Bis zu 80.000 Finanzspezialisten in London dürften gedanklich schon ihre Koffer packen. Nur wohin ihre Reise geht, wissen sie noch nicht. München lockt als „Weltstadt mit Herz“ nicht nur mit besserem Wetter, Lebensfreude pur und einer einmaligen Kulturlandschaft. Der Freistaat und seine Metropole lassen mit ihrem Angebot auch die Banker-Herzen höher schlagen: „Die bayerische Landeshauptstadt und die Finanzwirtschaft bieten alles, was die Branche und ihre hochqualifizierten Beschäftigten erwarten“, betont Andreas Schmidt, fpmi-Sprecher und Vorstand der Bayerischen Börse AG. Er verweist dabei unter anderem auf die zahlreichen modernen Finanzdienstleistungen aus der sogenannten FinTech-Szene, die hohe Zahl an Start-Ups und die Tatsache, dass München mehr Dax-Konzerne und eine höhere Marktkapitalisierung zu bieten hat als jede andere deutsche Stadt. Dazu komme „eine funktionierende Infrastruktur inklusive des Münchener Flughafens als Drehkreuz in die Welt, beste Universitäten und Schulen, eine kulturelle Szene auf höchstem Niveau sowie eine landschaftlich attraktive Umgebung mit hohem Erholungsfaktor“, sagt Schmidt.
Vor dem Brexit führte kein Weg an London vorbei
Bislang führte für die internationale Bankenwelt kein Weg an London vorbei. Alle wichtigen Institute sind mit Niederlassungen an der Themse vertreten. Der Grund liegt nach Auskunft der fpmi vor allem in der britischen Kontrollbehörde Financial Conduct Authority (FCA). Sie erteilt den weltweiten Geldhäusern die Genehmigungen für Bank-Geschäfte in der gesamten EU. Und bei dem sogenannten „Passporting“ sei die FCA „sehr entgegenkommend“, heißt es. Da ist es kein Wunder, dass sich Banker aus aller Welt in der britischen Hauptstadt bisher pudelwohl gefühlt haben. Schließlich können sie mit freundlicher Genehmigung der Briten sämtliche Finanzprodukte in alle EU-Staaten emittieren, Unternehmen beim Börsengang beraten und viele andere Finanzprodukte an den Mann bringen. Den Trumpf dürften die Briten nun mit ihrem beschlossenen Austritt aus der EU verspielen, das „Passporting“ ist bald Geschichte. „Dies gilt im Übrigen auch für die FinTechs, die das bisher so ,coole‘ London als uncool erfahren dürften“, fügen die Münchner Finanzer mit einem Augenzwinkern hinzu.
Mit dem Ende der Freizügigkeit kehren auch Banker Big Ben den Rücken
Die in London in der Branche beschäftigten EU-Ausländer dürften demnächst zu tausenden Big Ben den Rücken kehren. Denn mit der Freizügigkeit, die sie in Großbritannien genießen, dürfte es nach dem Brexit ebenfalls bald vorbei sein. „Eine britische Regierung, die den Brexit umsetzen muss, kann diese Freizügigkeit kaum aufrecht erhalten“, heißt es dazu aus München. Auch aus diesem Grund würden nun von Banken und Versicherungen Standort-Alternativen ins Visier genommen. Im Gespräch seien Finanzzentren wie Dublin, Luxemburg, Paris oder Frankfurt. Doch je nach Standort heiße es: „Zu klein, zu wenig Infrastruktur, zu teuer, zu unattraktiv.“ Im Umkehrschluss heißt das also: „Doch München!“
München und Bayern sind ein starker Finanzplatz mit über 70.000 Beschäftigten. Bei Versicherungen liegt der Finanzplatz in Deutschland an erster, bei Banken an zweiter Stelle.
Finanzplatz München Initiative (fpmi)
Deutschlandweit spielt die bayerische Landeshauptstadt mit rund 70.000 Beschäftigten in der Branche längst die erste Geige: „Bei Versicherungen liegt der Finanzplatz in Deutschland an erster, bei Banken an zweiter Stelle“, betont die fpmi und verweist zudem auf die Vielseitigkeit der Stadt: Neben den Branchenriesen bei den Versicherungen und Rückversicherungen (Allianz, Munich RE) seien in München Geschäfts- und Genossenschaftsbanken sowie Sparkassen mit ihren regionalen Verbänden zu Hause. Unternehmen aus Leasing-, Venture-Capital und Factoring-Branche runden das Angebot ab, außerdem bestehen laut fpmi bereits zahlreiche Niederlassungen europäischer und amerikanischer Banken.
Weltoffene und vielfältige Stadt
Und an Kunden mangelt es sicher auch nicht: Neben den Dax-Konzernen, der IT- und Kommunikationstechnologie, der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrunternehmen und der Medienbranche verweist die Initiative unter anderen auf Apple, Google, und Microsoft, „die schon da sind“. Und natürlich auch auf Münchens Ruf als weltoffene Stadt: etwa 25 Prozent der Einwohner kommen aus dem Ausland, und die aus mehr als 180 Nationen. Wer braucht da noch London?
Es muss das Ziel sein, München als zweitwichtigsten Finanzplatz Deutschlands nachhaltig zu stärken
Finanzminister Markus Söder
Wie berichtet, hatte Bayerns Finanzminister Markus Söder gut eine Woche nach dem Brexit-Votum bereits einen Vorstoß unternommen. Er möchte die Europäische Bankenaufsicht (EBA) von der Themse an die Isar holen. In einem Brief bat er Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, sich auf europäischer Ebene für einen Umzug der Behörde und ihrer 160 Mitarbeiter stark zu machen. Es müsse das Ziel sein, München als zweitwichtigsten Finanzplatz Deutschlands nachhaltig zu stärken, sagte Söder. Frankfurt sei mit der Europäischen Zentralbank und der Versicherungsaufsicht EIOPA bereits gut bestückt. Die EBA sei für München mit seinen großen Versicherungen und 436 bayerischen Banken eine „hervorragende Ergänzung“, sagte der Bayerische Finanzminister.
Die Finanzplatz München Initiative:
In der Finanzplatz München Initiative haben sich alle wichtigen Unternehmen, Verbände, Institutionen sowie wissenschaftliche und staatliche Einrichtungen aus der Finanzbranche zusammengeschlossen, um mit einer Stimme zu sprechen. Gegründet 2000 unter maßgeblichem Engagement des bayerischen Wirtschaftsministeriums zählt die Initiative heute 50 Mitglieder und damit mehr als jede andere Finanzplatzinitiative in Deutschland.