Überwältigende Zustimmung der Griechen für die Regierung Tsipras - aber gar keine für Reformen.

Erschienen am: 21. März 2015Artikel aus Rubrik: Europa-Ausland

 

Eine gute Nachricht brachten die griechischen Gäste immerhin mit nach München: Wenn Griechenlands linksradikale Syriza-Regierung jetzt das Athener Goethe-Institut pfänden wollte und sich dafür auf Reparationsforderungen beriefe, dann ginge das nur außerhalb des Völkerrechts, erläuterte Giorgos Christonakis, Professor für Europarecht in Berlin.

Was sonst einen spannenden Griechenland-Abend in der Münchner Hanns-Seidelstiftung zu hören war, fiel allerdings unter die Rubrik schlechte Nachrichten. Etwa der faktische Hinweis des Athener TV-Journalisten Angelos Athanassopoulos, dass sich die neue Syriza-Regierung noch immer einer Zustimmung von 80 Prozent erfreue. Eine Volks-Akzeptanz für das Reformprogramm – das sogenannte Memorandum – habe es dagegen  all die Jahre nie gegeben. Die Griechen, kann das nur heißen, wollen mehrheitlich keine Reformen. Hoffnung gebe es doch, warf Kyriakos Mitsotakis ein – bis Januar 2015 Minister für Verwaltungsreform im Kabinett von Antonis Samaras. Mitsotakis stand einem besonders reformintensiven Ministerium vor, reformierte nach eigener Aussage kräftig und bitter, und ist trotzdem im größten Athener Wahlkreis wiedergewählt worden.

Hans-Peter Uhl: Griechenland kann mit dieser Haltung nicht im Schengenraum bleiben

Mit der Syriza-Regierung ging der ND-Politker Mitsotakis hart ins Gericht. Aber auch Griechenlands Gläubigern konnte er einen Vorwurf nicht ersparen: Wenn schon die reformwillige Samaras-Regierung, die Zugeständnisse erhalten hätte, welche die Tsipras-Regierung jetzt verbuchen konnte – etwa das geringere Primärdefizit – dann wäre es für sie leichter gewesen.

Sehr klare Worte für die Provokationen und „Rüpeleien“ der Tsipras-Regierung fand CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl: Die Besonderheit eines Staatenverbundes wie der EU verlange besondere „Bindung an das Recht und gegenseitiges Vertrauen“. Der Tsipras-Regierung sei das offenbar nicht klar. Die Drohung, Deutschland mit Flüchtlingen zu fluten, sei unerträglich: „Griechenland kann mit dieser Haltung nicht im Schengenraum bleiben. Ja, es legt die Axt an die Wurzel der Schengen-Idee als solcher.“ Griechenland, forderte Uhl eindringlich, müsse sofort zu Rechtstreue und Vertrauen zurückkehren – „es ist fünf Minuten vor zwölf“.Wie geht es weiter in Athen? Die Syriza-Regierung werde den Zusammenprall mit der Realität nicht überstehen, prognostizierte Mitsotakis. Das könnte schon bald zum Referendum über den Euro führen oder zu Neuwahlen. Die Tsipras-Regierung habe kein Wähler-Mandat für den Euro-austritt und den Bruch mit Europa, beruhigte TV-Journalist Athanassopoulos.

Sind wir eine Gemeinschaft von Staaten, die sich gegenseitig vertrauern, oder eine, in der manche Staaten die Gemeinschaft ausplündern wollen

Wäre der griechischer Euro-Austritt – Grexit – rechtlich überhaupt möglich? Wenn, dann vielleicht auf Grund der im römischen – und deutschen – Recht üblichen „clausula rebus sic stantibus, überlegte Jura-Professor Christonakis: Wenn sich die Vertragsgrundlage dramatisch ändert, muss es möglich sein, einen Vertrag aufzulösen. Griechenland und der als Hartwährung konzipierte Euro hätten von Anfang an nicht zusammengepasst, ergänzte Uhl und warnte: Das deutsche Volk – und sein Parlament – seien nicht bereit, griechische Versprechungen zu finanzieren, „die nicht finanzierbar sind“.

Kann die Euro-Zone den Grexit aushalten? Banker Christian Schulz sah die Euro-Länder gut vorbereitet und erwartete „allenfalls kurzfristige Unannehmlichkeiten“. Problematischer sei die politische Komponente: „Ich mache mir für den Fall große Sorgen Große Sorgen um die politische Zukunft Europas. Für Griechenland wäre der Euro-Austritt in jedem Fall eine wirtschaftliche und politische Katastrophe, warnte Ex-Minister Mitsotakis und erinnerte an Griechenlands täglich instabiler werdende geopolitische Nachbarschaft. „Wir müssen alles versuchen, um Griechenland im Euro zu halten, so Mitsotakis fast flehentlich.

Aber nicht um jeden Preis, wandte Uhl ein: Denn wenn die Tsipras-Regierung mit ihrem Erpresser-Spiel durchkäme, wäre das schädlich für Europa: „Es geht um die Frage, sind wir eine Gemeinschaft von Staaten, die sich gegenseitig vertrauern, oder eine, in der manche Staaten die Gemeinschaft ausplündern wollen.“