Gibt sich trotz der Ermittlungen kämpferisch: Der konservative französische Präsidentschaftskandidat François Fillon. (Foto: Imago/PanoramiC)
Frankreich

Wahl unter Vorbehalt

Vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich am 23. April sehen sich zwei aussichtsreiche Kandidaten mit Ermittlungen konfrontiert: Gegen den konservativen Kandidaten François Fillon wegen der Beschäftigung seiner Ehefrau auf Parlamentskosten. Und gegen die rechtsextreme Marine Le Pen wegen des Verbreitens von Bildern mit Gewaltdarstellungen.

Ermittler haben die Pariser Wohnung des französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon durchsucht. Der Konservative steht wegen des Verdachts einer Scheinbeschäftigung seiner Frau auf Parlamentskosten unter Druck. Fillon verliert derweil auch im eigenen Lager an Zustimmung. Eine Reihe von Politikern seiner Republikaner-Partei gingen auf Distanz und forderten ihn zum Rückzug auf. Bei einem Auftritt in Nîmes präsentierte Fillon sich jedoch als „Kämpfer“: „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker“, rief er seinen Anhängern zu.

Was einen nicht umbringt, macht einen stärker.

François Fillon, konservativer Präsidentschaftskandidat in Frankreich

Fillon muss vor den Ermittlungsrichter

Fillon hatte zuvor bekanntgegeben, dass er für den 15. März von den Ermittlungsrichtern vorgeladen ist. Dabei droht ihm die Eröffnung eines Verfahrens. Die Justiz ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Hinterziehung öffentlicher Gelder. Penelope Fillon war jahrelang als parlamentarische Mitarbeiterin für ihren Ehemann angestellt. Der weist den Vorwurf einer Scheinbeschäftigung zurück.

Er kann nicht mehr Kandidat sein, weil er keinen inhaltlichen Wahlkampf mehr führen kann, um seine Ideen und ein republikanisches und demokratisches Ideal zu vertreten.

Dominique de Villepin, zu Fillon

Nachdem Fillon angekündigt hatte, trotz der Vorladung durch Ermittlungsrichter seinen Wahlkampf fortzusetzen, sind eine Reihe von Politikern aus den eigenen Reihen von ihm abgerückt. Der frühere französische Premierminister Dominique de Villepin hat den angeschlagenen Präsidentschaftskandidaten François Fillon zum Rückzug aufgefordert. Beide gehören zum konservativen Lager. „Er kann nicht mehr Kandidat sein, weil er keinen inhaltlichen Wahlkampf mehr führen kann, um seine Ideen und ein republikanisches und demokratisches Ideal zu vertreten“, sagte de Villepin im Sender Europe1.

Konservatives Lager droht zu zersplittern

De Villepin ist ein alter innerparteilicher Rivale. Er war Chefstratege des Präsidenten Jacques Chirac, während Fillon in der Zeit der Präsidentschaft von Chiracs innerparteilichem Widersacher Nicolas Sarkozy Premierminister war. De Villepin übt keine politische Funktion mehr aus. In einem Gastartikel für die Zeitung Le Figaro schrieb er, Fillon führe das konservative Lager in den Abgrund.

Fillons enger Verbündeter Bruno Retailleau, Fraktionschef der konservativen Republikaner im Senat, verteidigte den Kandidaten dagegen entschieden. „Es gibt keinen Plan B, das will ich meinen Freunden sagen“, betonte er im Sender Europe1. Er wiederholte den Vorwurf des „Versuchs einer politischen Ermordung“ Fillons.

Le Pen: Harte Strafe unwahrscheinlich

Unterdessen hat das Europaparlament die Immunität der Präsidentschaftskandidatin und Vorsitzenden des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, aufgehoben. Le Pen hatte Ende 2015 über den Kurznachrichtendienst Twitter mehrere Bilder von Opfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verbreitet, um dessen Grausamkeit anzuprangern. Eines von ihnen zeigte den blutverschmierten und enthaupteten Leichnam des US-Journalisten James Foley. Die französische Justiz leitete daraufhin Ermittlungen ein. Die Verbreitung von Bildern mit Gewaltdarstellungen, die die Menschenwürde verletzen, ist in Frankreich eine Straftat.

Zum Fall Le Pen erklären Juristen: Wenn das Risiko besteht, dass Minderjährige die veröffentlichten Bilder mit Gewaltdarstellungen sehen – was auf Twitter der Fall ist –, kann die Tat mit einer Haftstrafe von drei Jahren und einer Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro geahndet werden. Zudem kann dem Verurteilten zum Beispiel das Recht entzogen werden, gewählt zu werden oder zu wählen. Beobachter halten eine harte Strafe aber für unwahrscheinlich. Marine Le Pen muss nach Einschätzung von Experten auch nicht um ihre Präsidentschaftskandidatur fürchten. Dass die 48-Jährige bis zur ersten Wahlrunde am 23. April rechtskräftig verurteilt wird, gilt als ausgeschlossen.

Wenn wir heute darüber abstimmen, wird sie Hunderttausende zusätzliche Stimmen bekommen. Le Pen wird sich als Verfolgte darstellen.

Janusz Korwin-Mikke, polnischer Europaabgeordneter

Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität ebnet nun erst einmal den Weg dafür, dass Le Pen in dem Fall überhaupt von den Ermittlern vernommen werden kann. Erst im nächsten Schritt könnte es zu einer Anklage und einem Prozess kommen. Und selbst dann wäre es keinesfalls sicher, dass es ein hartes Urteil geben würde. Dass Le Pen wegen des Falls das aktive und passive Wahlrecht entzogen wird, oder dass sie gar ins Gefängnis muss, halten Juristen für ausgeschlossen. Sie verweisen darauf, dass die zugrundeliegenden Strafrechtsartikel zum Beispiel für Täter entwickelt wurden, die Kinderpornografie verbreiten.

Le Pen könnte von Ermittlungen profitieren

Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl gibt es durchaus Stimmen in Paris und Straßburg, die vor einem zu schnellen Vorantreiben der Ermittlungen warnen. In der Vergangenheit gelang es Le Pen immer wieder, ihrer Wählerschaft Ermittlungen gegen sie als politisch motiviert zu verkaufen. Angesichts der Grundeinstellung ihrer potenziellen Wähler könnten die Ermittlungen Le Pen sogar bei der Wahl nützen. Auch die anderen Vorwürfe gegen Le Pen und ihre Partei Front National konnten der Kandidatin bislang nichts anhaben. Seit Wochen erhöhen Ermittler den Druck auf Le Pen, weil sie FN-Mitarbeiter rechtswidrig aus der Kasse des EU-Parlaments bezahlt haben soll. Doch ihre Popularität hat dadurch kaum einen Kratzer erhalten.

Der parteilose polnische Europaabgeordnete Janusz Korwin-Mikke hatte sogar versucht, die Abstimmung im Straßburger Parlament über die Aufhebung von Le Pens Immunität auf ein Datum nach der Präsidentschaftswahl verschieben zu lassen. „Wenn wir heute darüber abstimmen, wird sie Hunderttausende zusätzliche Stimmen bekommen“, argumentierte der polnische Politiker. Le Pen werde sich als Verfolgte darstellen.

Macron liegt in Führung

Nach aktuellen Umfragen würde Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April die meisten Stimmen holen und erst in der Stichwahl am 7. Mai dem parteiunabhängigen, aber linkslastigen Kandidaten Emmanuel Macron unterliegen.

(dpa/wog)