Vorhang auf und Bühne frei: Giuseppe Conte, der neue italienische Premier. (Foto: Imago/Samantha Zucchi/Insidefoto)
Finanzen

Läutet Italien das „Endspiel um den Euro“ ein?

Italiens neue Regierung verunsichert mit ihrem angekündigten Programm Finanzmärkte und politische Partner in der EU gleichermaßen, weil es die enorme Verschuldung noch weiter erhöhen würde. CDU-Mann Steiger befürchtet gar "ein Endspiel um den Euro."

Nach Griechenland ist Italien das am zweithöchsten verschuldete Land der Eurozone. Vor diesem Hintergrund sind die Ankündigungen des neuen Regierungsbündnisses in Rom aus den Parteien „Cinque Stelle“ (5 Sterne) und „Lega“ ein harter Schlag, der bei EU-Partnern, Wirtschaft und Finanzmärkten für große Besorgnis sorgt. Dringender Handlungsbedarf bestehe auf den drei Feldern Finanzpolitik, Migration und Bankenunion, verkündete der neue Premierminister Guiseppe Conte in seiner Antrittsrede. Die Arbeitslosigkeit sei unerträglich hoch, die offenen See-Grenzen führten zu ungebremster Zuwanderung und die Überschuldung bedrohe zahlreiche italienische Kreditinstitute – die in der Tat auf einem Berg von faulen Krediten sitzen.

Das Regierungsprogramm sieht nun unter anderem die Einführung einer Flat Tax mit nur noch zwei Steuersätzen (15 Prozent bei Einkommen bis 80.000 Euro, darüber 20 Prozent) und eines Grundeinkommens von 780 Euro monatlich vor. Hinzu kommen der Verzicht auf eine Mehrwertsteuererhöhung, die Absenkung des Rentenalters, ein großes Infrastrukturprogramm und die teilweise Rückabwicklung der Arbeitsmarktreform von Ex-Premier Matteo Renzi.

Was sich in Italien anbahnt, ist brandgefährlich und kann zum Endspiel für den Euro werden.

Wolfgang Steiger, CDU

Europa als italienischer Sündenbock

Diese Versprechen würden die gewaltigen Schulden Italiens, die 132 Prozent des Bruttoninlandsproduktes oder 2,2 Billionen Euro betragen, noch weiter steigen lassen. Wirtschaftsinstitute schätzen die Gesamtkosten auf mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr. Die Parteien 5 Sterne und Lega erwarten dagegen ein höheres Wirtschaftswachstum und dadurch niedrigere Kosten. 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio sagte, die Finanzierung stehe, außerdem würde Italien 20 Milliarden Euro in die EU-Kassen einzahlen: „Dieses Geld müssen wir uns zurückholen.“ Als Finanzminister will die rechtspopulistische Lega den Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona berufen, er hatte den Euro jüngst als „deutschen Käfig“ bezeichnet.

Italien will laut Koalitionsprogramm außerdem alle europäischen Verträge neu verhandeln und überlegt ein Referendum zum Euro. Politik-Quereinsteiger Conte betonte bei seiner Ansprache zwar, Italiens Platz sei in Europa. Aber: „Ich werde mich jetzt daran machen, die Interessen aller Italiener auf EU- und internationaler Ebene zu verteidigen.“ Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, ist in Alarmbereitschaft: „Was sich in Italien anbahnt, ist brandgefährlich und kann zum Endspiel für den Euro werden.“

Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Irrationale oder populistische Aktionen könnten eine neue Euro-Krise hervorrufen.

Manfred Weber, CSU-Vize

Auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), appellierte an Rom, die Euro-Debatte zu stoppen: „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, weil Italien hoch verschuldet ist. Irrationale oder populistische Aktionen könnten eine neue Euro-Krise hervorrufen. Deswegen kann man nur appellieren und sagen: Bleibt im Bereich der Vernunft.“ Aber auch die neue Regierung in Italien habe natürlich eine Chance verdient, „weil wir das Wahlergebnis respektieren“, so Weber weiter. Klar sei auch für Italien: „Im Alltag gibt es keine Alternative, als eng und partnerschaftlich mit den Nachbarn in Europa zusammenzuarbeiten.“

Warnende Töne aus Bayern

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die EU-Kommission im Münchner Merkur auf, ihre „Wächterfunktion gegenüber Italien ernsthaft wahrzunehmen und der künftigen Regierung in Rom genau auf die Finger zu schauen“. Söder, bekanntlich jahrelanger Finanzminister, sagte weiter: „Italien hat die Dimension, die Eurozone ernsthaft zu gefährden.“ Eine Euro-Zone ohne Italien nannte er in der Passauer Neuen Presse „unvorstellbar“. Eine Rettungspolitik wie bei Griechenland sei nicht möglich, weil Italien „als Volkswirtschaft in der Euro-Zone zu bedeutend und zu groß“ sei. Söder warnte zudem vor einer europäischen Schuldenunion: „Was nicht geht, ist, dass Deutschland wegen des Brexits mehr an Europa zahlt, weniger von dort zurückerhält und am Ende sogar noch für die italienischen Schulden haften muss.“

Es muss alles getan werden, Italien zur finanziellen Vernunft zu bringen.

Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident

Hintergrund

Nach Griechenland ist Italien das am zweithöchsten verschuldete Land der Eurozone. Italien wächst 2018 aber immerhin um 1,4 Prozent, die Exporte um 7 Prozent, die privaten Investitionen in den letzten drei Jahren um 30 Prozent. In Norditalien hat sich auch die hohe Arbeitslosigkeit deutlich reduziert. Im Süden des Landes fehlt aber jede Dynamik: In Regionen wie Kalabrien oder Sizilien sind mehr als 30 Prozent der unter 30-Jährigen arbeitslos. Der frühere ifo-Chef Hans-Werner Sinn nannte als Grundproblem Italiens die fehlende Wettbewerbsfähigkeit.