Der türkische Autokrat Recep Erdogan. (Bild: Imago/Xinhua)
Österreich

Türkei zieht Botschafter aus Wien ab

Die Spannungen zwischen Wien und Ankara erreichen einen neuen Höhepunkt: Die Türkei beordert ihren Botschafter zurück. Auslöser ist eine umstrittene Zeitungsschlagzeile.

Die Türkei ist – spätestens seit dem gescheiterten Militärputsch und den daraus resultierenden Repressionen – nicht gerade als Speerspitze der Pressefreiheit bekannt. Wie ungern Staatspräsident Recep Tayip Erdogan sich und sein Land auch in der ausländischen Presse kritisiert sieht, zeigte das Beispiel des Satirikers Jan Böhmermann in Deutschland. Jetzt kommt es aufgrund eines Zeitungsartikels zu diplomatischen Verwerfungen mit Österreich.

Türkei will „Beziehungen überprüfen“

Die Stimmung zwischen beiden Staaten ist schon seit Wochen sehr angespannt – eine Schlagzeile im TV-Bereich des Kronenzeitung-Konzerns hat Ankara aber nun dazu veranlasst, seinen Botschafter aus Wien zurückzuholen. Das Boulevard-Blatt hatte in einer Überschrift, die unter anderem am Wiener Flughafen über die Bildschirme flimmerte, behauptet, die Türkei erlaube Sex mit Kindern unter 15 Jahren – die Empörung in Ankara war riesig. Außenminister Mevlüt Cavusoglu gab den Rückzug des Botschafters bekannt und teilte mit, man wolle die Beziehungen der Türkei zu Österreich „genau überprüfen“. Die Behauptung sei nach Ansicht eines Diplomaten, der sich im türkischen Fernsehen äußerte, falsch und „beflecke das Bild der Türkei“.

Aus den Reihen der österreichischen Bundesregierung kommt dagegen Unverständnis über den Diplomaten-Rückzug. Aus dem Außenministerium von ÖVP-Minister Sebastian Kurz heißt es kurz und knapp, man nehme die Entscheidung der Türkei „zur Kenntnis“. Allerdings verweise man im Zusammenhang mit der umstrittenen Schlagzeile auf die in Österreich geltende Pressefreiheit.

Wer im Glashaus sitzt …

Sieht man auf die jüngsten Veröffentlichungen in türkischen Zeitungen, bei denen beispielsweise die deutsche Bundeskanzlerin mehrfach mit Hitler-Bärtchen und Hitler-Gruß abgebildet wurde, etwa nach der Armenien-Resolution des Bundestages oder der untersagten Videoübertragung Erdogans auf der Kölner Demo, erscheint das aktuelle Vorgehen der Türkei nun als scheinheilig. Hinzu kommen eine Flut von Nazivergleichen, die türkische Zeitungen sowohl über Deutschland, als auch über Österreich zogen.

Neuer Tiefpunkt in den Beziehungen

In den Beziehungen zwischen beiden Staaten stellt der Vorgang dennoch einen weiteren Tiefpunkt dar. Das Verhältnis zwischen Ankara und Wien hatte sich besonders nach dem gescheiterten Militärputsch rapide verschlechtert – spätestens, als Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche gefordert hatte. Außenminister Cavusoglu warf Wien daraufhin vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Österreichs Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil wiederum verglich die Türkei mit einer Diktatur. Eine Verbesserung der Beziehungen ist derzeit nicht in Sicht. Und jetzt sind die diplomatischen Kanäle zwischen beiden Staaten – zumindest teilweise und vorübergehend – unterbrochen.