Es wird wieder mehr gebaut, aber durch den Asylbewerberansturm nicht genug. Bild: Fotolia/Hellen Sergeyeva
Wohnungsbau

Dach über dem Kopf

Der Bund muss sich mit jährlich mindestens zwei Milliarden Euro an der Förderung des Wohnraums beteiligen. Das forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann angesichts der Wohnungsnot, die durch den Ansturm der Asylbewerber trotz steigender Baufreigaben verschärft wird. Die degressive Abschreibung für Mietwohnungsneubauten müsse daher wieder eingeführt werden.

Bis Ende Juli sind laut Herrmann bereits 47.767 neue Asylbewerber nach Bayern gekommen – mehr als im ganzen letzten Jahr. „Rund ein Drittel der Antragsteller darf dauerhaft in Deutschland bleiben. Sie brauchen Wohnraum“, erklärte der Innenminister auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz die simplen Fakten. Durch die hohe Zahl der Flüchtlinge steige insbesondere der Bedarf an einfachen, preisgünstigen Wohnungen. „Das muss nicht gleich in bestausgestatteten Wohnungen sein“, sagte Herrmann. „Es reicht zunächst ein Dach über dem Kopf.“

Der rasante Anstieg der Asylbewerber verschärfe die ohnehin angespannte Wohnungsmarktsituation im preisgünstigen Segment. Gemeinsam mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände informierte er über Maßnahmen und Forderungen zur deutlichen Verstärkung des Wohnungsbaus. „Bayern wird seine jeweils für 2015 und 2016 veranschlagten Wohnraumfördermittel in Höhe von 242,5 Millionen Euro noch dieses Jahr um weitere 50 Millionen Euro und 2016 um weitere 100 Millionen Euro aufstocken“, so Herrmann. Er übte zugleich scharfe Kritik am Bund. Dieser habe über die insgesamt 518 Millionen Euro Kompensationszahlungen hinaus, keinen einzigen Euro zur Lösung des Problems beigesteuert. Das sei absolut unzureichend: „Der Bund muss sich mit mindestens zwei Milliarden Euro jährlich beteiligen.“

Steuerliche Abschreibung wieder einführen

„Außerdem müssen Mietwohnungsneubauten endlich wieder degressiv abgeschrieben werden können“, forderte der Minister weiter. Damit werde ein dringend notwendiger zusätzlicher Anreiz zum Bauen gesetzt, so der Bayerische Bauminister.

Der Freistaat Bayern hat seit 2010 bis 2014 rund 25.000 Wohnungen und Heimplätze staatlich gefördert und dafür rund 1,1 Milliarden Euro investiert. Nach Beschluss des Ministerrates vom 4. August 2015 erhöht sich das Fördervolumen in diesem Jahr auf 292,5 Millionen Euro, 2016 auf sogar 342,5 Millionen Euro. Künftig erhalten Investoren Zuschüsse von bis zu 300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wenn sie geförderten Wohnraum für die Dauer von sieben Jahren anerkannten Flüchtlingen zur Verfügung stellen. „Es freut mich auch, dass die Kirchen und die Bayerische Versorgungskammer große Bereitschaft signalisiert haben, sich bei diesem Thema einzubringen, etwa durch eigene Grundstücke, über kirchliche Wohnungsbauunternehmen oder Kapitalinvestitionen“, lobte Herrmann.

Es wird wieder mehr gebaut

„Auch die Zahl der Baufreigaben steigt“, informierte der Innenminister. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres konnten im ersten Halbjahr 2015 mit 28.972 Wohnungen zwei Prozent mehr Wohnungsbaugenehmigungen erteilt werden. Im Bereich der Mehrfamilienhäuser mit drei und mehr Wohnungen liegt die Steigerungsrate sogar bei knapp vier Prozent: „Meine Bitte an die Bauherrn: Setzen Sie die genehmigten Bauvorhaben schnell um! Bauen Sie!“ Das positive Gesamtergebnis wurde laut Bayerischem Statistikamt von vier der sieben Regierungsbezirke Bayerns getragen, und zwar mit jeweils überdurchschnittlichen Genehmigungszuwächsen von 10,8 Prozent (Niederbayern), 13,3 Prozent (Oberpfalz), 16,5 Prozent (Schwaben) und 18,7 Prozent (Mittelfranken). Oberbayern (-8,7 Prozent), Oberfranken (-2,8 Prozent) und Unterfranken (-8,2 Prozent) verzeichneten dagegen relativ deutliche Rückgänge bei den Wohnungsbaufreigaben. Absolut betrachtet nahm Oberbayern dennoch mit insgesamt 10.981 Wohnungsbaugenehmigungen im ersten Halbjahr 2015 den Spitzenplatz ein, in großem Abstand gefolgt von Schwaben mit 4728 Wohnungsbaugenehmigungen. In den Großstädten München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt, Würzburg, Fürth und Erlangen gingen die Genehmigungen um insgesamt 9,3 Prozent zurück.

Appell an die Kommunen

Der Bauminister bot den Kommunen seine Unterstützung an. Leerstehende Wohnungen können über das Bayerische Modernisierungs- oder Wohnungsbauprogramm ertüchtigt und für Flüchtlinge verfügbar gemacht werden. Mit Hilfe der Städtebauförderung können die Gemeinden Leerstände in Ortszentren und auf Konversionsliegenschaften beseitigen und so Wohnraum auch für anerkannte Flüchtlinge herrichten. Das sei zugleich eine Chance für die Entwicklung der Städte und Gemeinden, insbesondere in den strukturschwachen ländlichen Regionen. Derzeit werden bereits einige kleinere, leer stehende Gebäude daraufhin untersucht, wie sie für eine Wohnnutzung umgebaut werden können.

Darüber hinaus wies Herrmann auf eine neue Broschüre des Innenministeriums mit kosten- und flächensparenden Projektbeispielen hin: „Die darin enthaltenen Beispiele helfen den Kommunen, ihre begrenzten Finanzmittel effektiv einzusetzen und sollten unbedingt Schule machen!“ Er bat die Kommunen nochmals, mehr Bauland bereit zu stellen. Dafür gebe es neben der Neuausweisung zwei weitere Möglichkeiten: Die Aktivierung von vorhandenem Bauland und die Möglichkeiten der Nachverdichtung. Damit könnten gleichzeitig die vorhandene Infrastruktur effizient genutzt, Verkehrswege vermieden, lebendige Gemeinden erhalten und Stadtzentren gestärkt werden. Dazu empfahl er die Einführung eines kommunalen Flächenmanagements, etwa mit Hilfe der kostenlosen staatlichen Flächenmanagement-Datenbank. Der Innenminister schloss mit den Worten, dass „nur im engen Schulterschluss von allen Beteiligten“ das akute Problem der Wohnraumversorgung angemessen gelöst werden könne.