Deal mit den Maghreb-Staaten
Etwa 26.000 Marokkaner, Algerier und Tunesier flüchteten 2015 nach Deutschland, ihre Anerkennungsquote lag aber nur unter vier Prozent. Jetzt sollen sie einfacher per Linien- und Charterflug abgeschoben werden. Das handelte Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit den Regierungschefs der Maghreb-Staaten aus. Die drei Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.
Thomas de Maizière

Deal mit den Maghreb-Staaten

Etwa 26.000 Marokkaner, Algerier und Tunesier flüchteten 2015 nach Deutschland, ihre Anerkennungsquote lag aber nur unter vier Prozent. Jetzt sollen sie einfacher per Linien- und Charterflug abgeschoben werden. Das handelte Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit den Regierungschefs der Maghreb-Staaten aus. Die drei Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden.

Sowohl Marokko als auch Algerien wollen künftig Staatsbürger wieder aufnehmen, die sich in Deutschland als syrische Flüchtlinge ausgegeben und keine Bleibeperspektive haben. Dies vereinbarte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit den Regierungschefs und Innenministern von Marokko und Algerien. Während es mit Marokko und Algerien bereits seit längerem Rücknahmeabkommen gibt, sind Abschiebungen von Tunesiern noch nicht derart geregelt. In der Praxis scheiterten Rückführungen in allen drei Maghreb-Staaten häufig an bürokratischen Hürden.

Rückkehr per Linien- und Charterflug

Zunächst geht es um Marokkaner, Algerier und Tunesier, die im vergangenen Jahr mit dem Zustrom von Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten nach Deutschland gekommen sind. „Wir sind uns einig, dass wir in dieser Gruppe so viele wie möglich zurückführen werden“, sagte de Maizière. Im vergangenen Jahr kamen rund 26.000 Menschen aus den Maghreb- Staaten nach Deutschland. Die Zahl der Ausreisepflichtigen lag Ende Dezember bei über 6100. In ihr Heimatland abgeschoben wurden im ganzen Jahr nur 135. Ende Januar dieses Jahres lebten in Deutschland 2631 ausreisepflichtige Algerier, 2391 Marokkaner und 1264 Tunesier. Die marokkanische Seite habe zugesagt, entsprechende Anfragen binnen 45 Tagen zu bearbeiten. Per Linienmaschine geht es für abgelehnte Asylbewerber dann zurück in ihre Heimatländer Marokko oder Algerien. Im Gegensatz zu Marokko und Algerien stimmte Tunesien auch zu, dass die Rückführungen in Charter-Maschinen erfolgen können.

Begrenzungen für Abschiebungen

Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund 10.000 Marokkaner nach Deutschland gekommen. Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus dem nordafrikanischen Land lag bei 3,7 Prozent. Als erstes solle eine Gruppe von 29 Marokkanern zurückgeführt werden, deren Identität bereits zweifelsfrei geklärt sei. Auch für Algerier geht es mit Linienmaschinen zurück, aber nicht mehr als 30 Ausreisepflichtige pro Flug. Einzelheiten sollen noch auf Polizeiebene geklärt werden. Im vergangenen Jahr sind knapp 14.000 Algerier nach Deutschland gekommen. Die Anerkennungsquote für diese Asylbewerber lag bei 1,7 Prozent. Im Falle Tunesiens sind Sammelabschiebungen auf 25 Fälle begrenzt. Marokko hat keine Obergrenze gefordert.

Maghreb-Staaten sollen sichere Herkunftsländer werden

Um ein Land zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären, gibt es konkrete Voraussetzungen. Alle Länder der EU gelten als sichere Herkunftsstaaten sowie seit 1993 auch die afrikanischen Staaten Senegal und Ghana. Und inzwischen auch die Balkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Nun will die Bundesregierung die Maghreb-Länder Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Sowohl Marokkos Innenminister Mohammed Hassad als auch Regierungschef Abdelilah Benkirane hätten sich überzeugt gezeigt, dass Marokko ein sicheres Herkunftsland sei, sagte de Maizière. Auch die algerische Regierung habe sich bereit erklärt, Flüchtlinge zurückzunehmen, „die wirklich Algerier sind und keine Bleibeperspektive haben“, sagte de Maizière nach Gesprächen mit dem algerischen Regierungschef Abdelmalek Sellal und Innenminister Noureddine Bedoui.

Menschenrechtsverletzungen fallen unter den Tisch

Die nordafrikanischen Staaten sehen, dass sich da eine Chance bietet. Europa braucht Hilfe in Sachen Migration und Extremismus-Bekämpfung. Marokko beispielsweise erwartet Gegenleistungen. So soll bald ein Sicherheitsabkommen beschlossen werden, das seit langem verhandelt wird. Es umfasse sowohl den Kampf gegen den Terrorismus als auch gegen organisierte Kriminalität, den Schmuggel und die illegale Migration, sagte de Maizière. Allerdings müssten noch „technische Details“ geklärt werden, erst dann sei das Abkommen unterschriftsreif. Außerdem will die Bundesregierung ein Berufungsverfahren der EU gegen ein Agrar- und Fischereiabkommen mit Marokko unterstützen. Das Abkommen hatte der Europäische Gerichtshof teilweise für ungültig erklärt. Darin waren auch die umstrittenen Gebiete der Westsahara eingeschlossen. Marokko hatte die frühere spanische Kolonie nach dem Abzug der Spanier 1976 annektiert. Die Zugehörigkeit des Wüstengebiets zu dem nordafrikanischen Land wurde aber international nicht anerkannt.

Müller war ebenfalls im Maghreb

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) reiste den Innenministern letzte Woche in den Maghreb voraus. Ziel der Entwicklungszusammenarbeit mit Marokko, Tunesien und Algerien sei deren politische und wirtschaftliche Stabilisierung. Damit sie sich nicht auf den Weg nach Europa machten, müssten jungen Nordafrikanern in ihren Heimatländern Perspektiven eröffnet werden. „Schaffen wir es nicht, die nordafrikanischen Mittelmeerstaaten bei ihrem gesellschaftlichen Umbruch erfolgreich zu unterstützen“, warnt Müller, „machen sich die Menschen auf der Suche nach einer besseren Zukunft auf den Weg nach Europa.“

(Quelle: dpa/AS)