Land der Berge, Land der Boni: Österreich will Jobs schaffen. (Bild: Imago/imageBROKER/Bildverlag Bahnmüller)
Österreich

Gegen Lohn- und Sozialdumping

Österreichs Regierung möchte die Firmen finanziell unterstützen, die in Österreich ansässige Arbeitnehmer einstellen - um den Zuzug aus anderen EU-Staaten zu stoppen. Außerdem sollen Sozialleistungen für EU-Ausländer eingeschränkt werden.

Zwei Gesetzesvorhaben der österreichischen Regierung stoßen bei der Bevölkerung auf große Zustimmung, aber bei der EU auf Ablehnung.

Der „Beschäftigungsbonus“

Da ist zum einen der Beschluss des Ministerrates der Koalition aus SPÖ und ÖVP, Firmen mit einem so genannten „Beschäftigungsbonus“ zu unterstützen, die zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Jeder neue Arbeitsplatz, der für einen Inländer geschaffen wird, soll über einen Zeitraum von drei Jahren mit der Hälfte der Lohnnebenkosten gefördert werden. Die Hoffnung ist, einerseits bis zu 160.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit durch gesunkene Lohnnebenkosten zu erhöhen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht in diesem Bonus-System gar eines der größten Förderungsprogramme für die Wirtschaft der letzten Jahrzehnte.

Der Hintergrund: Österreich hat eine relativ hohe Arbeitslosigkeit mit rund 10,6 Prozent (Stand Januar; Arbeitslose im Verhältnis zum gesamten Arbeitskräftepotenzial) und auch die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 10,5 Prozent (Stand Dezember). Das ist EU-weit immer noch der drittbeste Wert hinter Deutschland und Niederlande, aber eben doch kein geringer. Explodiert ist laut ORF die Zahl der Langzeitarbeitslosen (länger als ein Jahr arbeitslos) allein von 2014 bis 2015 um 191 Prozent auf 47.845 Betroffene. Hinzu kommen viele neue Arbeitslose durch den Migrantenzustrom, der auch Österreich mitgenommen hat. In etwa jeder vierte Arbeitslose ist derzeit ein Asylbewerber, von denen aber mangels Sprachkenntnissen und Ausbildung überhaupt nur zehn Prozent einen Job haben. Und als Drittes arbeiten viele Zuwanderer aus den EU-Staaten in Österreich. Es gehe deshalb auch darum, den „Zuzug aus dem europäischen Umland zu reduzieren, beziehungsweise nicht weiter zu fördern“, sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf einer Pressekonferenz.

Die EU hat Bedenken

Das Problem beim Beschäftigungsbonus ist, dass nur Arbeitskräfte, die bereits in Österreich ansässig sind, gefördert werden sollen. Profitieren sollen also nur Jobwechsler, in Österreich arbeitslos Gemeldete, Absolventen einer Lehre, einer Reifeprüfung, eines Universitätsstudiums oder Höherqualifizierte, die über eine so genannte „Rot-Weiß-Rot-Karte“ verfügen – Schlüsselkräfte aus Drittstaaten.

Das hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, mir geht es hier nicht um den Geburtsschein, sondern mir geht es darum, ein Problem, das wir in Österreich haben, zu lösen.

Christian Kern, Österreichs Bundeskanzler

Wenn Firmen dagegen neue Zuwanderer aus anderen EU-Ländern einstellen, sollen die Lohnnebenkosten nicht halbiert werden. Dies aber könnte ein Verstoß gegen europäisches Recht sein, wie die EU-Kommission zu bedenken gibt. Die Regierung in Wien hofft aber dennoch, mit ihrem Bonus durchzukommen, sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern der Süddeutschen Zeitung. Die Förderung sei EU-konform, weil nicht Österreicher an sich und wegen ihrer Nationalität bevorzugt würden, da die Förderung nicht an die Nationalität, sondern den Wohnsitz geknüpft sei. „Das hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, mir geht es hier nicht um den Geburtsschein, sondern mir geht es darum, ein Problem, das wir in Österreich haben, zu lösen“, sagte der Bundeskanzler in einem Video auf seiner Facebookseite.

„Österreich zuerst“

Natürlich gibt es auch im Nachbarland die Nazikeule, wenn jemand einen Vorrang für in Österreich ansässige Arbeitnehmer fordert. „Austria first – Österreich zuerst“ sei das Programm, spotten linke Politiker in Anlehnung an einen Slogan des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Bundeskanzler Kern wies das gegenüber der SZ zurück. Es gehe ihm vielmehr darum, die Arbeitslosenquote zu senken und Lohndumping in der EU zu bekämpfen. Seit 2008 hätten 215.000 ausländische Arbeitnehmer, insbesondere aus Osteuropa, einen Job im Alpenland gefunden – doch bei Österreichern sei ein Minus von 16.000 Stellen zu verzeichnen.

Eines allerdings gibt schon zu denken: Kern verweist zur Begründung der EU-Rechts-Konformität auf die strittigen Pkw-Mautpläne der deutschen Bundesregierung, die vor allem Österreich strikt ablehnt. Hier sehe die EU-Kommission ja auch keine Rechtswidrigkeit, wenn alle in Deutschland Ansässigen im Gegenzug für die Maut eine niedrigere Kfz-Steuer zahlten. Wenn er das aber so sieht, warum will die Alpenrepublik dann gegen die Pkw-Maut vorgehen?

Die Familienbeihilfen

Plan Nummer zwei wird auch in Deutschland schon diskutiert. Österreichs Regierung will Familienbeihilfen für im Ausland lebende Kinder dem jeweiligen Standard des Heimatlandes anpassen. Dies trifft vor allem die vielen osteuropäischen Arbeitskräfte etwa aus Polen, Rumänien, Slowakei oder Ungarn, deren Kinder zwar daheim geblieben sind und dennoch von den wesentlich höheren Sozialleistungen Österreichs profitieren. Hier gibt es noch keinen Beschluss, aber einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf von Familienministerin Sophie Karmasin und Integrationsminister Sebastian Kurz (beide ÖVP). Danach soll die Familienbeihilfe gestaffelt werden.

Österreich soll Exportweltmeister sein, aber nicht bei den Sozialleistungen.

Sebastian Kurz, Österreichs Außen- und Integrationsminister

Sie beträgt derzeit pro Kind ab 112 Euro bei der Geburt bis zu 162 Euro ab dem 19. Lebensjahr. Für Geschwister kommen pro Kopf noch finanzielle Zuschläge hinzu. Je mehr Kinder, desto höher fällt dieser Betrag aus. Nach Schätzungen fließen jährlich aus Österreich 250 Millionen Euro dieser Hilfen ins Ausland. Die Argumentation der Regierung ist, dass beispielsweise 112 Euro in Österreich gemessen an den Lebenshaltungskosten weit weniger Wert seien als in einem der EU-Ostländer. Das habe im Endeffekt sogar eine Inländerdiskriminierung zur Folge. Familienministerin Karmasin will nicht zu unrecht, „dass jedes Kind gleich viel Wert sein soll“. Kurz ergänzt: „Österreich soll Exportweltmeister sein, aber nicht bei den Sozialleistungen.“ Bundeskanzler Kern sagte, es gehe ihm hier darum, die Erosion von Sozialstandards in der EU zu bekämpfen.

Kritik aus Brüssel

Hier allerdings sind die EU-Bedenken größer, da die Nationalität das Entscheidungskriterium wäre. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Das gilt ebenso für Beitragszahlungen und Beihilfen“, sagte laut SZ ein Kommissionssprecher zu dem Thema. Würde man aber alle Familien von Arbeitnehmern, deren Kinder ebenfalls in Österreich leben, entsprechend höher fördern, könnte dieses Argument hinfällig sein. Auf die Seite der Alpenrepublik haben sich auch Deutschland und Dänemark geschlagen, die ähnliche Probleme haben.