Demonstration der Wirte: 5000 protestieren gegen die Verordnungsflut. Bild: Dehoga
Wirteprotest

Hilferuf aus der Zwangsjacke

Über 5000 Hoteliers und Gastronomen sind am Montag in München auf die Straße gegangen, um gegen Bürokratie- und Dokumentationswahnsinn zu protestieren. Die CSU kämpft an ihrer Seite.

„Die Demonstration ist ein Hilferuf der Branche, denn eine immer größer werdende Verordnungslawine zieht immer mehr Betrieben den Boden unter den Füßen weg“, betonte Ulrich Brandl, Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA. Ursache für die „Zwangsjacke Bürokratie“ seien die immer höher werdenden Anforderungen an die Branche, insbesondere die Dokumentationspflichten der Allergenkennzeichnung und beim Mindestlohn. „Wir wollen für unsere Gäste da sein, statt Formulare ausfüllen“, so Brandl weiter. „Wenn 5000 von uns auf den Straßen sind, dann sind ein paar Dinge korrekturbedürftig!“

Das Monster

Die jüngste Kritik von Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller an dem von der SPD erschaffenen Bürokratiemonster: „Das Mindestlohngesetz ist Ausdruck einer Misstrauenskultur gegenüber der Wirtschaft. Es ist überfrachtet mit Bürokratievorschriften und muss entschlackt werden.“ Und die vorerst verschobene Arbeitsstättenverordnung nannte DEHOGA-Landesgeschäftsführerin Claudia Heim „völlig lebensfremde Vorgaben“, die „einmal mehr immense neue Bürokratie und in vielen Betrieben auch massive Umbau- und Nachrüstungskosten“ nach sich ziehen würden. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Handwerkskammerpräsident und Stadtrat Georg Schlagbauer sowie der Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek, zugleich Präsident des bayerischen Heilbäderverbandes und Vorsitzender des Tourismusverbandes Allgäu-Bayerisch-Schwaben, unterstützten darum die Gastronomen auf ihrem Weg vom Odeonsplatz zur Theresienwiese. Später stießen noch die Abgeordneten Martin Huber, Norbert Dünkel und Manfred Ländner dazu.

Die Flut

Das Gastgewerbe wird schon seit Jahren mit einer Flut von Vorschriften überzogen. Ob für Hygienekontrollen, Brandschutz, den Wareneingang, die Desinfektion von Geräten und Schränken oder die Kasse: Beinahe für jeden Vorgang in den Gaststuben und ihren Küchen müssen Formulare ausgefüllt werden. Die Folge des Aufwands: „Immer mehr Betreiber denken ans Aufhören, Betriebsnachfolger können nicht mehr gefunden werden, so dass Geschäftsaufgaben vorprogrammiert sind“, warnt Brandl. „Wer will das denn auch seinen Kindern antun?“ Schon jetzt würden in Bayern jährlich 500 Wirtshäuser in den ländlichen Regionen „für immer die Stühle hochstellen“, so Brandl. Das werde viel zu wenig zur Kenntnis genommen. Als Beispiel erklärt Brandl dem Bayernkurier: „Wussten Sie, dass in einem Fleischpflanzerl 14 von insgesamt 26 allergenen Stoffen sind?“ Und die müssen alle aufgeführt werden. 27 Ordner allein für die Allergenkennzeichnung gebe es in seinem 140-Mann-Betrieb. „Da braucht der Koch ja Stunden, bevor er zum Kochen kommt“, ärgert sich Brandl.

Der Wahnsinn beim Mindestlohn

Nicht anders die Aufzeichnungspflicht beim Mindestlohn: „Kleine Fehler und man rutscht als Wirt ganz schnell in die Illegalität“, so der DEHOGA-Chef. Es müsse reichen, wie in der Münchner Erklärung der Bayerischen Wirtschaft verabschiedet, Pausen und Gesamtarbeitszeit zu dokumentieren. Bei geringfügig Beschäftigten müsse diese Pflicht ganz gestrichen werden. „Die wollen doch in kurzer Zeit etwas verdienen, wie bei Hochzeiten oder in den zwei Wochen auf der Wiesn. Die wollen gar keine normale Arbeitszeit!“ Die Höchstarbeitszeit pro Tag werde aber natürlich überschritten. Als „logische Grenze“ für die Dokumentationspflicht nennt Brandl 1900 Euro Monatsverdienst. Wer mehr verdiene, erhalte ohnehin keinen Mindestlohn mehr.

Kämpfen vereint (v.l.): Ralf Barthelmes, Angela Inselkammer (Vizepräsidentin Dehoga Bayern), Ernst Fischer (Präsident Dehoga-Bundesverband), Ulrich N. Brandl (Präsident Dehoga Bayern), MdL Klaus Holetschek, Stefan Wild, Thomas Förster (Vizepräsident Dehoga), MdL Jutta Wittmann, Claudia Heim (Dehoga-Landesgeschäftsführerin) und Monika Poschenrieder.

Kämpfen vereint (v.l.): Ralf Barthelmes, Angela Inselkammer (Vizepräsidentin Dehoga Bayern), Ernst Fischer (Präsident Dehoga-Bundesverband), Ulrich N. Brandl (Präsident Dehoga Bayern), MdL Klaus Holetschek, Stefan Wild, Thomas Förster (Vizepräsident Dehoga), MdL Jutta Wittmann, Claudia Heim (Dehoga-Landesgeschäftsführerin) und Monika Poschenrieder.

Dafür steht das Gastgewerbe

Dabei gilt das Gastgewerbe als eine Visitenkarte des Freistaats. „In aller Welt stehen bayerische Schmankerl und in Gasthäusern gelebte Herzlichkeit als sympathisches Synonym für Bayern, ja für ganz Deutschland“, macht der Hotel- und Gaststättenverband klar und verweist auf 560000 Menschen, die im Freistaat vom Tourismus leben, 354000 davon in Hotellerie und Gastronomie. Im bayerischen Tourismus arbeiteten mehr Menschen als bei BMW und Audi weltweit. „Wenn aber einer dieser Konzerne hüstelt, springen alle“, meint Brandl. Es stehe außer Frage, dass Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssten, das mache er schon seit Jahren. „Doch der jetzt geforderte Aufwand schießt weit über das Ziel hinaus“, betont Brandl. „Denn wann soll man nach all dieser Dokumentationsflut eigentlich noch kochen, Gäste bewirten und dabei lächeln?“ In einer Branche, die sich in hohem Maße durch kleine, familiengeführte Betriebe auszeichnet, könne man diese Bürokratie nicht erfüllen: „Man kann doch nicht allen alles überstülpen!“ Zudem hätten die Betriebe erfahren, dass für Vereine oder gemeinnützige Organisationen großzügige Ausnahmen gelten.

Wie mehrfach berichtet, setzen sich Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsvereinigung MU, Hans Michelbach, für ein entschlossenes Umsteuern beim Mindestlohngesetz ein. „Wir werden darauf achten, dass sich das Unternehmerzerrbild der SPD nicht weiter in praktischer Politik niederschlägt. Arbeitgeber sind nicht die Gegner der Arbeitnehmer, sondern deren Partner“, so Aigner jüngst.

Jörg von Rohland/Andreas von Delhaes-Guenther