Am späten Donnerstagabend war es dann doch noch soweit: Die Vorschläge Griechenlands zu einer Lösung des aktuellen Schuldendilemmas kamen im Postfach von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem an – die nicht unberechtige Befürchtung, Athen würde auch diese Frist wieder ungenutzt verstreichen lassen, wurde nicht Realität. Jetzt ist Europa am Zug: Die neue Reformliste muss jetzt von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds geprüft werden.
Vorerst keine öffentlichen Äußerungen
Ein Sprecher Dijsselbloems erklärte schon kurz nach Eingang des Reformvorschlags, bis zur abgeschlossenen Auswertung der Pläne durch die Institutionen werde Dijsselbloem sich nicht weiter dazu äußern. Ob die Vorschläge für ein drittes Hilfspaket ausreichen, müssen jetzt die Kreditgeber beurteilen.
Das sind die Vorschläge Athens
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, will die griechische Regierung laut dem neuen Reformpapier nun doch unter anderem die ermäßigten Mehrwertsteuersätze für Inseln abschaffen. Auch beim Thema Renten schraubte Athen frühere Forderungen herunter. So will die Regierung Tsipras jetzt doch das gesetzliche Rentenalter früher als ursprünglich angeboten auf 67 Jahre anheben. Auch die Militärausgaben sollen sinken – hier allerdings sind die Einsparungen nicht so groß, wie es die Geldgeber ursprünglich verlangt hatten.
Überraschung: Das Papier entspricht in großen Teilen dem Kompromissangebot der Gläubiger
In vielen Punkten entspricht das Athener Schreiben genau dem letzten Kompromissangebot der Gläubiger von Ende Juni. Womöglich aber ist es zu spät für Griechenland, dieses Angebot anzunehmen. Denn mit dem Abbruch der Verhandlungen vor dem griechischen Referendum am vergangenen Wochenende war dieser Vorschlag eigentlich ausgelaufen. Brüsseler Diplomaten betonen mittlerweile, inzwischen seien zusätzliche Anstrengungen nötig geworden. Die Lage des Krisenlandes habe sich wegen geschlossener Banken und Kapitalverkehrskontrollen dramatisch verschlechtert, heißt es dort.
Zudem packt die Regierung erneut ein heißes Eisen an. Nach einem Begleitschreiben will Athen auch eine „Regelung zum Umgang mit seinen Schulden“, wie es heißt. Im Klartext fordert Griechenland einen Schuldenschnitt. Das allerdings lehnt unter anderem die Bundesregierung bisher strikt ab. Zudem hofft die Regierung in Athen auf ein Wachstumspaket von 35 Milliarden Euro.
Im Vorfeld des Reformvorschlags hatte die Regierung Tsipras beim europäischen Rettungsfonds ESM ein drittes Hilfspaket mit drei Jahren Laufzeit beantragt. Dabei hofft die Regierung Medienberichten zufolge auf wenigstens 53,3 Milliarden Euro an Hilfsgeldern.
Die Hoffnung auf Einigung lebt
Die Hoffnung auf eine baldige Entschärfung der Schuldenkrise bleibt durch die fristgerechte Vorlage vorerst am Leben. Fällt das präsentierte Reformpaket zur Zufriedenheit der Geldgeber aus, könnten sie ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung gewähren. Allein im Juli muss Athen seinen Gläubigern 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen, ohne frisches Geld droht somit der „Grexit“, der in Deutschland mittlerweile von einigen Abgeordneten als die „fairste und ehrlichste Lösung“ angesehen wurde.
Der Prüfmarathon beginnt
Die Vorschläge aus Athen müssen nun also zunächst von Experten der EU-Kommission, EZB und IWF ausgewertet werden. Am Samstag könnten die Euro-Finanzminister dann bei einem Treffen in Brüssel grünes Licht geben. Nur wenn sie das Programm für zustimmungsfähig erachten, könnte wiederum ein doppelter Sondergipfel der Euro- und EU-Staaten am Sonntag den Weg für ein weiteres Hilfspaket ebnen.
In seinem Parlament braucht Tsipras womöglich Stimmen der Opposition
Das Parlament in Athen könnte griechischen Medienberichten zufolge bereits am Freitag über das Sparprogramm beraten und Finanzminister Euklid Tsakalotos im Schnellverfahren beauftragen, die nötigen Verträge zur Einigung mit den Gläubigern zu unterzeichnen. Die endgültige Billigung des Sparprogramms solle dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Tsipras will die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza nach dpa-Informationen vom Fraktionszwang befreien und eine Mehrheit im Zweifelsfall mit Hilfe von Oppositionsstimmen sichern, um einen Regierungsbruch zu vermeiden.
Skeptische Stimmen von CDU und CSU
Die beiden stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionschefs Ralph Brinkhaus und Hans-Peter Friedrich zweifeln nach der Vorlage der griechischen Reformvorschläge an der Glaubwürdigkeit der Athener Regierung. Die Pläne beinhalteten anscheinend genau das, was die Griechen beim Referendum am vergangenen Sonntag abgelehnt hätten, sagte Brinkhaus (CDU) am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Athener Regierung habe zuletzt in einer Kampagne alles verdammt, was sie nun vorlege. „Insofern stellt sich wirklich die Frage auch nach der Glaubwürdigkeit.“
Auch Friedrich (CSU) nannte es im Deutschlandfunk merkwürdig, dass Vorschläge gemacht würden, die im Referendum abgelehnt worden seien. „Das heißt, jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die griechische Regierung trickst ihr eigenes Volk aus. Oder wieder mal uns.“