Slowenien, Serbien und Koratien haben ihre Grenzen geschlossen - und damit die Balkanroute für Flüchtlinge praktisch unpassierbar gemacht. (Foto: imago/pixsell)
Asylkrise

Die Balkanroute ist geschlossen

Slowenien und Serbien schließen die Balkanroute für Flüchtlinge. Sloweniens Regierung kündigte an, ab sofort wieder streng die Schengen-Regeln anzuwenden und nur noch Menschen mit gültigen Pässen und Visa einreisen zu lassen. Auch Kroatien will seine Politik an die Nachbarländer anpassen. Der Weg über Südosteuropa ist damit für Flüchtlinge so gut wie unmöglich.

Slowenien hat in der Nacht auf Mittwoch die Rückkehr zu den Schengen-Richtlinien an seinen Grenzen beschlossen und umgehend umgesetzt. Die Polizeibehörden in den anderen Ländern der Balkanroute seien von der Maßnahme unterrichtet worden, teilte die Regierung in einem Statement mit. Sloweniens Innenministerin Vesna Györkös Žnidar habe die Entscheidung mit ihren Kollegen in Wien und Zagreb diskutiert. Das Land werde in Zukunft pro Monat 40 bis 50 Menschen Asyl gewähren, gab Regierungschef Miro Cerar in einem Radio-Interview bekannt. Slowenien kritisierte zudem Griechenland, es erfülle in der Flüchtlingskrise seine Verpflichtungen nicht. Griechenland klage im Moment über 25.000 Flüchtlinge, während sein Land mit einem Fünftel der Einwohner im vergangenen Herbst am Tag bis zu 12.000 Menschen aufgenommen habe, sagte der slowenische Regierungschef Miro Cerar am Dienstagabend dem Fernsehsender RTV Slovenija: „Griechenland steht nicht unter solchem Druck und es versagte bei der Einlösung seiner Versprechungen.“

Für die Flüchtlinge wird damit der am stärksten frequentierte Weg nach Mitteleuropa praktisch geschlossen. Über die Balkanroute waren im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen nach Deutschland, Österreich und andere EU-Staaten bis nach Skandinavien gelangt. Zunächst waren die Menschen auf der Balkanroute von einem an den nächsten Staat weitergereicht worden, weil sie in der Regel nach Österreich und vor allem nach Deutschland wollten.

Serbien und Kroatien passen ihre Politik an

Auch EU-Beitrittskandidat Serbien kündigte umgehend an, seine Politik an Slowenien anzupassen. Das Land werde die neuen Regelungen ebenso an seiner Grenze zu Mazedonien und Bulgarien anwenden, teilte das serbische Innenministerium mit. „Damit wird die Balkanroute praktisch geschlossen“, zitierten serbische Medien eine entsprechende Erklärung des Ministeriums. Die serbische Regierung schrieb auf ihrer Internetseite: „Serbien kann es sich nicht leisten, eine Sammelstelle für Flüchtlinge zu werden“. Auch Kroatien, das zwischen Slowenien und Serbien liegt, will in dieser Weise reagieren.

 

Die Staaten Südosteuropas hatten die faktische Sperrung der Route trotz einer Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgesetzt. Diese hatte eine geplante Formulierung in der Schlusserklärung des EU-Gipfels, in dem die Balkanroute für geschlossen erklärt werden sollte, entschärft.

Die CSU sollte ihre klare Haltung nicht ändern, die Visumspflicht beizubehalten.

Johannes Singhammer

Verärgerung nach dem Gipfel über Merkel

Bei dem eintägigen Sondergipfel in Brüssel hatte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu ein weitreichendes Paket vorgelegt, das viele EU-Chefs überraschte – verärgert wurde gemutmaßt, dass das türkische Angebot im deutschen Kanzleramt geschrieben wurde. Die Verhandlungsführung stand offenbar unter Beschuss: Merkel sei es nur um sich und ihre Partei gegangen. Eine Entscheidung über den Vorschlag wurde bis zum 17. März vertagt. Das Angebot sieht unter anderem vor, dass die EU alle Flüchtlinge, die unerlaubt aus der Türkei auf die griechischen Inseln übersetzen, wieder in die Türkei zurückschicken kann. Zugleich soll aber für jeden Syrer, der zurück in die Türkei gebracht wird, einer legal in die EU kommen können. Unklar blieb, welche EU-Staaten sie aufnehmen könnten. Zudem fordert Ankara eine Verdoppelung der EU-Hilfszusagen für in der Türkei lebende Flüchtlinge von drei Milliarden auf sechs Milliarden Euro, Visumsfreiheit sowie Fortschritte beim EU-Beitrittsverfahren – ein Umstand, den in Deutschland große Teile der Union ablehnen. Starke Kritik gibt es auch bei den türkischen Forderungen für eine Visafreiheit: Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte,  Leistung und Gegenleistung müssten übereinstimmen, aber bei der von der Türkei geforderten vollen Visumsfreiheit für Reisen in die EU habe man „sehr große Bedenken“. Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer (CSU) warnte: „Die CSU sollte ihre klare Haltung nicht ändern, die Visumspflicht beizubehalten.“ Sonst drohten aufgrund des von Erdogan ausgelösten Kurdenkriegs „Flüchtlinge in unbekannter Größenordnung“ nach Deutschland zu kommen.

Voraussetzung für eine Befreiung muss deshalb die Einordnung der Türkei als sicheres Herkunftsland sein.

Hans-Peter Uhl

„Die Visa-Befreiung lädt zum Missbrauch ein“, warnte auch der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl in der „Welt“ mit Blick auf entsprechende Forderungen der Türkei. „Voraussetzung für eine Befreiung muss deshalb die Einordnung der Türkei als sicheres Herkunftsland sein.“ Das würde die Abschiebung türkischer Flüchtlinge in ihr Heimatland erleichtern. Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Angelika Niebler nannte Uhls Vorschlag im Deutschlandfunk „eine sehr vernünftige Überlegung“. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kündigte in der „Welt“ an, er wolle über diesen Punkt mit der Kanzlerin „intensiv“ reden. Niebler steht nach eigenen Worten Visa-Erleichterungen für Türken auch noch aus einem anderen Grund „sehr, sehr kritisch“ gegenüber. Sie sehe darin die Gefahr, dass in Hinblick auf das Land in der Europäischen Union eine Freizügigkeit hergestellt wird, ohne dass die Kriterien für einen Beitritt der Türkei zur EU erfüllt seien.

Die Realität wird sein, dass wir am Brenner einen Flaschenhals bekommen.

Günther Platter

Ministerpräsident Seehofer erwartet, dass sich die Hauptfluchtroute nun wieder nach Italien verlagert und forderte verschärfte Grenzkontrollen. Nach dem Treffen des bayerischen Ministerpräsidenten mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter hatte dieser erklärt: „Die Realität wird sein, dass wir am Brenner einen Flaschenhals bekommen.“ Dann drohe erneut Chaos.

(dos/dpa7avd)