Hinter die Gitter müssen die Hühner in den sogenannten Beobachtungszonen. Die betroffenen Landkreise empfehlen aber allen Geflügelhaltern, die Tiere in die Ställe zu bringen. (Bild: Imago/China Foto Press)
Vogelgrippe

Stallpflicht rückt näher

Die Nerven der oberbayerischen Geflügelhalter sind gespannt wie Drahtseile. Die Vogelgrippe ist im Freistaat angekommen, immer mehr verendete Wildtiere werden gefunden. Die Behörden verschärfen den Schutz der Nutztiere.

Eine Lachmöwe, die die Behörden zunächst irrtümlich für eine Seeschwalbe hielten, hat das Virus an den Ammersee gebracht. Erst war es nur ein Verdacht, seit Montag ist klar, dass das Tier den tödlichen H5N8-Virus in sich trug, vor dem jetzt alle bayerischen Geflügelhalter zittern. Viele bangen um ihre Existenz, schließlich mussten in einem Betrieb in Schleswig-Holstein bereits 30.000 Hühner getötet werden, weil das Virus in ihren Stall gelangt war.

Erste Fälle in Bayern vom Bodensee gemeldet

Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen kamen die ersten bestätigten Verdachtsfälle in Bayern aus dem Landkreis Lindau.

Zwei tot aufgefundene Reiherenten hatten das Influenza-Virus H5N8 in sich. Zuvor war es bereits in Proben von verendeten Wasservögeln am Plöner See in Schleswig-Holstein sowie beinahe zeitgleich am Bodensee in der Schweiz, Österreich und Deutschland festgestellt worden. Am Montag bestätigte das Landratsamt in Starnberg den Vogelgrippeverdacht vom Ammersee. Das Friedrich-Loeffler-Institut (Bundesforschung für Tiergesundheit) hatte das Virus in der Lachmöwe nachgewiesen.

Wahrscheinlich auch Chiemsee betroffen

In den Tagen darauf nahmen die Meldungen über verendete Wildvögel in Bayern deutlich zu, aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Geflügelpest auch bereits den Chiemsee erreicht. Rund um das Gewässer wurden nach Angaben des Landratsamtes in Rosenheim 18 verendete Reiherenten aufgefunden. „Da der Subtyp H5 bereits nachgewiesen ist, besteht der dringende Verdacht, dass es sich um die Geflügelpest handelt“, hieß es von der Behörde. Bis spätestens morgigen Donnerstag soll das Friedrich-Loeffler-Institut seine Untersuchung abgeschlossen haben. Auch vom Starnberger See wurden am Dienstag tote Vögel gemeldet. Das Landratsamt berichtet von einem toten Schwan, einer toten Ente, zwei verendeten Blässhühnern sowie zwei weiteren Wildvögeln, die am Ufer gefunden und ins Veterinäramt gebracht worden sind. Dies seien „im Moment noch nur tote Vögel, auch diese Tiere sterben mal ohne Vogelgrippe“, warnte Kreissprecher Stefan Diebl im Gespräch mit dem Münchner Merkur aber vor voreiligen Schlüssen.

Schutzzone um den Ammersee

Dennoch ergreifen die Behörden immer weitreichendere Maßnahmen, um das Nutzgeflügel zu schützen: So wird zum Beispiel rund um den Ammersee eine Schutzzone von drei Kilometern eingerichtet, in der Stallpflicht für Hühner, Enten, Gänse, Puten und anderes Nutzgeflügel gilt.

Betroffen sind davon neben dem Landkreis Starnberg auch die Nachbar-Kreise Weilheim-Schongau sowie Landsberg am Lech. Das Landratsamt in Rosenheim hat eine ähnliche Allgemeinverfügung erlassen: „Alle Tierhalter, die im Landkreis Rosenheim Geflügel in einem Bereich von bis zu drei Kilometern vom Chiemsee entfernt halten, haben ihr Geflügel aufzustallen“, heißt es. Demnach müssen die Tiere in geschlossenen Ställen oder unter einem Dach untergebracht werden. Ein seitliches Eindringen von Wildvögeln darf nicht möglich sein. An den Eingängen zu den Ställen müssen die Mitarbeiter überdies ihre Schuhe desinfizieren, Wildvögel dürfen derzeit nicht freigelassen werden.

Geflügel und Eier können weiterhin ohne Einschränkung gekauft und verzehrt werden.

Keine Gefahr für Menschen

Für die Menschen geht nach Behördenangaben keine Gefahr von dem Virus aus: „Geflügel und Eier können weiterhin ohne Einschränkung gekauft und verzehrt werden. Diese Lebensmittel sollten wie sonst auch stets gut erhitzt und durchgegart werden“, heißt es zum Beispiel aus Rosenheim. Die Behörden in Lindau, Rosenheim und Starnberg bitten ihre Bürger weiterhin, tote Tiere umgehend bei den Veterinärämtern zu melden und die Kadaver nicht zu berühren. Zudem gilt die Empfehlung, Hunde und Katzen im Uferbereich der Seen nicht frei laufen zu lassen – auch, wenn eine Übertragung des Virus‘ auf die Haustiere „sehr unwahrscheinlich“ sei.

Die Bodenseeanrainer Österreich, Schweiz, Baden-Württemberg und Bayern hätten bereits die allgemeine Lage besprochen und ein gemeinsames Vorgehen beschlossen, heißt es aus dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Mittlerweile sechs Bundesländer betroffen

Unterdessen ist das Virus nun auch in Niedersachsen bei einem Wildvogel im Kreis Peine nachgewiesen worden. In dem Bundesland wird rund die Hälfte aller deutschen Hühner, Puten und Enten gehalten, die Landwirte sind alarmiert. In sechs Bundesländern gibt es nun bestätigte Vogelgrippefälle, und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) schließt eine bundesweite Stallpflicht nicht aus: „Wir werden in Abstimmung mit den Ländern, wenn es sich ausdehnt, auch in eigener Entscheidung auf Bundesebene mit dem Krisenstab eine Aufstallungspflicht beschließen“, erklärte der Minister am Dienstag. Er werde mit seinen niederländischen, dänischen und polnischen Kollegen über das weitere Vorgehen beraten.

Über das H5N8-Virus

Das H5N8-Virus ist bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln eine anzeigepflichtige Tierseuche, bei Wildvögeln eine meldepflichtige Tierkrankheit. Anders als die Vogelgrippe-Typen H5N1 oder H7N9 ist das H5N8-Virus nach derzeitigen Erkenntnissen der Forschung nicht auf den Menschen übertragbar, zumindest sind bislang noch keine Übergänge bekannt. Für die Nutztiere kann das Virus aber verheerend sein. Erstmals wissenschaftlich dokumentiert wurde ein Ausbruch 1983 in Irland, 270.000 Enten, 28.000 Hühnerküken und 8000 Puten mussten getötet werden. Hart traf eine besonders aggressive Variante des Virus‘ 2014 Korea, wo mehrere Millionen Hühner und Enten getötet werden mussten. Zugvögel bringen das Virus in alle Welt. So starben zum Beispiel 2015 im Rostocker Zoo drei Weißstörche an einer H5N8-Infektion, weitere Tiere mussten getötet werden.