EU-Pläne: Die Wege nach Europa sollen für illegale Einwanderer weitgehend geschlossen werden. (Bild: Imago/Alfonso Di Vincenzo/IPA/Kontrolab)
Brüssel

EU will Asylpolitik übernehmen

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll nach einem Medienbericht personell massiv aufgestockt werden und zudem erweiterte Zuständigkeiten bekommen. Interessant könnten hier insbesondere die Änderungen bei Abschiebungen werden.

Nach einem Gesetzesvorschlag, der Mitte dieser Woche im EU-Parlament in Straßburg von der Europäischen Kommission präsentiert wird, soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex offenbar deutlich ausgebaut werden. „Die vorgeschlagene Größe einer Einsatztruppe von 10.000 Mann soll nicht nur die bisherigen personellen Lücken füllen, sondern ermöglichen, die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen und Drittstaaten stärker zu unterstützen und die Zahl der Abschiebungen deutlich zu vergrößern“, zitierte die Tageszeitung Die Welt aus einem EU-Dokument. Wichtiger noch könnten laut dem Bericht die ebenfalls geplanten Änderungen der Frontex-Zuständigkeiten werden.

Bisher kein gemeinsamer Kurs

Es gibt in der europäischen Migrationspolitik nur wenige Ansätze, die die Gemeinschaft der 28 eint, darauf hat die CSU immer wieder hingewiesen – so wünschenswert europäische Lösungen auch sein mögen. Zu unterschiedlich sind die Interessen der europäischen Regierungen – von Italiens Populisten über Österreichs Realisten, Frankreichs liberalen Präsidenten und Spaniens Sozialisten bis hin zur deutschen Bundesregierung. Dies war und ist der Grund, warum Bundesinnenminister Horst Seehofer auf nationale Maßnahmen drängt.

Es muss mehr getan werden, um (…) eine effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen sicherzustellen und die Abschiebungen von irregulären Migranten zu erhöhen.

EU-Papier

Einen Punkt jedoch gibt es, den in Brüssel in der jüngeren Vergangenheit alle betonten und betonen: Die europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse gestärkt und die Außengrenzen besser gesichert werden. „Es muss mehr getan werden, um (…) eine effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen sicherzustellen und die Abschiebungen von irregulären Migranten zu erhöhen“, zitiert auch die Tageszeitung Welt aus dem Papier, auf das EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im EU-Parlament eingehen wird. Die Brüsseler Behörde wollte sich am Montag nicht dazu äußern.

Sicherung der EU-Außengrenzen

Doch die Eckpunkte sind bereits bekannt: Bis 2020 soll die Grenzschutztruppe von aktuell 1500 Beamten auf 10.000 anwachsen. Deutschland ist laut dem Plan verpflichtet, dafür bis zum Sommer kommenden Jahres 1277 bewaffnete Grenzschützer zu melden. Für den Schutz der Außengrenzen will Brüssel zwischen 2021 und 2027 insgesamt 35 Milliarden Euro ausgeben – fast dreimal mehr als bisher. Eigentlich sollte auch die personelle Aufstockung erst bis 2027 geschehen. Nach dem EU-Gipfel Ende Juni drückte Juncker jedoch aufs Tempo.

Damals hatten die 28 Staats- und Regierungschefs sich auf eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik geeinigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen betonten in der Abschlusserklärung, dass eine „wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen“ sichergestellt und „die effektive Rückführung irregulärer Migranten deutlich verstärkt werden“ müsse. „In beiderlei Hinsicht sollte die unterstützende Rolle von Frontex, auch bei der Zusammenarbeit mit Drittländern, durch eine Aufstockung der Mittel und ein erweitertes Mandat weiter ausgebaut werden.“ Dies ist die Grundlage des jetzigen Kommissionsvorschlags.

Konkret fordert die EU-Kommission demnach, im Krisenfall künftig auch bewaffnete EU-Grenzschützer gegen den Willen eines Mitgliedstaates einsetzen zu können. Das werde dort nötig, „wo die Kontrolle der Außengrenzen eines EU-Landes sich in einem solche Ausmaß als ineffektiv erwiesen hat, dass ein funktionierender Schengen-Raum in Gefahr gerät“. Zugleich sollen europäische Grenzbeamte auch in Drittstaaten, etwa in Nordafrika oder auf dem Balkan, eingesetzt werden. Mehrere Länder, unter ihnen Deutschland, überwachen wegen der unkontrollierten Migration derzeit mindestens Teile ihrer Schengen-Binnengrenzen.

Verschärfung der Abschiebepraxis

Der interessanteste Aspekt aus deutscher Sicht betrifft jedoch die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Diese stellen sich hierzulande sogar für Straftäter als sehr schwierig dar, weil es zahllose rechtliche und praktische Hürden gibt sowie linke Helferkreise, die Ausreisepflichtige beim Abtauchen und damit beim Rechtsbruch unterstützen.

Im Kampf gegen die Migrationskrise will die EU-Kommission nun aber die Abschiebungen von illegalen Migranten aus der EU, aber auch aus EU-nahen Drittstaaten, erheblich beschleunigen. Dazu soll die Abschiebepraxis europaweit vereinheitlicht und zugleich verschärft werden. Hier sieht der EU-Vorschlag offenbar vor, dass Frontex weitreichend in nationale Hoheitsrechte eingreifen und jedem EU-Land „die Struktur eines nationalen Zurückführungsmanagements vorschreiben“ soll. Mitgliedsländer werden verpflichtet, Ausweisungsverfügungen und Abschiebhaftbefehle auch wirklich zu erstellen – damit Frontex tätig werden kann. Außerdem soll Frontex ohne Zustimmung des jeweiligen EU-Landes dort Abschiebungen durchführen können. Das bedeutet nichts weniger, als dass die EU-Grenzer praktisch die Abschiebungen übernehmen sollen oder zumindest können, wenn die Länder dabei versagen.

Niemand sollte mehr davon ausgehen können, dass er nach seiner Rettung automatisch nach Europa gebracht wird.

Fabrice Leggeri, Frontex-Chef

Frontex-Chef Fabrice Leggeri fordert seit Monaten, dass die EU-Staaten in Sachen Abschiebungen und Grenzsicherung entschiedener vorgehen müssten. Auch aus Sicht der EU-Kommission ist der Handlungsdruck bei den schon in Europa angekommenen illegalen Migranten groß, berichtet die Welt: 2017 wurde laut Angaben aus Brüssel in der EU nur noch etwa jeder dritte illegale Migrant mit einer Ausweisungsverfügung abgeschoben (36,6 Prozent). Darum werden nun nach dem Wunsch der EU auch die Einspruchsmöglichkeiten gegen Abschiebungen drastisch verschärft und die Frist dafür auf fünf Tage verkürzt. Abschiebehäftlinge sollen künftig überall mindestens drei Monate inhaftiert werden können. Diese Maßnahmen könnten gerade das Hauptzielland für illegale Migranten entlasten: Deutschland.

Schneller und fordernder

Weitere wichtige Punkte in dem EU-Papier sollen laut dem Bericht sein:

  • Asylsuchende werden europaweit verpflichtet, deutlich mehr mit den nationalen Asyl-Behörden zusammenzuarbeiten und ihre Identität zu klären.
  • Asylanträge sollen deutlich beschleunigt bearbeitet werden, auf Antrag des EU-Landes durch vorbereitende Mitwirkung der EU-Asylbehörde (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen – EASO). Auch bei Klagen gegen Asylbescheide soll EASO helfen, durch juristische Recherchen sowie die Erstellung von notwendigen Berichten und Analysen.

Aber: Noch ist nichts sicher

Bis die Vorschläge der EU-Kommission tatsächlich europäisches Recht werden, kann es aber noch mehrere Monate dauern. Zunächst müssen das Europaparlament und die 28 EU-Staaten zustimmen. Dann wird sich zeigen, wie groß der gemeinsame Nenner tatsächlich ist.