Bayerns Metall- und Elektroindustrie, hier das BMW-Werk in Dingolfing, spürt die nachlassende Konjunktur. (Foto: Imago Images/Rainer Kunkel)
Konjunktur

Metall- und Elektroindustrie schlägt Alarm

Die Wirtschaftsaussichten trüben sich drastisch ein: Die Metall- und Elektroindustrie befindet sich bereits im Abschwung, berichten die Arbeitgeberverbände. Die Firmen äußern sich deutlich pessimistischer als noch vor einem halben Jahr.

Die Konjuntur kühlt sich drastisch ab. Speziell die Metall- und Elektroindustrie, das Rückgrat der bayerischen Industrie, befindet sich bereits im Abschwung. Das ist das alarmierende Ergebnis der neuesten Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände (bayme vbm) in Mittelfranken. „Die konjunkturelle Lage hat sich bereits spürbar abgekühlt. Im In- und Ausland erwarten unsere Unternehmen eine weitere Verschlechterung“, erklärte Martin Sommer, der Vorsitzende der beiden Verbände für Nürnberg-Fürth-Erlangen. Diese Ergebnisse aus Mittelfranken gelten in der Tendenz für ganz Bayern – mit geringen regionalen Unterschieden, sagte Sommer zum BAYERNKURIER.

Nur noch 15 Prozent positive Ausblicke

Sowohl mit Blick aufs Inland wie auch aufs Ausland hat sich die Konjunkturerwartung deutlich eingetrübt: Das Inlandsgeschäft bewerten nur noch 15 Prozent der Betriebe als gut, Anfang 2019 – also vor sieben Monaten – waren es noch 64 Prozent, im Sommer 2018 sogar noch 70 Prozent. Mit dem Auslandsgeschäft sind nur noch 19 Prozent der Betriebe zufrieden, Anfang 2019 waren dies noch 69 Prozent. Der Saldo der Erwartungen im Inlandsgeschäft stürzen mit minus 27,2 Prozentpunkten erstmals deutlich in den negativen Bereich, im Auslandsgeschäft mit minus 20 Prozentpunkten.

Viele Firmen überlegen sich Auslagerung in die Auslandsstandorte.

Martin Sommer, Vorsitzender der Metall- und Elektro-Arbeitgeber Nürnberg-Fürth-Erlangen

„Die Produktions- und Investitionspläne sind negativ“, erklärte Sommer weiter. Im Einzelnen fällt der Saldo bei den Produktionsplänen von plus 48,5 auf minus 21,7 Prozent, bei den Investitionen von plus 7,5 auf minus 16,7 Prozent. „Niemand kann sagen, wie weit die konjunkturelle Eintrübung geht, sowohl was das Volumen als auch was die Dauer angeht“, so der Chef der bayme/vbm Nürnberg-Fürth-Erlangen. In der Folge diskutiert die Firmen verstärkt über den Produktionsstandort Deutschland, was in den vergangenen zehn Jahren wegen des langen Aufschwungs unterbleiben sei. „Viele Formen überlegen sich Auslagerung in die bestehenden Auslandsstandorte oder sogar Suche nach neuen Auslandsstandorten“, sagte Sommer.

Warnung an Politik und Gewerkschaften

Die Auswirkungen der Konjunktureintrübung auf die Beschäftigung seien derzeit erst in Ansätzen zu spüren, könnten aber bald mit voller Wucht durchschlagen, sagte Sommer, der im Hauptberuf Personalvorstand der Diehl-Stiftung in Nürnberg ist. Das sei dann der Fall, sobald der Auftragsüberhang aus den Vorjahren abgebaut sei und die Arbeitszeitkonten leergeräumt seien. Jedenfalls sei der jahrelange Beschäftigungszuwachs gestoppt, vereinzelt habe der Beschäftigungsabbau bereits begonnen, die Anträge auf Kurzarbeit nähmen zu. Während vor einem halben Jahr 0,0 Prozent (!) der aufs Inland fokussierten Betriebe an Beschäftigungsabbau dachten, seien es jetzt 36,8 Prozent. „Natürlich trennt sich jede Firma nur schwer und ungern von den eingearbeiteten und wertgeschätzten Mitarbeitern“, erklärte Sommer. In Bayern sei die Metall- und Elektroindustrie Ende 2018 mit 875.000 Beschäftigten auf ihrem Höchststand angekommen – das sind 160.000 mehr als zu Beginn des Aufschwungs vor zehn Jahren.

Alle Länder um uns herum bauen Atomkraftwerke auf, wir steigen aus Atom- und Kohleenergie gleichzeitig aus.

Martin Sommer

Sommer mahnte insbesondere die Politik, ihre Hausaufgaben zu machen und die „hausgemachten Probleme“ aus dem Weg zu räumen. Dazu gehörten die höchsten Arbeitskosten und Steuern der EU sowie die höchsten Strompreise, die mangelnde digitale Infrastruktur sowie die Unsicherheit hinsichtlich der Verbrennungsmotoren, denn immerhin ist die Automobilindustrie die Leitindustrie Bayerns und Deutschlands. Inbesondere liege der Industrie die sogenannte Energiewende schwer im Magen.

Sichere und bezahlbare Energie ist das A und O

„Die Energiewende in Deutschland funktioniert nicht“, kritisierte Sommer. „Alle Länder um uns herum bauen Atomkraftwerke auf, wir steigen aus Atom- und Kohleenergie gleichzeitig aus. Bei Engpässen müssen wir Atomenergie aus dem Ausland zukaufen. Das ist keine vernünftige Strategie“, so der Metall-Arbeitgeberchef. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung sei das Rückgrat jeglicher Industrie. So lange sich aber die Unsicherheit über das Bestehen der Bundesregierung bleibe, „kommen wir bei der Lösung der drängenden Probleme im Land nicht voran“, kritisierte Sommer.

Wir müssen uns wieder in Richtung Produktivitätsentwicklung bewegen.

Martin Sommer

An die Gewerkschaften appellierte der Arbeitgeberfunktionär, Vernunft walten zu lassen und die Tarifverträge flexibler zu gestalten – etwa mit ertragsabhängigen Bonuszahlungen, um Beschäftigung zu sichern. Sommer sprach von einer „echten Schere zwischen Lohnkosten und Produktivitätszuwachs“: Die Produktivität der Arbeitsplätze habe in den letzten Jahren mit den hohen Tarifabschlüssen nicht Schritt gehalten mit den steigenden Löhnen und sonstigen Arbeitskosten. Man habe das wegen der hohen Umsätze ausgleichen können durch höhere Kapazitätsauslatung. „Aber künftig können wir das nicht mehr kompensieren“, so Sommer.

Wettbewerbsfähigkeit leidet

„Wir müssen uns wieder in Richtung Produktivitätsentwicklung bewegen und uns nicht mehr jedes Jahr einen kräftigen Schluck aus der Pulle genehmigen“, sagte er. „Dazu werden wir uns intensiv mit IG Metall auseinandersetzen müssen“, denn sonst drohten viele weitere kleine Firmen die Tarifbindung zu verlassen. „Die Tarifvertrag können sich vielleicht die großen Firmen noch leisten, viele kleine können das nicht mehr. Aber das Verlassen der Taifbindung ist für unser Wirtschaftssystem nicht die beste Lösung“, sagte der Nürnberger Metall-Arbeitgerchef. Der Standort Deutschland habe in den vergangenen Jahren objektiv stark an Wettbewerbsfähgkeit eingebüßt.