Leicht zerrupfte Fahne: Griechenland. Bild: Fotolia/refresh(PIX).
Wahl in Griechenland

Deutschland soll zahlen

Die Griechen sind entschlossen, Reformen zu bekämpfen und zurückzudrehen. Die Regierung Tsipras will den Konflikt mit Brüssel. Das ist die Botschaft der Erdrutschwahl in Griechenland und der Koalitionsbildung von Links- und Rechtsradikalen.

Schulden kann man nicht abwählen. Und Geld, das man nicht hat, kann man nicht ausgeben, jedenfalls nicht ewig. Die schlichten Sachverhalte kann man durch Einsicht lernen oder, wie Briten es plastisch formulieren, „the hard way“ – durch schmerzhafte Begegnung mit der Realität. Man hätte gehofft, dass die Griechen in fünf Jahren Schuldenkrise verstanden haben, wie es sich verhält mit Schuldenmachen und Geldausgeben.

Offenbar nicht. Denn die Erdrutschwahl in Athen sagt vor allem eines: Die griechischen Wähler sind wild entschlossen, Reformen zu bekämpfen und zurückzudrehen. Ihre neue Regierung wird ihnen genau das geben und setzt genauso entschlossen auf den Konflikt mit Brüssel, mit den europäischen Partnern. Nichts anderes ist die Botschaft der verqueren Regierungsbildung in Athen: Der linksradikale Wahlsieger Alexis Tsipras wählte sich den rechts-populistischen Demagogen Panos Kammenos und seine Partei Anel (Unabhängige Griechen) zum Koalitionspartner. Harte Linie gegen Brüssel, Berlin und die Troika, nur darin sind sich Tsipras und sein Verteidigungsminister Kammenos einig – und im Spiel mit der großen außenpolitische Rochade. Keine gute Konstellation.

„Was auch immer Deutschland macht oder sagt, es wird sowieso zahlen“

Normalerweise wird nach Wahlen schnell verbal abgerüstet. Nicht in Athen. Tsipras will den nächsten Schuldenschnitt. Aber den müssten Europas Steuerbürger zahlen. Ihre Regierungen können sich darauf nicht einlassen. „Was auch immer Deutschland macht oder sagt, es wird sowieso zahlen“, tönt Tsipras‘ Finanzminister Giannis Varoufakis. „Wir sind entspannt, die Ansteckungsgefahr ist gering“, antwortet in Berlin Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er meint die Ansteckungsgefahr beim „Grexit“ – Griechenlands Ausstieg aus dem Euro.

Aber zunächst braucht Tsipras Geld. Im Athener Haushalt fehlen Milliarden, weitere Milliarden werden als Schuldzahlungen fällig. Das Hilfsprogramm muss verlängert werden, sonst droht Athen der Bank­rott. Aber Tsipras will mit der Troika nicht verhandeln. Denn „die Troika ist abgewählt“, so der neue Premier am Wahlabend. Von Reformauflagen wollen er und seine Wähler nichts mehr hören. Im Gegenteil: Tsipras meint das viele Milliarden Euro teure Sozial- und Reformvernichtungspaket ernst.

Tsipras Spiel mit der russischen Option

So könnte die Drohung mit der außenpolitischen Rochade ins Spiel kommen – die russische Option. Tsipras’ erster offizieller Besucher war der russische Botschafter. Am zweiten Tag im Amt protestierte Tsipras gegen eine Brüsseler Erklärung über mögliche neue EU-Sanktionen gegen Russland. Sein rechtsradikaler Koalitionspartner hat im Wahlkampf offen von der strategischen Partnerschaft mit Russland gesprochen – als griechischer Option. Moskau hätte in Athen viel zu gewinnen und würde sich das sicher etwas kosten lassen. Alles ist möglich mit Tsipras in Athen.