Bundesinnenminister Horst Seehofer sucht weiter eine EU-weite Einigung bei der Seenotrettung von Flüchtlingen. (Bild: imago Images /Christian Spicker)
Ausland

Noch keine Einigung über Verteilung

Innenminister Seehofer hat bei einem Treffen mit EU-Kollegen für eine Übergangslösung zur Seenotrettung im westlichen Mittelmeer geworben − bislang vergeblich. Beunruhigend: Auf der östlichen Ägäis-Route werden die Migrantenzahlen wieder größer.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat bei einem Treffen mit EU-Kollegen für Unterstützung einer Übergangslösung zur Seenotrettung geworben – musste die Erwartungen aber dämpfen.

Es gehe darum, den anderen EU-Staaten die Malta-Vereinbarung zur Verteilung aus Seenot geretteter Migranten vorzustellen, sagte der CSU-Politiker am Rande der Beratungen der Innenminister am Dienstag in Luxemburg. Andere Länder signalisierten jedoch Ablehnung.

In Luxemburg …

Seehofer hatte sich vor zwei Wochen mit seinen Kollegen aus Italien, Frankreich und Malta im maltesischen Vittoriosa auf eine Übergangslösung zur Verteilung von Bootsmigranten aus dem zentralen Mittelmeer geeinigt. Zuletzt mussten Migranten oft tagelang an Bord von Rettungsschiffen ausharren, weil sie nicht in die Häfen von Italien und Malta einfahren durften.

Damals hatte Seehofer noch gesagt, er hoffe auf 12 bis 14 Länder, die mitmachen. Auf die Frage, ob die Vereinbarung direkt nach dem Innenministertreffen in Kraft treten könne, sagte Seehofer im September: „Das dürfte um diesen Zeitpunkt sein.”

… keine Einigung

Am Dienstag in Luxemburg klang das anders. „Wir sind funktionsfähig, schon seit 15 Monaten machen wir Seenotrettung.” Das Abkommen sei bereits in Malta unterzeichnet worden. Mit Blick auf das Ministertreffen sagte er, er sei „ziemlich sicher, dass viele Staaten ihre Sympathien mit so einer Lösung äußern werden”.

Die französische Staatssekretärin für Europa-Angelegenheiten, Amélie de Montchalin, sagte hingegen: „Ziel ist nicht, eine bestimmte Zahl zu haben.” Vielmehr solle eine Dynamik entstehen. Einige Länder hätten aber bereits Interesse gezeigt, andere wollten noch einige Erklärungen.

Widerstände

Allerdings gab es auch Gegenwind. Österreichs Innenminister Wolfgang Peschorn sagte, sein Land werde sich nicht beteiligen. Eine sachliche Lösung sei für ihn, die Außengrenzen zu schützen und illegale Schlepperei zu bekämpfen.

Finnlands Innenministerin Maria Ohisalo hielt dagegen: Die Übergangslösung könne ein Schritt sein, um Vertrauen zwischen den Staaten zu schaffen. Die EU-Asylreform kommt seit Jahren kaum voran.

225 Migranten in 14 Monaten

Vor vierzehn Tagen hatte es Kritik an Seehofers Ankündigung gegeben, Deutschland könne ein Viertel der Bootsmigranten aufnehmen. Am heutigen Dienstag erinnerte der Innenminister daran, dass die Bundesrepublik in den vergangenen 14 Monaten nur 225 Migranten aufgenommen habe, die aus Seenot gerettet worden seien.

Die Malta-Vereinbarung habe bisher nicht dazu geführt, dass mehr Menschen nach Europa gekommen seien. Falls sich das ändern würde und aus Hunderten Migranten Tausende würden, könne der Mechanismus jederzeit ausgesetzt werden – so steht es in der ohnehin auf nur sechs Monate begrenzt gültigen Vereinbarung. Seehofer stellte klar: „Das würde ich auch tun.”

Über 45.000 Migranten nach Griechenland

Tatsächlich geht es nur um eine geringe Anzahl Menschen. Laut EU-Grenzschutzagentur Frontex erreichten in den ersten acht Monaten dieses Jahres fast 6600 Migranten Malta oder Italien. Nur bei einem geringen Teil von ihnen handelt es sich um Menschen, die tatsächlich aus Seenot gerettet wurden und dem Mechanismus zufolge verteilt werden sollten. Darunter jene 225, von denen Seehofer sprach.

Über andere Routen kommen wieder deutlich mehr Menschen nach Europa. So kamen bis Ende September über die sogenannte östliche Mittelmeerroute 35.848 Migranten von der Türkei zu den griechischen Ägäis-Inseln − die meisten von ihnen Afghanen. Das berichtet die französische Tageszeitung Le Monde. Dazu kommen fast 10.000 Migranten, die zwischen dem 1. Januar und dem 29. September über die Landgrenze von der Türkei nach Nordgriechenland gelangt sind. Macht zusammen über 45.000 Migranten, die in den ersten neun Monaten des Jahres Griechenland erreicht haben. Interessant: 38.400 Migranten seien im gleichen Zeitraum von der türkischen Küstenwache aufgehalten worden, so Le Monde.

63.500 Migranten auf dem griechischen Festland

Für all diese Menschen soll der auf sechs Monate angesetzte Übergangsmechanismus nicht gelten. Dabei ist die Lage etwa auf den griechischen Inseln katastrophal: In Aufnahmezentren auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos befinden sich heute 30.500 Migranten, weiß wieder Le Monde. Ausgelegt sind die Zentren für 5400 Personen. Ende August waren 5327 Migranten von den Inseln auf griechische Festland gebracht worden. Wo sich jetzt insgesamt 63.500 Migranten aufhalten. Besonders stark vertreten sind auch hier offenbar Migranten aus Afghanistan.

Deshalb wollen Bulgarien, Griechenland und Zypern am Dienstag auf die Situation in Südosteuropa aufmerksam machen. Trotz des anhaltenden Zustroms werde die östliche Mittelmeerroute nicht ausreichend beachtet, heißt es in einem Dokument, das die drei Staaten im Kreis der Innenminister vorstellen wollten und das der dpa vorliegt. Die Situation sei alarmierend. Die Länder fordern einen Mechanismus zur Verteilung von Migranten aus allen Staaten an den EU-Außengrenzen, die überlastet sind. Sie betonen, das derzeit wackelige EU-Abkommen mit der Türkei sei für die Steuerung der Migration essentiell. Alle Beteiligten müssten ihren Teil des Abkommens erfüllen.

Das Abkommen mit der Türkei

Auch über das 2016 geschlossene EU-Türkei-Abkommen wollten die Minister am Dienstag beraten. Seehofer hatte vergangene Woche in Ankara und Athen versucht, für eine bessere Umsetzung des Abkommens zu sorgen. Dies sieht vor, dass Griechenland illegal auf die Ägäis-Inseln gereiste Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt das Land finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge. (dpa/BK/H.M.)