Sehnsucht nach Europa: Afrikanische Migranten am Mittelmeer. (Bild: imago images / Peter Seyfferth)
Migration

Moral gegen Fakten

Kommentar Heiko Maas und einige deutsche Kommunen fordern ein "Bündnis der Hilfsbereiten" für Migranten. Wieder wird nach europaweiter Verteilung der Asylbewerber gerufen. Das kann nicht funktionieren und sendet überdies ein fatales Signal aus.

Ein Fehler, so heißt es, liegt erst dann vor, wenn man ihn ein zweites Mal macht. Genau das bahnt sich derzeit in Europa und insbesondere in Deutschland an. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Wochenende eine Vorreiterrolle Deutschlands und anderer aufnahmewilliger EU-Staaten vorgeschlagen – ein „Bündnis der Hilfsbereiten für einen verbindlichen Verteilmechanismus“. Deutschland sei bereit zu garantieren, immer ein festes Kontingent an Geretteten zu übernehmen.

Keine Aussicht auf Erfolg

Ein Verteilmechanismus wird seit 2015 in der EU in Endlosschleifen angepriesen – ohne dass er je reale Aussichten auf Erfolg gehabt hätte. Das scheitert zum einen an den osteuropäischen Staaten, die sich einer solchen Verteilung per ordre deutscher Moralkeule standhaft verweigern. Und an den Staaten, die sich hinter den Osteuropäern verstecken, aber ebenfalls keine Verteilung wünschen.

Die Rettung aus der Seenot darf nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein.

Sebastian Kurz, ÖVP

Das scheitert aber auch deshalb, weil es nicht funktionieren kann. Kein Asylbewerber bleibt im grenzenlosen Europa dort, wo er hin„verteilt“ wird, egal ob hilfswillige Kommune oder Land. Sondern er geht immer dorthin, wo er auch hin will, wo es die höchsten Sozialleistungen, die besten Jobs, die meisten Landsleute oder Familienmitglieder gibt. Also Deutschland, Österreich, Schweden, Niederlande, zum Teil noch Frankreich, Großbritannien und Belgien.

Was aber noch wichtiger ist: Ein Verteilmechanismus würde wie 2015 erneut das fatale Signal aussenden, dass alle, die Europa erreichen, auch hier willkommen sind. Selbst wenn sie nur aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, wie vermutlich ein nicht geringer Teil der jungen Asylbewerber an Bord der „Sea-Watch 3“. Deren Kapitänin und neue linke Galionsfigur Carola Rackete forderte jetzt sogar, die mindestens 500.000 Migranten aus libyschen Lagern nach Europa zu holen! Ein erneuter Ansturm wäre die Folge, die Lager wären in kürzester Zeit wieder gefüllt. Laut UNHCR gibt es derzeit mindestens 70 Millionen Flüchtlinge weltweit und laut Umfragen sind allein in Afrika mehr als 350 Millionen Menschen ausreisewillig. Und das bereits vor der erwarteten Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung bis 2050.

Der Kollaps droht

Das würde nicht nur die deutschen (und europäischen) Finanzen, den Wohnungsmarkt und das Sozialsystem kollabieren lassen, es würde auch unsere weiter gespaltene Gesellschaft überfordern – selbst wenn nur ein Teil der Migrationswilligen wirklich käme. Wem aber hilft es, wenn der Helfer irgendwann selbst der Hilfe bedarf?

Die Lobbyisten der unbegrenzten Zuwanderung, unterstützt von unkritischen Journalisten, vermischen derzeit gerne die Seenotrettung mit der Migrationsfrage. Moral soll Fakten verdrängen. Dabei stellt keine der Mitte-Parteien im Bundestag infrage, dass Schiffbrüchige gerettet werden müssen. Sogar, wenn sich die Asylbewerber selbst in für die Überfahrt offensichtlich ungeeigneten Booten in diese Notlage begeben. Selbst wenn sie dafür auch noch viel Geld zahlen – mit dem klaren Ziel, die Einreise in die EU als „Schiffbrüchiger“ zu erzwingen.

Aber es geht nur darum, wohin sie nach der Rettung gebracht werden sollen.

Mit Nebenwirkungen

Jedes Schiff, das Asylbewerber sofort nach Europa bringt, erhöht den weiteren Zustrom von Migranten – und damit die Zahl der Ertrunkenen. Das lässt sich an den Zahlen des UN-Flüchtlingshochkommissariats ablesen. Danach sind die Ankünfte in Europa und die Zahl der Toten stark zurückgegangen, als Italien seine harte Linie gegen die Fährdienste der NGOs als zumindest inoffizieller Teil der Schleppernetzwerke begann. Zugleich gab es laut Frontex in Spanien nach dem Regierungswechsel einen starken Zuwachs an Migranten, weil der neue sozialistische Regierungschef auf Willkommens-Linie lag.

Jedes Schiff untergräbt obendrein das Vertrauen vieler EU-Bürger in Demokratie und Rechtsstaat in Europa. Sei es durch das offensichtliche Versagen bei der Grenzsicherung, durch illegale Einwanderung inklusive fehlender oder gefälschter Papiere, durch danach scheiternde Abschiebungen oder durch Straftaten von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Auch die Akzeptanz für Migration und Asyl leidet darunter, während Rechtspopulisten ein kostenloses Konjunkturprogramm erhalten.

Lösungswege

Die Probleme Afrikas lassen sich angesichts der dortigen Bevölkerungsexplosion ohnehin weder durch die Aufnahme von 1000 noch von einer Million Afrikanern lösen. Migranten, die zudem oft der Mittelschicht und den besser Ausgebildeten angehören und in ihrer Heimat fehlen. Nein, dazu braucht es – neben legaler, vorübergehender Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisse für Europa – vor allem dauerhafte und sinnvolle Aufbauhilfe und Handelserleichterungen des Westens für demokratische Länder in Afrika. Hilfe zur Selbsthilfe, verbunden mit dem Lohn für gutes Regieren. Alles andere ist unrealistisch und hilft nicht.

Kurzfristig die beste Lösung wären von der EU verwaltete Auffangzentren in Nordafrika, in die die Geretteten umgehend gebracht werden. Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, hat dies bereits im Jahr 2015 angeregt. Verbunden mit einer Asylprüfung und bei Asyl-Ablehnung mit der sicheren Rückführung in ihre Heimatländer. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat Recht, wenn er sagt: „Die Rettung aus der Seenot darf nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden sein.“ Denn dieser Weg würde einerseits sofort die Kooperation mit dubiosen libyschen Küstenwächtern sowie andererseits vermutlich in wenigen Wochen die Flucht über das Mittelmeer weitgehend beenden. Und die EU würde endlich Handlungsfähigkeit beweisen.