Kritisiert die EZB: Bayerns Staatsminister Markus Söder. (Bild: StMFLH)
Draghis Nullzinspolitik

Die Zinsen müssen wieder steigen

Die CSU macht die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zum Thema. Denn Mario Draghis rücksichtslose Nullzinspolitik gefährdet die Altersvorsorge von 80 Millionen Deutschen, denen seit 2010 etwa 200 Milliarden Euro an Zinsen verloren gegangen sind. Die Schuldenstaaten im Süden nutzen den Niedrigzins nicht für bitter nötige Reformen, sondern für noch mehr Schulden. Das ist hochgefährlich.

Es sei unerträglich, dass Frankreich 50 Milliarden Euro zahlen müsse nur für Schuldzinsen, schimpfte vor etwa zwei Jahren Frankreichs Staatspräsident Franςois Hollande. Das Problem hat sich für’s erste erledigt. Jedenfalls für Präsident Hollande. Dank der Nullzinspolitik von EZB-Chef Mario Draghi muss Paris nur noch sehr viel weniger Zinsen auf Frankreichs Staatsschulden zahlen. Dafür bekommt etwa der deutsche Sparer auf seine Spareinlagen fast überhaupt keine Zinsen mehr – und zahlt dadurch im Grunde Frankreichs Schuldzinsen, ebenso wie die Italiens oder Griechenlands.

Deutsche Sparer bezahlen sozusagen Frankreichs, Italiens oder Griechenlands Schuldzinsen − mit ihrem Zinsverlust.

Und nicht zu knapp. Seit 2010 sind den deutschen Sparern mit ihren Sparbüchern, Tagesgeldkonten, Wertpapieren oder Versicherungen insgesamt etwa 343 Milliarden Euro an Zinseinkünften verloren gegangen. Das hat jetzt die DZ Bank, das Zentralinstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, errechnet. Dem stehen Zinsersparnisse bei Kreditaufnahmen, etwa beim Hausbau oder Hauskauf, von nur 144 Milliarden Euro gegenüber. Macht einen Zinsverlust von fast 200 Milliarden Euro. Für jeden Bürger bedeutet das rein rechnerisch ein Minus von 2450 Euro.

Es geht um die Altersvorsorge von 80 Millionen Deutschen

Doch es geht um viel mehr als um dieses Geld: Weil es aus demographischen Gründen dringend erforderlich ist, hält die Politik die Bürger verstärkt zur ergänzenden privaten Altersvorsorge an. Aber alle Anstrengungen der Bürger, privat vorzusorgen, wird durch die extrem lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zunichte gemacht. Es geht um die Altersvorsorge von 80 Millionen Deutschen. Erst Anfang März hat die Zentralbank den Leitzins auf 0,00 Prozent gesenkt und den Strafzins von minus 0,3 auf minus 0,4 Prozent noch weiter abgesenkt: Das müssen Banken zahlen, wenn sie überschüssige Gelder über Nacht bei der Notenbank deponieren. Dazu kommt die Aufstockung der Anleihenaufkäufe durch die EZB von monatlich 60 Milliarden auf 80 Milliarden Euro – Draghi pumpt noch mehr Milliarden in den Geldmarkt.

Die Nullzinspolitik ist ein Angriff auf das Vermögen von Millionen Deutschen, die ihr Geld auf Sparkonten und in Lebensversicherungen angelegt haben.

Bayerns Finanzminister Markus Söder

Das kann so nicht weiter gehen, fordert nun nachdrücklich die CSU. „Die Nullzinspolitik ist ein Angriff auf das Vermögen von Millionen Deutschen, die ihr Geld auf Sparkonten und in Lebensversicherungen angelegt haben“, warnt scharf Bayerns Finanzminister Markus Söder „Wir brauchen in Deutschland eine Debatte über die falsche Politik der EZB“, fordert der Minister nachdrücklich. In der Bundesregierung in Berlin drängt Verkehrsminister Alexander Dobrindt ebenso deutlich in die gleiche Richtung: „Die Europäische Zentralbank fährt einen hochriskanten Kurs“, warnt Dobrindt. In dem sie die Zinsen so niedrig halte, setze sie ein fatales Signal, so der Minister: „Nämlich, dass Vorsorge und Sparen keinen Sinn haben.“ Dobrindt hat nur zu recht: Wer heute Geld zurücklegt, also spart, wird regelrecht bestraft und verliert Geld. Eine Katatstrophe für jede Altersvorsorge und damit eine echte Bedrohung für die Bürger.

Die Europäische Zentralbank fährt einen hochriskanten Kurs.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt

Was schon jetzt schwere politische Folgen hat. Das meint jedenfalls Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Bei einer Preisverleihung in Kronberg im Taunus – Schäuble wurde mit dem Wolfram-Engels-Preis der privaten Stiftung Marktwirtschaft ausgezeichnet für seine Verdienste um die Konsolidierung der Staatsfinanzen und für sein Eintreten für das Haftungsprinzip im Euroraum – machte der Finanzminister die Nullzinspolitik der EZB stark mitverantwortlich für die Wahlerfolge der AfD. Schäuble habe Draghi gesagt, gibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Minister wieder, der EZB-Chef könne „stolz“ sein und die Hälfte der AfD-Wahlergebnisse seiner Geldpolitik zuschreiben. Die Auswirkungen der Geldpolitik nährten in Deutschland „zunehmend euroskeptische Bestrebungen“, warnt Schäuble. Niedrige Zinsen dürften nur ein vorübergehendes Phänomen sein, forderte er in Kronberg. Presseberichten zufolge will das Finanzministerium die Geldpolitik der EZB juristisch prüfen lassen, wenn Draghi die Geldpolitik noch weiter lockern ließe, um etwa sogenanntes „Helikoptergeld” unter Umgehung der Banken als Geldgeschenke für Bürger und Wirtschaft sozusagen wie vom Hubschrauber in den Markt zu werfen.

Die Schuldenstaaten streichen den Zinsgewinn ein, aber reformieren nicht

Die CSU ist entschlossen, die Debatte über ein Ende der Nullzinspolitik entschlossen zu führen. Problem: Die Unabhängigkeit der Notenbank. Ein hohes Gut, erinnert Schäuble zurecht. Als es um die Einführung des Euros ging, hat die Bundesregierung hart darum gekämpft, sie sogar zur Bedingung gemacht. Schäuble: „Die Unabhängigkeit der EZB in Frage zu stellen, halte ich nicht für klug.“ EU-Mitgliedsländer mit etatistischer Tradition, die nur darauf warten, die unabhängige Notenbank etwa einem Mehrheitsvotum des Rats der EU-Regierungschefs zu unterwerfen, gibt es genügend.

Nullzinspolitik – Schuldenunion über die Hintertür.

Genauso richtig ist allerdings auch, dass nicht sein kann, dass über eine Nullzinspolitik sozusagen über die Hintertür doch noch die Schuldenunion eingeführt wird, die sich die hochverschuldeten Südstaaten wünschen – und darum die deutschen Sparer mit ihrer Altersvorsorge die Zinsen für aus dem Ruder gelaufene Staatschulden Frankreichs oder Italiens begleichen müssen. Dazu kommt: Frankreichs Staatspräsident Franςois Hollande hat das zigmilliardenschwere Zinsgeschenk eben nicht genutzt, um zu reformieren und die Staatsausgaben zu senken (wie übrigens zum Teil auch Griechenland). Trotz nun schon jahrelanger Zins-Milliardenersparnis wird Frankreichs Haushaltsdefizit auch dieses Jahr nicht unter die längst versprochene drei-Prozent-Marke sinken. Paris gibt nicht weniger Geld aus, sondern mehr. Die Verschuldung nähert sich der 100-Prozentmarke – von unten! Was hochgefährlich ist: Denn wenn die Zinsen wieder steigen, was sie müssen und was Deutschlands Sparer zurecht fordern, geraten Frankreichs Finanzen in akute Gefahr.