Ende für „Politik des Durchwinkens“
Die EU ist sich einig: sie will die "Politik des Durchwinkens" beenden. Dazu sicherten die Staaten des Westbalkans und Slowenien zu, in der Flüchtlingskrise Alleingänge zu vermeiden. Obwohl die Türkei nach dem Anschlag in Ankara nicht mit am Tisch sitzt, bleibt sie laut Manfred Weber (CSU) ein wichtiger Partner in der Flüchtlingspolitik.
EU-Gipfel

Ende für „Politik des Durchwinkens“

Die EU ist sich einig: sie will die "Politik des Durchwinkens" beenden. Dazu sicherten die Staaten des Westbalkans und Slowenien zu, in der Flüchtlingskrise Alleingänge zu vermeiden. Obwohl die Türkei nach dem Anschlag in Ankara nicht mit am Tisch sitzt, bleibt sie laut Manfred Weber (CSU) ein wichtiger Partner in der Flüchtlingspolitik.

Während des EU-Gipfels dreht sich alles um die Flüchtlingskrise – neben den Diskussionen um einen Austritt Großbritanniens aus der europäischen Gemeinschaft. Die zentrale Forderung der Staats- und Regierungschefs: Ein Ende der „Politik des Durchwinkens“. So steht es zumindest in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Brüsseler EU-Gipfels, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darin wird besonders der Schutz der EU-Außengrenzen betont. Die 26 Mitgliedsstaaten des eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raums müssten zu einer Situation zurückkehren, in der sie dessen Regeln wieder anwendeten, heißt es.

CDU und CSU setzen auf Ankara

Deutschland setzt dabei auf eine europäische statt auf nationale Lösungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hoffte auf eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei. Aus ihrer Sicht können nur so Fluchtursachen bekämpft und der Schutz der Außengrenze verbessert werden. Doch nach dem Anschlag von Ankara sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seine Reise nach Brüssel ab. Darauf wurde das Treffen des „Clubs der Willigen“ ebenfalls verschoben. Elf EU-Staaten wollten in der österreichischen EU-Vertretung mit der Türkei über konkrete Maßnahmen zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs aus Syrien sprechen. Dennoch bleibt die Türkei nach Ansicht des CSU-Europapolitikers Manfred Weber ein wichtiger Partner in der Flüchtlingspolitik.

Wir sollten uns jetzt nicht von Terroristen die Agenda diktieren lassen.

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion

Das Ziel bleibe richtig, mit der Türkei einen gemeinsamen Weg in der Flüchtlingskrise zu finden, sagte der CSU-Politiker. Das Selbstmordattentat mit mindestens 28 Toten mache auch deutlich, dass Europa und die Türkei im Kampf gegen den Terror zusammenarbeiten müssten.

Westbalkan plant keine Alleingänge

Auf nationale Lösungen setzten zwar die vier Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe, Tschechien, Polen, Ungarn und die Slowakei. Sie wollen die Balkanroute abriegeln, um so Flüchtlingsbewegungen einzuschränken. Doch die Staaten des Westbalkans und Slowenien sicherten nun zu, in der Flüchtlingskrise Alleingänge zu vermeiden. Sie würden jedoch auf Entscheidungen von Nachbarländern reagieren, sagten die Regierungschefs von Kroatien, Slowenien, Serbien und Mazedonien. Großen Widerstand haben die Staaten gegen die im vergangenen Jahr auf EU-Ebene beschlossenen Kontingente zur europaweiten Verteilung von Flüchtlingen. Merkel betonte, dass der Gipfel über die Verteilung neuer Flüchtlingskontingente innerhalb der EU nicht entscheiden werde. „Das wäre der zweite Schritt vor dem ersten.“

Seehofer hält sich zurück – Merkel bekommt zunehmend Druck

CSU-Chef Horst Seehofer stellte sich hinter die Kanzlerin.

Jetzt hat eine Regierungschefin die faire Chance verdient, die Dinge in Europa zu diskutieren und zu verhandeln. Da steht jetzt die Union zu unserer Kanzlerin, dass sie hoffentlich Erfolg hat.

Horst Seehofer (CSU), Ministerpräsident

An der Position der CSU hat sich aber nichts geändert: Seehofer fordert nach wie vor nationale Maßnahmen zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen: „Wir können nicht nur darauf vertrauen, dass andere (Länder) die Arbeit machen.“

Kein Vertrauen in Merkel

Der Druck auf Merkel wächst mit jedem Tag. Spätestens nach dem EU-Gipfel müsse die seit längerem angedrohte Verfassungsbeschwerde eingelegt werden, forderte der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer in der Passauer Neuen Presse. Zu dem Umstand, dass die CDU trotzdem weiter hinter Merkel steht, sagte der frühere Bundesverkehrsminister: „Die Stimmung und die Reaktionen stehen im krassen Gegensatz zu dem Zustand der Besoffenheit, der in Teilen der CDU immer noch über den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise herrscht.“ In Bayern finde Merkels Flüchtlingspolitik kaum noch Unterstützung.

Österreich glaubt nicht an „Club der Willigen“

Auch in Österreich schwindet das Vertrauen in eine europäische Lösung. Nach Ansicht des österreichischen Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner existiert der „Club der Willigen“ in der Flüchtlingskrise nicht mehr. Das könne jeder ableiten, sagte er vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Ausdruck dessen sei auch, dass Österreich zuletzt Tagesobergrenzen für die Einreise und Aufnahme von Flüchtlingen beschlossen hat.