9,19 Euro: Das ist der derzeitig gültige Mindestlohn. Nächstes Jahr soll er auf 9,35 Euro angehoben werden. (Bild: imago images/Christian Ohde)
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Finger weg vom Mindestlohn!

Kommentar Der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Olaf Scholz unterstützt die DGB-Forderung nach zwölf Euro Mindestlohn. Die Umsetzung dieser Idee wäre jedoch hochriskant und würde die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt schwächen.

Der DGB tagt und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) unterstützt fügsam dessen Forderung nach zwölf Euro Mindestlohn. Nicht zum ersten Mal, denn schon im Oktober 2018 schrieb er in einem Gastbeitrag für die Bild: „Ich finde, dass zwölf Euro Mindestlohn angemessen sind.“

Tarifparteien sollten entscheiden

Das steht als Zielgröße auch im Sozialstaatskonzept der SPD und führende SPD-Politiker wie Andrea Nahles, Kevin Kühnert oder Thomas Oppermann haben dies ebenfalls schon gefordert. Die Linkspartei natürlich auch, schon das sollte zu denken geben.

Es ist nämlich falsch von Politikern, diese Forderung überhaupt zu erheben. Denn eigentlich entscheidet eine Mindestlohnkommission, in dem die Tarifparteien sitzen, über dessen Höhe. Sie entscheidet unabhängig und je nach Tariflohnentwicklung. Damit der Mindestlohn eben nicht zum Spielball der Tagespolitik wird. Dabei sollte es auch bleiben.

Ein Spiel mit Risiko

Aber auch inhaltlich ist die Forderung falsch. Die Heraufsetzung des Mindestlohnes um ein Drittel wäre ein hochriskantes Experiment in einer Phase, in der die deutsche Wirtschaft das Schwächeln anfängt: Das monatliche Ifo-Geschäftsklima ist zum dritten Mal in Folge schlechter geworden.

Die Auswirkungen auf die Lohnkosten der betroffenen Unternehmen wären dramatisch.

Clemens Fuest, ifo-Institut

Zwar ist es richtig, dass die Unkenrufe aus Wirtschaft und Wissenschaft, der Mindestlohn würde Zehntausende Jobs kosten, vorerst nicht eingetreten sind. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist seit 2015 sogar um rund drei Millionen auf insgesamt 33,4 Millionen gestiegen – wenn auch viele davon Teilzeitjobs. Sogar Niedriglohnbranchen wie das Gastgewerbe, der Einzelhandel oder die Nahrungsmittelbranche „haben nach Einführung des Mindestlohns Personal aufgebaut“, meldet das Handelsblatt. Einige Studien legten aber nahe, „dass das Jobwunder ohne die Verteuerung des Faktors Arbeit noch stärker ausgefallen wäre“, gibt die Zeitung zu bedenken. Den meisten Unternehmen sei es nur deshalb gelungen, anziehende Lohnkosten auszugleichen, weil sie die Arbeitszeit reduzierten, ihre Preise oder ihre Produktivität erhöhten.

Was, wenn der Abschwung kommt?

Und man darf nicht vergessen, dass die deutsche Konjunktur seit Einführung des Mindestlohnes im Jahr 2015 fast einzigartig brummte. In einem echten wirtschaftlichen Abschwung aber wird sich laut Ökonomen erst beweisen, ob die Arbeitgeber auch die einfachen Jobs erhalten werden. Denn dann wird das oberste Gebot Sparen und Rationalisieren sein, die Umschreibung der Arbeitgeber für haufenweise Kündigungen.

Eine solche große Rezession wird derzeit nicht erwartet. Es gibt aber einige unkalkulierbare Faktoren, wie drohende Handelskriege oder echte Kriege in ölreichen Regionen wie dem Persischen Golf. Auch das fortwährende Eindreschen von Ökopopulisten auf die wichtigste deutsche Industrie, die Automobilhersteller und ihre Zulieferer, könnte noch unabsehbare Folgen haben.

Ein Plus von einem Drittel

Strukturschwache Regionen mit ohnehin schwacher Wirtschaftsentwicklung und niedrigen Löhnen könnten dadurch ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Grund: Eine Anhebung auf zwölf Euro bedeute ein Plus von fast einem Drittel gegenüber dem gegenwärtigen Niveau von 9,19 Euro, warnte Ifo-Chef Clemens Fuest. „In Westdeutschland wären 27 Prozent der Arbeitsplätze von der Lohnerhöhung betroffen, im Osten wären es 42 Prozent. Die Auswirkungen auf die Lohnkosten der betroffenen Unternehmen wären dramatisch.“

Klar ist auch: Viele könnten diese Steigerung nicht auffangen oder an ihre Kunden weitergeben. Die Folge wären Pleiten, Entlassungen, Preissteigerungen, Betriebs- und Jobverlagerungen ins Ausland – dadurch wiederum würden die Steuereinnahmen des Staates sinken, die Arbeitslosigkeit sowie die Sozialausgaben dafür steigen.

Die Historie der Bundesrepublik und der DDR, aber auch anderer Staaten, hat eines gelehrt: Zu viel Staat im Arbeitsmarkt hat Arbeitslosigkeit, Innovationsverlust und wirtschaftlichen Abschwung zur Folge. Das kann nicht im Interesse Deutschlands sein.