Deutschland baut am Bedarf vorbei
Der Wohnungsbau in Deutschland kommt voran; allerdings oft nicht dort, wo er auch nötig wäre. Nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln leiden vor allem die Städte unter Wohnungsmangel, während auf dem Land mancherorts Neubauten leer stehen. Der Trend ist auch in Bayern erkennbar.
Wohnungsbau

Deutschland baut am Bedarf vorbei

Der Wohnungsbau in Deutschland kommt voran; allerdings oft nicht dort, wo er auch nötig wäre. Nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln leiden vor allem die Städte unter Wohnungsmangel, während auf dem Land mancherorts Neubauten leer stehen. Der Trend ist auch in Bayern erkennbar.

Nach einer Studie, die das IW am Mittwoch vorstellte, entstanden im vergangenen Jahr bundesweit rund 245.000 neue Wohnungen. Das ist auf den ersten Blick nicht schlecht, denn es sind immerhin 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2010 zog der Wohnungsbau sogar um satte 54 Prozent an. Das Problem: Deutschland baut am Bedarf vorbei. Lediglich 66.000 der im vergangenen Jahr fertiggestellten Wohnungen entstanden in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern, rechnet das Kölner Institut vor. Benötigt worden wären dort nach Meinung der Experten aber 102.000 Wohnungen, also gut 50 Prozent mehr. „Allein in Berlin müssten bis 2020 pro Jahr 20.000 neue Wohnungen bezugsfertig werden“, heißt es. 2014 seien es in der Hauptstadt aber gerade einmal 8744 gewesen.

Zu viele Wohnungen auf dem Land

Ein ganz anderes Bild ergibt sich in einigen ländlichen, strukturschwachen Kreisen wie der Eifel, dem Schwarzwald oder weiten Teilen Ostdeutschlands. „Dort gibt es zu viele Wohnungen, die gar nicht benötigt werden“, erklären die Wirtschaftsforscher, die auch die Gründe für die gegenläufige Entwicklung kennen: Kommunen auf dem Land würden versuchen, durch neue, günstige Bauflächen mehr Unternehmen und Einwohner zu gewinnen. Und dank historisch niedriger Zinsen wird dann auf Teufel komm raus gebaut.

Beliebte Städte müssen die Auflagen etwa für die Gebäudehöhe lockern.

Der Leerstand auf dem Land ist programmiert, denn laut IW zieht es immer mehr Menschen in die Großstädte – egal ob Studenten, Zuwanderer oder jüngere Senioren. Die Folge: Bauland ist knapp, die Immobilienpreise steigen drastisch an. Hier müsse die Politik eingreifen, fordert der IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer, der auch einen Vorschlag parat hält: „Beliebte Städte müssen die Auflagen etwa für die Gebäudehöhe lockern.“ Und zugleich sollten sie noch stärker versuchen, brach liegende Flächen für den Wohnungsbau zu aktivieren. Ländliche Gebiete sollten nach Meinung des IW dagegen Anreize schaffen, damit Vermieter und Käufer in bestehende Immobilien investieren, damit die Landschaft nicht noch weiter zersiedelt werde.

Bauen in Bayern

In Bayern geht die Politik mit gutem Beispiel voran: So bot zum Beispiel jüngst Innenminister Joachim Herrmann den Kommunen seine Unterstützung an, leerstehende Wohnungen über das Bayerische Modernisierungs- oder Wohnungsbauprogramm zu ertüchtigen und für Flüchtlinge verfügbar zu machen. Im Freistaat stieg die Zahl der Baufreigaben nach Angaben des Ministers im abgelaufenen Halbjahr 2015 um zwei Prozent auf 28.972 Wohnungen an (der Bayernkurier berichtete). Überdurchschnittliche Genehmigungszuwächse gab es in Niederbayern (+10,8 Prozent), in der Oberpfalz (13,2 Prozent), in Schwaben (+16,5 Prozent) und Mittelfranken (+18,7 Prozent). Weniger gebaut als im Vorjahreszeitraum wurde dagegen in Oberbayern (-8,7 Prozent), Oberfranken (-2,8 Prozent) und Unterfranken (-8,2 Prozent). In den größten Städten Bayerns – München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt, Würzburg, Fürth und Erlangen – gingen die Neubaugenehmigungen um 9,3 Prozent zurück.