Nicht Fisch nicht Fleisch: Dieses Mal hat Mario Draghi mit der Entscheidung der EZB alle enttäuscht. Die Börse hatte sich noch größere Geldgeschenke erhofft, die Banken müssen für "geparktes Geld" noch mehr Strafzinsen bezahlen. Bild: EZB
EZB-Geldpolitik

Draghi enttäuscht Sparer und die Gier der Börsen

Die Börsianer bekommen den Hals nicht voll genug, die Sparer leiden weiter: Die Europäische Zentralbank tritt auf der Stelle und hält an ihrer verantwortungslosen Geldpolitik fest. Das Anleihe-Kaufprogramm wird bis März 2017 verlängert, die Daumenschrauben für Banken werden angezogen. Der Strafzins für „geparktes Geld“ steigt, der Leitzins bleibt unverändert. Von allen Seiten hagelt es Kritik.

„Weder die aktuelle konjunkturelle Lage noch die Entwicklung der Verbraucherpreise im Währungsraum rechtfertigen die heute getroffenen Maßnahmen“, bemängelte Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon mit Blick auf die Verlängerung des Anleihe-Kaufprogramms und die Strafzinserhöhung von 0,2 auf 0,3 Prozent. Bekanntlich erwirbt die EZB derzeit für monatlich 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere, um die Wirtschaft im Euroraum mit Geld zu fluten und die Inflation anzuheizen. Bis September 2016 wollte Notenbankchef Mario Draghi dafür 1,1 Billionen Euro ausgeben. Jetzt hat er das Programm bis mindestens Ende März 2017 verlängert.

Für den europäischen Finanzmarkt ist die erneute geldpolitische Lockerung der EZB nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich.

Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon

Sparkassenchef Fahrenschon hält das für einen Fehler: Zum einen verzeichne die Wirtschaft des Euroraumes ein moderates Wachstum, zum anderen sei ein ernstzunehmendes Deflationsrisiko im Euroraum derzeit nicht zu erkennen, moniert er. „Für den europäischen Finanzmarkt ist die erneute geldpolitische Lockerung der EZB nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich“, erklärte der Sparkassen-Präsident. „Wir warnen vor den Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik für die Sparer ebenso wie für die Volkswirtschaften. Es wäre besser gewesen, die volle Wirkungskraft der milliardenschweren Anleihe-Käufe und sonstigen Sonderprogramme der EZB abzuwarten“, meinte Fahrenschon.

Wer mit dem Auto auf holpriger Strecke unterwegs ist, wird nicht schneller, wenn er auf ein stärkeres Auto umsteigt. Er muss erst die Schlaglöcher beseitigen.

Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes (BDB)

Ähnlich sah es der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes (BDB), Michael Kemmer. Die Politik der EZB verglich er mit jemandem, der in einem Auto auf holpriger Strecke unterwegs sei. „Er wird nicht schneller, wenn er auf ein stärkeres Auto umsteigt. Er muss erst die Schlaglöcher beseitigen“, so Kemmer. Die EZB habe sich bereits im Vorfeld ihrer Entscheidung unter Zugzwang gesetzt, dabei seien ernsthafte Deflationsrisiken nicht zu erkennen, sagte auch der BDB-Chef. Die schleppende Kreditnachfrage in der Währungsunion sei weder ein Zins- noch ein Liquiditätsproblem, machte er klar.

Börsen sind 60 Milliarden Euro im Monat offensichtlich nicht genug

Die Börsen hatten Entscheidungen der EZB zuletzt immer mit Kursfeuerwerken gefeiert. Dieses Mal herrschte Katerstimmung auf dem Parkett in Frankfurt. Die Händler hatten mit noch größeren Geld-Geschenken in Form von noch umfassenderen Anleihekäufen gerechnet. 60 Milliarden Euro pro Monat sind den Börsianern offensichtlich nicht genug, der Deutsche Aktienindex Dax sackte um mehr als zwei Prozent ab, der Euro gewann dagegen überraschend an Wert.

Geldpolitik für Börsianer und gegen Sparer.

Finanzminister Markus Söder

Einige Händler hatten sogar darauf spekuliert, dass der Leitzins noch weiter sinken könnte, dabei klebt er ohnehin schon bei niedrigen 0,05 Prozent fest. Bayerns Finanzminister Markus Söder hatte erst am Mittwoch bemängelt, dass die EZB Geldpolitik „für Börsianer und gegen Sparer“ betreibt. Das Ziel, die Wirtschaft im Euroraum durch eine Ankurbelung der Inflation zu beleben, sei nicht verbraucherfreundlich, kritisierte er im Gespräch mit dem Münchner Merkur. Söder klagte einmal mehr darüber, dass die Bürger für ihr Erspartes immer weniger Zinsen erhielten und zugleich für die Inflation bezahlen sollen. Zudem warnte auch er vor den großen Risiken, die die Währungshüter mit Niedrigzinsen und Anleihekäufen in Kauf nehmen: „Die ultralockere Geldpolitik birgt große Gefahren, weil sie nicht die Konjunktur belebt, sondern die Neigung zu Spekulationsgeschäften mit unsicheren Finanzprodukten verstärkt.“

Es stärkt den Verdacht, dass es der EZB statt um Preisstabilität um die Rettung maroder Staaten und Banken geht.

ifo-Chef Hans-Werner Sinn

Kritik äußerte am Donnerstag auch einmal mehr der Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Das Anleihekaufprogramm (QE) habe bereits gewaltige Dimensionen und in der Tat dazu geführt, dass der Euro stark abwertet worden sei. „Das ist alles, was die EZB braucht, um die europäische Wirtschaft mittelfristig zu inflationieren, wie sie es vorhat“, sagte Sinn. Die Effekte sehe man auch bereits bei der „Kern-Inflationsrate“, die seit Jahresbeginn angezogen habe. Noch mehr zu tun, hält der ifo-Chef für übertrieben. „Es stärkt den Verdacht, dass es der EZB statt um Preisstabilität um die Rettung maroder Staaten und Banken geht“, so Sinn. Das sei eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, die nicht durch das Mandat der EZB gedeckt sei.

EZB handelt ohne jede Beteiligung des Bundestages

Dass die Notenbank ihre Kompetenzen überschreitet, wirft ihr bekanntlich auch der CSU-Politiker Peter Gauweiler vor, der gegen das laufende Programm gerichtlich zu Felde zieht. In seiner Verfassungsbeschwerde bemängelt er, dass die EZB ohne jede Beteiligung des Bundestages handele und der Steuerzahler zudem mit großen finanziellen Risiken belastet werde. Die EZB habe keine Legitimation für Ankäufe solcher Größenordnung, sagt Gauweiler, der bereits zum fünften Mal gegen Eurorettungsmaßnahmen klagt.

Die verantwortungslos in die Länge gezogene Niedrigzinspolitik Draghis bestraft den Sparer und gefährdet die Geschäftsmodelle und Rentabilität unserer Lebensversicherer, Bausparkassen und Einrichtungen für die betriebliche Altersvorsorge.

Alexander Radwan, CSU (MdB)

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan sieht Draghi auf dem falschen Weg: „Die verantwortungslos in die Länge gezogene Niedrigzinspolitik Draghis bestraft den Sparer und gefährdet die Geschäftsmodelle und Rentabilität unserer Lebensversicherer, Bausparkassen und Einrichtungen für die betriebliche Altersvorsorge“, sagt der CSU-Politiker. Dringend müsse hier „ein Exit angedacht und geplant werden“. In den USA steht die Zinswende bekanntlich unmittelbar bevor. „Hoffentlich schafft die Fed den Exit nächste Woche“, so Radwan. Denn die einzigen Profiteure „dieser verheerenden Politik“ seien die Märkte. „Aber das hat Draghi als ,Goldman-Boy‘ sicher längst im Blick“, spielt Radwan auf eine der früheren Tätigkeiten des EZB-Chefs bei einer bekannten amerikanischen Investment-Bank an.