In der Stichwahl mit Le Pen: Der liberale Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron. (Bild: Imago/ip3press/Vincent Isore)
Frankreich

Macron und Le Pen in Stichwahl

Mit dem Duell zwischen der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem Politjungstar Emmanuel Macron wird Frankreichs Präsidentenwahl zu einer Abstimmung über Europa. Die beiden setzten sich bei der ersten Wahlrunde am Sonntag gegen neun weitere Kandidaten durch und stehen nun in der Stichwahl am 7. Mai.

Emmanuel Macron erzielte im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl 23,75 Prozent der Stimmen. Die EU-Feindin Marine Le Pen holte 21,53 Prozent, wie das Innenministerium mitteilte. Der konservative Politiker François Fillon kam auf 19,9 Prozent. Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon erreichte rund 19,6 Prozent. Der Kandidat der regierenden Sozialisten, Benoît Hamon, lag mit 6,4 Prozent abgeschlagen auf dem fünften Platz. Die weiteren sechs Kandidaten kamen jeweils auf weniger als fünf Prozent. Am besten schnitt hier noch Nicolas Dupont-Aignan (Debout la France) mit 4,7 Prozent ab.

Ein liberaler Europäer liegt vorn

Der 39-Jährige Macron versprach im Wahlkampf, er wolle „der Präsident der Patrioten angesichts der Bedrohung durch die Nationalisten“ sein. Er wolle mit einem System brechen, „das unfähig ist, auf Probleme zu reagieren“. Damit bezog er sich auf die Ökonomie: Frankreich, nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, leidet seit Jahren unter einer hohen Arbeitslosigkeit und einer schwächelnden Wirtschaft. Macron war unter dem amtierenden Präsidenten Francois Hollande Wirtschaftsminister gewesen; sein Parteibuch bei den Sozialisten hat er aber schon lange abgegeben.

Europa muss sich auch ändern.

Emmanuel Macron

Anders als die meisten anderen Präsidentschaftskandidaten bekennt sich der Liberale mit seiner Bewegung „En Marche“ klar zur EU und zur Zusammenarbeit mit Deutschland. In seinem Wahlprogramm bezieht er das unter anderem auf den Ausbau der gemeinsamen Verteidigungspolitik im Tandem mit Berlin. Doch fügte er hinzu: „Europa muss sich auch ändern.“ Macron will Bürgerkonvente auf dem ganzen Kontinent einberufen, um „dem europäischen Projekt wieder eine Richtung zu geben“. Zudem stellt er sich klar hinter weitreichende Reformideen für die Eurozone, die unter anderem einen eigenen Haushalt bekommen soll. Macron rief seine Anhänger außerdem dazu auf, ihm auch eine parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Frankreich wählt am 11. und 18. Juni eine neue Nationalversammlung. Die von Macron gegründete Bewegung „En Marche!“ (Auf dem Weg) ist dort bislang nicht vertreten. Falls ein Präsident keine Abgeordneten-Mehrheit hinter sich hat, würde das seinen Gestaltungsspielraum erheblich einschränken.

Hohe Wahlbeteiligung

Etwa 47 Millionen Franzosen waren zur Wahl des Nachfolgers von Präsident Hollande aufgerufen. Insgesamt wollten elf Kandidaten den Sozialisten beerben. Der Sozialist Hollande hatte wegen schlechter Umfragewerte nicht erneut kandidiert. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 78 Prozent, leicht niedriger als vor fünf Jahren. Erstmals seit Jahrzehnten ist nun kein Kandidat der beiden traditionellen Regierungsparteien in der Endrunde.

Wahlempfehlung für Macron

Führende Sozialisten und Konservative riefen zur Unterstützung Macrons auf, um Le Pen als Präsidentin zu verhindern. Denn Le Pen will raus aus dem Euro und die Bürger über die EU-Mitgliedschaft Frankreichs abstimmen lassen. So kündigte der Konservative Fillon an, in der Stichwahl für Macron zu stimmen. Der Linke Mélenchon gab zunächst keine Empfehlung ab. Umfragen vom Wahlabend geben Macron mit 62 Prozent einen klaren Vorsprung für die entscheidende zweite Runde in knapp zwei Wochen.

Es gab noch nie so viele Stimmen für Kandidaten, die der Europäischen Union sehr kritisch gegenüberstehen.

Florian Philippot, stellvertretender FN-Parteichef

FN-Chefin Le Pen schnitt wesentlich besser ab als bei ihrer ersten Präsidentschaftskandidatur vor fünf Jahren, als sie im ersten Wahlgang 17,9 Prozent der Stimmen geholt hatte. Sie sprach dann auch von einem „historischen Ergebnis“ und fügte hinzu: „Es ist Zeit, das französische Volk von den arroganten Eliten zu befreien, die ihm sein Verhalten vorschreiben wollen.“ Zum ersten Mal seit 15 Jahren steht die FN wieder in der Stichwahl um den mächtigsten Job Frankreichs – 2002 war beim „Schock des 21. April“ überraschend Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen ins Finale gekommen, das er dann aber krachend verlor. Le Pens Front National (FN) setzt nun auf eine EU-kritische Stimmung im Land: „Es gab noch nie so viele Stimmen für Kandidaten, die der Europäischen Union sehr kritisch gegenüberstehen“, sagte der stellvertretende Parteichef Florian Philippot am Montag im Sender Franceinfo. Dazu zählte er neben Le Pen etwa auch den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon. „Ich glaube, das wird in der zweiten Runde eine Rolle spielen“, so Philippot.

Skandale und Terror im Wahlkampf

Der Wahlkampf war geprägt von Skandalen und überraschenden Wendungen. So gab es um den Konservativen Fillon und um Le Pen Skandale um die Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern und Familienangehörigen. Der Antiterrorkampf spielte insbesondere im Finale eine große Rolle. Frankreich wird seit Anfang 2015 von einer Serie islamistischer Anschläge erschüttert. Erst am Donnerstag hatte ein 39-Jähriger in Paris Polizisten angegriffen und einen von ihnen getötet.

Europa reagiert erleichtert

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wünschten Macron alles Gute und viel Erfolg für die Stichwahl. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte Macrons Abschneiden. „Ich bin sicher, er wird der neue französische Präsident“, sagte der SPD-Politiker. „Er war der einzige proeuropäische Kandidat, der sich nicht versteckt hat hinter Vorurteilen gegenüber Europa.“ Doch das gute Abschneiden Le Pens reichte, EU-Politikern Schauer über den Rücken zu jagen. Erschreckend nannte es der deutsche SPD-Europaparlamentarier Jo Leinen.

Marine Le Pen steht für Abschottung, steht für Enge, steht für Nationalismus und sie ist damit eine Gaunerin, die den Menschen die falschen Zukunftshoffnungen vorführt.

Manfred Weber

„Marine Le Pen steht für Abschottung, steht für Enge, steht für Nationalismus und sie ist damit eine Gaunerin, die den Menschen die falschen Zukunftshoffnungen vorführt. Diesen Weg dürfen die Franzosen nicht gehen und der gestrige Tag ist ein Hoffnungssignal, dass die Franzosen genau wissen, dass sie in die falsche Richtung führt und dass Macron jetzt für die Zukunft Frankreichs steht, für Hoffnung und für Partnerschaft auf diesem Kontinent“, so der Chef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU).

Erleichterung, aber keine Jubelstimmung herrschte an den Finanzmärkten. Der Kurs des Euro gab am Montag wieder etwas von seinen starken Gewinnen ab. Zeitweise war Europas Gemeinschaftswährung auf den höchsten Stand seit November gestiegen.

Marine Le Pen

Front-National-Chefin Le Pen giftet seit Jahren gegen Brüssel und predigt die Rückbesinnung auf den Nationalstaat. Als Präsidentin will sie binnen sechs Monaten ein Referendum über das Ausscheiden ihres Landes aus der EU. Den Euro will sie wieder durch eine eigene Währung ersetzen, das Schengen-Abkommen zum freien Reisen kündigen und die französischen Grenzen abschotten. Ein „Frexit“ aber wäre weit dramatischer als der EU-Austritt Großbritanniens. Denn damit bräche ein Gründerstaat weg – das Land, das mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg das Einigungsprojekt maßgeblich vorantrieb. Die zweitgrößte Volkswirtschaft ginge verloren. Die bisherige EU wäre vermutlich am Ende. Weder Merkel noch ihr SPD-Rivale Martin Schulz würden wohl den Schulterschluss mit einem Staatsoberhaupt suchen, das Frankreich aus der EU führen will.

Frankreich hadert mit diversen EU-Vorgaben, die Deutschland klar unterstützt. Wegen der Wirtschaftsflaute sprengte Paris die im Euroraum vereinbarte Defizitgrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während Brüssel auf Einhaltung der Regeln pocht, kritisiert Le Pen „Gängelei“. Zweites heißes Eisen ist die EU-Flüchtlingspolitik mit der Umverteilung von Migranten. Dritter Punkt ist die Terrorgefahr im Europa der offenen Grenzen.

(dpa)