Ohne Fachkräfte steht die Motorenproduktion still. (Bild: Imago/Bild13)
Fachkräftemangel

Digitalisierung macht die Lücke noch größer

Die Digitalisierung schreitet voran, aber der Arbeitsmarkt hält mit der Entwicklung nicht Schritt. Die Metall- und Elektrounternehmen (M+E) im Freistaat klagen über immer größere Probleme, freie Stellen mit Informatik- oder IT-Fachkräften zu besetzen. Der Mangel an Experten verschärft sich bundesweit und berufsübergreifend – Bayern reagiert.

Die Bundesagentur für Arbeit sieht in ihrer aktuellen Analyse zwar keinen flächendeckenden Mangel an Fachkräften, „Engpässe in einzelnen technischen Berufsfeldern sowie in einigen Gesundheits- und Pflegeberufen“, räumt sie freilich ein. „Bei Fachkräften und Spezialisten werden Mangelsituationen aktuell zum Teil deutlicher sichtbar als in früheren Analysen“, heißt es.

Die zunehmende Digitalisierung der Unternehmen hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt.

Bertram Brossardt, vbw-Hauptgeschäftsführer

Davon wissen vor allem die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber zu berichten, die vom Verband bayme vbm vertreten sind. Dessen Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt schlägt Alarm: „Die zunehmende Digitalisierung der Unternehmen hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt, in den M+E Unternehmen ist derzeit mehr als jede zehnte freie Stelle mit Informatikern oder mit IT-Fachkräften zu besetzen“, sagt er. Dieser Anteil habe vor fünf Jahren noch bei knapp sechs Prozent gelegen. Und die Lücken zu füllen, bereitet Brossardt zufolge den Firmen immer größere Probleme: Nur bei 8,3 Prozent der freien Jobs klappt die Besetzung problemlos, bei 52,8 Prozent gibt es Schwierigkeiten, die übrigen 38,9 Prozent bleiben offen. Ähnlich stellt sich die Lage bei den IT-Facharbeitern dar: 46,7 Prozent der freien Stellen werden hier nur unter Schwierigkeiten neu besetzt, 43,3 Prozent bleiben verwaist. „Damit ist die Lage im IT-Bereich inzwischen angespannter als bei den Ingenieuren“, warnt bayme vbm-Chef Brossardt.

Fachkräfte-Engpass in technischen Berufen

Die Bundesagentur beziffert die Engpässe mit der sogenannten Vakanzzeit (siehe Grafik). Diese misst die Dauer, bis eine freie Stelle vergeben ist. Über alle Berufe hinweg stieg die Vakanzzeit im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 9 auf jetzt 90 Tage, bei Fachkräften und Spezialisten ging es sogar um 10 Tage nach oben. Besonders eklatant zeigt sich der Fachkräfte-Engpass in akademischen und nichtakademischen technischen Berufen sowie in der Pflege. Trauriger Spitzenreiter ist in der Erhebung die Altenpflege: Hier dauert es 153 Tage bis eine freie Stelle neu besetzt werden kann, 2015 waren es noch 126 Tage.

Im technischen Bereich hat die Fahrzeugtechnik ihren kritischen Platz an der Sonne verteidigt: 145 Tage dauert es laut Statistik, bis ein neuer Experte gefunden werden kann. Das sind fünf Tage mehr als im Jahr davor. In der Informatik und Softwareentwicklung ging es ebenfalls weiter nach oben, die Vakanzzeit stieg bundesweit um 5 auf 134 Tage. Enorme Sprünge machten zuletzt vor allem die Ausbildungsberufe: Die Vakanzzeit eines Mechatronikers stieg zum Beispiel um satte 20 auf jetzt 126 Tage, beim Energietechniker ging es um 15 auf 138 Tage nach oben. Einen großen Satz machte zudem der Aus- und Trockenbau: mit einem Plus von 18 auf 131 Tage.

Mit zunehmendem Durchschnittsalter der Belegschaften wächst die Gefahr, dass das langfristig aufgebaute Wissen der Mitarbeiter quasi auf einen Schlag verlorengeht.

Andreas Schmieg, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Die boomende deutsche Bauindustrie kommt zunehmend ins Schwitzen. Ihr bereitet vor allem der demografische Wandel Probleme: „Seit Jahren übersteigen die altersbedingten Abgänge die Zugänge an Nachwuchskräften deutlich“, sagt Andreas Schmieg, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Seinen Angaben nach standen zum Jahresende 2015 16.000 Arbeitskräften, die sich in die Rente verabschiedeten, nur 10.600 gewerblichen Nachwuchskräfte im ersten Lehrjahr gegenüber. Mehr als ein Drittel der gewerblichen Arbeitnehmer sei bereits älter als 50 Jahre, berichtet Schmieg und warnt: „Mit zunehmendem Durchschnittsalter der Belegschaften wächst die Gefahr, dass das langfristig aufgebaute Wissen der Mitarbeiter quasi auf einen Schlag verlorengeht.“

Den Weg bereiten für die künftigen Fachkräfte

Die Branchen tun alles, um dem Mangel an Fachkräften und Ingenieuren zu lindern. So weist Bau-Vizepräsident Schmieg zum Beispiel auf ein in Bayern angelaufenes Projekt hin: Gymnasiasten und Schüler haben darin die Möglichkeit, in einer Camp-Woche herauszufinden, welches Aufgabenprofil hinter dem Berufsbild des Bauingenieurs steckt. Von der Planung bis zur Durchführung eines Objekts können die Jugendlichen dabei alles simulieren und hautnah erproben.

Die bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände begegnen dem vorherrschenden Mangel in den sogenannten MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) ebenfalls in konkreten Projekten. Sie unterstützen laut Hauptgeschäftsführer Brossardt zum Beispiel das Projekt „MINTerAKTIV – Mit Erfolg zum MINT-Abschluss in Bayern“ des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst. Ziel sei es, die Studienabbrecher-Zahlen in den MINT-Fächern weiter zu reduzieren und die Rahmenbedingungen für Studierende zu verbessern. Die Projekte „Smart City“, „Start App“, „Digi Camp“ und „game group IT“ würden sich speziell an Kinder und Jugendliche richten und seien Teil der Initiative „Technik – Zukunft in Bayern 4.0“, heißt es.