Die Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen Wolfgang Schäubles Pläne. Auch die Mittelstandsunion hat erhebliche Probleme mit der vorgestellten Reform der Erbschaftssteuer. Sie fordert einen Neustart. Bild: Imago
Erbschaftsteuerreform

Wirtschaftlicher Totalschaden?

Am Freitag berät der Bundestag über den vorgelegten Entwurf der Erbschafssteuerreform. Die Wirtschaftsverbände haben ihre Kritik an den Plänen von Finanzminister Wolfgang Schäuble schon jetzt erneuert. Auch der Wirtschaftsflügel der CSU lehnt sie ab und fordert einen Neustart der Reform.

„Die Erbschaftssteuerreform darf nicht zum Massengrab für mittelständische Familienunternehmen werden“, warnt der Landesvorsitzende der Mittelstandsunion (MU) Hans Michelbach. Der CSU-Bundestagsabgeordnete bezeichnet den Entwurf des Bundesfinanzministeriums als „mittelstandsfeindlich und nicht reparaturfähig“. Die Reform brauche einen Neustart, forderte Michelbach daher auch am Samstag beim Bayerischen Mittelstandstag in Deggendorf (der Bayernkurier berichtete). Die MU verabschiedete an diesem Tag einen eigenen Entwurf, der eine kalkulierbare Besteuerung ohne bürokratischen Aufwand und ohne Eingriff in die Substanz der Betriebe vorsehe, hieß es.

Verfassungsgericht hält Steuerbefreiung von Familienunternehmen für legitim

Bekanntlich hatte das Bundesverfassungsgericht Ende vergangenen Jahres entschieden, dass die seit 2009 geltenden Regeln zur großzügigen Verschonung von vererbtem Betriebsvermögen nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz vereinbar sind. Die Richter betonten aber, dass es grundsätzlich legitim sei, gerade Familienunternehmen teilweise oder sogar vollständig von der Erbschaftssteuer zu befreien. Das Finanzministerium arbeitete seit dem Richterspruch an einer Reform, die in ihrer jetzigen Form für viele mittelständische Unternehmen nicht tragbar ist.

Verschont werden muss, was betrieblich eingesetzt wird – ohne Wenn und Aber

Bertram Brossardt (vbw-Hauptgeschäftsführer)

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) mahnte heute einmal mehr vor einer fundamentalen Veränderung der Unternehmenslandschaft. Weitere Korrekturen an den Reformplänen seien „unerlässlich“, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Der Entwurf des Bundeskabinetts nehme Familienunternehmen die Möglichkeit, „ihre Firma wettbewerbsfähig weiterzuführen und generationenübergreifend für große Zukunftsinvestitionen vorzusorgen“, kritisierte Brossardt. Demnach werden nach den aktuellen Plänen im Erbfall wichtige Teile des unternehmerisch eingesetzten Vermögens besteuert. Laut vbw betrifft das neben Betriebsteilen, die nicht unmittelbar für die Produktion nötig sind, auch Rücklagen für Zukunftsinvestitionen, die betriebliche Altersvorsorge und Tochterunternehmen im Ausland. „Also die Anker der Unternehmen auf den Weltmärkten“, verdeutlicht der vbw-Chef, der fordert: „Verschont werden muss, was betrieblich eingesetzt wird – ohne Wenn und Aber!“ Ohne Korrekturen an der Reform befürchtet Brossardt eine Abwanderung von Familienunternehmen „in das meist steuergünstigere Ausland“ oder einen Verkauf der heimischen Firmen an nationale und internationale Kapitalgeber. „Das würde die innovative, regional verankerte Struktur der deutschen Unternehmenslandschaft zu unser aller Nachteil fundamental verändern“, so der vbw-Hauptgeschäftsführer.

Verheerende Folgen für Wirtschaftsstruktur und Arbeitnehmer

Vor diesem Horrorszenario hatte Hans Michelbach bereits im Mai anlässlich der Länderfinanzministerkonferenz mit dem Bundesfinanzminister gewarnt: „Sollten Erben Unternehmen verkaufen müssen, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können, kann das verheerende Folgen für die Wirtschaftsstruktur und Arbeitnehmer haben“, sagte der MU-Chef, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) ist. Unter anderem forderte er die Freigrenze für die so genannte Bedürfnisprüfung von 20 Millionen Euro Unternehmenswert auf mindestens 100 Millionen Euro anzuheben. Die Einbeziehung des Privatvermögens in die Bedürfnisprüfung müsse gestrichen werden, denn sie sei willkürlich und werde auch nicht vom Verfassungsgericht gefordert. Zudem müsse der Gesetzeszweck bei der Verschonungsregelung neben der Erhaltung von Arbeitsplätzen auch auf die Erhaltung bei familiengeprägten Unternehmensstrukturen ausgeweitet werden.

Auch das Handwerk unterstützt bayerische Verbesserungsvorschläge

Das bayerische Handwerk unterstützt die Initiative Bayerns, den Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform nachzubessern. Bayerns Bundesratsminister Marcel Huber erklärte anlässlich der im Bundesrat anstehenden Beratung: „Wir müssen sicherstellen, dass bei Vererbung eines Betriebes die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Gerade mittelständische und familiengeprägte Betriebe dürfen nicht durch eine überzogene Besteuerung des Vermögensübergangs gefährdet werden.“ Der Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), Georg Schlagbauer, betonte, dass die Zahl der von der Erbschaftsteuer verschonten Betriebe zu klein und die Neuregelung des begünstigten Vermögens mangelhaft sei. Schlagbauer: „Die Absenkung der ‚Nichtaufgriffsgrenze‘ für die Einhaltung der Lohnsummenregelung muss von drei auf mindestens fünf Beschäftigte angehoben werden.“ Eine aktuelle Untersuchung des Ludwig-Fröhler-Instituts habe ergeben, dass bei der geplanten Grenzziehung bei drei Beschäftigten nur weniger als die Hälfte der Handwerksunternehmen von der Lohnsummenregelung befreit sei, so der BHT-Präsident. Bei einer Grenze von fünf Beschäftigten wären es immerhin zwei Drittel. Weiter sollte die zweite „Flexizone“ von 15 auf 20 Beschäftigten angehoben werden und die Berechnung der Mitarbeiterzahl habe nach Vollzeitäquivalenten zu erfolgen.