Grenzkontrollen bleiben
Deutschland wird an Grenzkontrollen festhalten, womöglich für das ganze Jahr 2017. Innenminister Thomas de Maizière nennt als Begründung die Terrorgefahr. In europäischen Hauptstädten wächst die Sorge vor der Rückkehr von hunderten Terrorkriegern des Islamischen Staats aus Syrien und Irak. Und in Libyen warten Hunderttausende auf die Überfahrt nach Europa.
Migration

Grenzkontrollen bleiben

Deutschland wird an Grenzkontrollen festhalten, womöglich für das ganze Jahr 2017. Innenminister Thomas de Maizière nennt als Begründung die Terrorgefahr. In europäischen Hauptstädten wächst die Sorge vor der Rückkehr von hunderten Terrorkriegern des Islamischen Staats aus Syrien und Irak. Und in Libyen warten Hunderttausende auf die Überfahrt nach Europa.

Die Grenzkontrollen bleiben. Das verkündete Bundesinnenminister Thomas de Maizère sowie seine vier Amtskollegen in Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. Zuvor hatte die EU-Kommission den fünf Ländern sogar empfohlen, die Schengen-Regeln, die eigentlich ungehinderten Reiseverkehr garantieren sollen, noch einmal für mindestens drei Monate auszusetzen. Die betroffenen Länder dürfen damit die aktuelle Praxis der Personenkontrolle an ihren Grenzen fortführen.

Unkontrollierte Einreise verhindern

In München hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Brüsseler Empfehlung als einzig richtige Entscheidung begrüßt: „Ich bin froh, dass wir das fortsetzen können.“ Herrmann will aber auch über den Monat Mai hinaus an den Kontrollen festhalten: „Wir wollen die Grenzkontrollen das ganze Jahr 2017 fortführen, vor allem damit es keine unkontrollierte Einreise in unser Land gibt.“ Tatsächlich greifen deutsche Grenzschützer an der bayerisch-österreichischen Grenze fast täglich Migranten und Schleuser auf – und gesuchte Straftäter. Herrmann: „Auch die Fahndungsaufgriffe sprechen eine deutliche Sprache. In 4800 Fällen waren gesuchte Personen darunter, auch mit Haftbefehl gesuchte Straftäter.“

Wir wollen die Grenzkontrollen das ganze Jahr 2017 fortführen, vor allem damit es keine unkontrollierte Einreise in unser Land gibt.

Innenminister Joachim Herrmann

Brüssel hat seine Empfehlung mit der anhaltenden Migrantenkrise begründet. Innenminister de Maizière verweist dagegen für die Fortsetzung der Kontrollen über den 15. Februar hinaus auf die Terrorgefahr. „In Deutschland allerdings haben wir eine besondere Sicherheitslage, gerade in diesem Halbjahr und gerade nach dem Anschlag (in Berlin)“, so de Maizière beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Malta. Auch der Bundesinnenminister will demnach über den Mai hinaus an den Grenzkontrollen festhalten. Presseberichten zufolge hält die Bundesregierung eine Verlängerung über die Mitte des Jahres 2017 hinaus für notwendig. Vor einer Woche sprach de Maizière sogar davon, die Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern zu wollen. In dem er das nun wie Frankreich mit Terrorgefahr begründet und damit die Grenzkontrollen auf eine neue Rechtsgrundlage stellt, werden weitere Verlängerungen leichter möglich.

Das Problem der Dschihad-Rückkehrer

Andere betroffene europäische Hauptstädte sehen das offenbar ähnlich. „Die Zahl der Einreisenden in Südeuropa ist nach wie vor sehr hoch, und gleichzeitig leben wir mit einer echten Terrorbedrohung“, betont Dänemarks Integrationsministerin Inger Stojberg. Österreich hat an diesem Donnerstag (26. Januar) in mehreren Bundesländern Anti-Terror-Einsätze durchgeführt. In der Woche zuvor war ein Anschlag auf die Wiener U-Bahn vereitelt worden. In Frankreich und Belgien wächst die Sorge vor der Rückkehr von vielen Hunderten von Dschihadisten mit belgischen und französischen Pässen aus Syrien und Irak.

Die Grenzkontrollen müssen solange bleiben, wie es das Problem der Syrien- und Irak-Rückkehrer des Islamischen Staates gibt.

Wolfgang Sobotka, Österreichs Innenminister

Die Grenzkontrollen müssten solange bleiben, wie es das Problem der Syrien- und Irak-Rückkehrer des Islamischen Staates gebe, warnt denn auch Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka. Wien will aus dem Grunde die Grenzkontrollen bis zum Ende des Bürgerkriegs in Syrien aufrecht erhalten. Österreich verstärkt dazu die Kontrollen in Eisenbahnen und sammelt jetzt auch die Daten von Bahnreisenden. Belgien hat angekündigt, nicht nur die Daten von Flugreisenden, sondern auch von Bahn- und Fernbusreisenden speichern und mit anderen EU-Staaten austauschen zu wollen.

In Libyen warten Hunderttausende Migranten

Die Terrorgefahr ist real und wächst. Aber auch die Migrantenkrise hält an. Die Bundesregierung spricht von „anhaltend hohem Migrationsdruck auf Europa“. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat im vergangenen Jahr auf der zentralen Mittelmeeroute nach Italien über 181.000 Überfahrten registriert, fast die gleiche Zahl wie auf der östlichen ‚Mittelmeerroute zwischen der Türkei und Griechenland. 90 Prozent der zumeist schwarzafrikanischen Migranten auf der zentralen Mittelmeerroute kamen über Libyen. Brüsseler Schätzungen zufolge warten derzeit in Libyen mehrere Hunderttausend afrikanische Migranten auf eine Gelegenheit zur Überfahrt nach Italien. Mitte Januar wurden innerhalb dreier Tage 1500 Migranten vor der Küste Libyens aufgenommen und nach Sizilien gebracht.

Maltas Vorschlag: Migranten zurück nach Libyen bringen

Malta, das im ersten Halbjahr 2017 die EU-Ratspräsidentschaft innehat und von der anhaltenden Migrantenkrise ebenfalls schwer betroffen ist, sucht nach Lösungswegen. Interessante Idee: Die Schiffe der EU-Marine-Operation Sophia sollen bis in die libyschen Hoheitsgewässer hinein fahren. Bislang hält sich die EU an die völkerrechtliche Vorgabe, dass aufgegriffene Migranten nicht in ein gefährliches Land wie Libyen zurück gebracht werden dürfen. Doch wenn Migranten schon in libyschen Hoheitsgewässern „gerettet” würden und also libysches Hoheitsgebiet noch gar nicht verlassen hätten, würde sich das Verbot im Wortsinne umschiffen lassen.

Bis 25. Januar haben in diesem Jahr schon 3335 Migranten über beide Mittelmeerrouten Europa erreicht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich erneut für Flüchtlingslager außerhalb Europas ausgesprochen. Es müsse darüber nachgedacht werden, dass Migranten, die mit Hilfe von Schleppern nach Europa gelangen wollten, an einen „sicheren Ort” gebracht werden. Das sagte der CDU-Politiker am Rande des EU-Innenministertreffens im maltesischen Valletta. De Maizière wirbt bereits seit längerem für Flüchtlingslager etwa in Nordafrika. Länder, die dafür aus seiner Sicht geeignet sein könnten, wollte er in Malta aber nicht nennen.

Doch auch die Ägäis-Route bleibt ein Problem: In den ersten 15 Tagen des neuen Jahres haben 698 Migranten von der Türkei aus griechische Ägäis-Inseln erreicht. Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge haben in diesem Jahr bis 25. Januar schon 3335 Migranten über beide Mittelmeerrouten Europa erreicht. In Griechenland sitzen derzeit etwa 62.000 Migranten fest, die alle weiter nach Norden wollen.

NRW und Saarland kontrollieren nicht

In dieser Situation bleibt auch der Druck auf Deutschland groß. Im Verlauf des Jahres 2016 haben laut Bundesinnenministerium etwa 280.000 Migranten die Bundesrepublik erreicht. Rund 77.000 sind über Österreich nach Deutschland gekommen, 60.000 von ihnen bis zur Schließung der Balkanroute Anfang März 2016. Danach sank die Zahl der Migranten-Ankünfte über die deutsch-österreichische Grenze auf monatlich 1200 bis 1600. Doch der 650 Kilometer lange Grenzabschnitt zwischen Bodensee und Berchtesgadener Land bleibt das wichtigste Einfallstor für illegale Migranten, die eben auch im vergangenen Jahr in großer Zahl nach Deutschland strömten, vor allem aus Syrien, Afghanistan, Irak, Nigeria und Somalia.

Gerade die Erkenntnisse und Kontrollergebnisse an unseren Grenzen zeigen doch, dass es dringend notwendig ist, auch an anderen deutschen Grenzübergängen genauer hinzuschauen.

Joachim Herrmann

Bundesweite Zahlen sind nur schwer erhältlich. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisiert denn auch, dass andere Bundesländer an ihren Außengrenzen weniger intensiv kontrollieren: „Gerade die Erkenntnisse und Kontrollergebnisse an unseren Grenzen zeigen doch, dass es dringend notwendig ist, auch an anderen deutschen Grenzübergängen genauer hinzuschauen.“ Es sei untragbar, das etwa Nordrhein-Westfalen und das Saarland sogar auf das Kontrollinstrument der Schleierfahndung verzichteten, so Herrmann. Tatsächlich rollen allein über die Bundesautobahn A40 täglich 36.000 Autos unkontrolliert von den Niederlanden nach Deutschland, erinnert denn auch die Düsseldorfer Tageszeitung Rheinische Post.

Berlin will für Familiennachzug engen Familienbegriff: Eltern, Kinder, Großeltern.

Ablesen lässt sich der weiterhin auf Deutschland lastende Migrationsdruck auch am dramatisch wachsenden Familiennachzug. Im vergangenen Jahr wurden für Flüchtlinge aus Syrien und Irak 73.000 Visa für Familiennachzug erteilt – drei Mal so viele wie im Vorjahr. Insgesamt wurden weltweit 105.000 Visas für Familiennachzug nach Deutschland erteilt – 3300 Visa für die Angehörigen von minderjährigen Migranten. Wien und Berlin pochen nun darauf, dass in EU-Verhandlungen über ein gemeinsames Asylrecht Familiennachzug auf die Kernfamilie – Eltern, Kinder Großeltern – beschränkt wird. Thomas de Maizière: „Wenn das nicht durchgesetzt werden kann, dann können andere europäische Staaten gerne einen weiteren Begriff nehmen. Wir nicht.“ (dpa/BK/H.M.)