Ungleiche Einkommen behindern das Wachstum keineswegs. (Foto: Fotolia/M. Schuppich)
Wirtschaftsforscher

Deutsche Einkommens-Ungleichheit ist nicht schädlich

Es ist ein Glaubenskrieg zwischen liberalen und linken Wirtschaftswissenschaftlern: Einerseits das Vertrauen auf die Marktwirtschaft und die Freiheit des Einzelnen, andererseits die Klagen über eine angeblich immer „weiter aufgehenden Schere“ zwischen Arm und Reich, ungleichen Einkommen und Vermögen. Nun hat das Institut der Wirtschaft (IW) Köln dazu einiges richtig gestellt.

„Die Dramatisierung der Verteilungssituation in Deutschland ist wenig zielführend.“ Dies ist – wissenschaftlich zurückhaltend formuliert – ein vernichtendes Urteil für alle neosozialistischen, linken Gleichheitsprediger, die Einkommens- und Vermögensunterschiede aller Art als böse, schädlich für die Gesellschaft, den Staat und so weiter definieren. Geschrieben hat diese niederschmetternde Kritik der Chef des Wirtschaftsinstituts IW Köln, Michael Hüther.

Hüther zielt damit vor allem auf die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Deutschland wiederholt zu große Ungleichheit vorgeworfen hat – ob in Sachen Bildung, in Sachen Einkommens- oder Vermögensverteilung. Dies sei schädlich fürs Wirtschaftswachstum, behauptet die OECD regelmäßig, besonders aufsehenerregend in einer Studie Ende 2014 zur Einkommensverteilung.

Die Gleichmacher von der OECD begehen massiven methodischen Fehler

Doch genau diese Annahme stimmt nicht, weist das IW nun nach – die FAZ berichtet über die Vorstellung dieser neuen Studie. Denn die OECD ist einem massiven methodischen Fehler aufgesessen, so das IW. Die OECD hatte behauptet, das Wirtschaftswachstum zwischen 1990 und 2010 hätte um sechs Prozentpunkte – knapp 80 Milliarden Euro – höher ausfallen können, wäre die Einkommensverteilung in diesen zwanzig Jahren gleichgeblieben. Doch das ist laut IW schlicht falsch.

Die OECD-Studie werfe nämlich arme und reiche Länder mit völlig unterschiedlicher Ausgangslage in einen Topf und leite daraus einen vermeintlich allgemeinen Zusammenhang ab, der aber nicht existiere, so das IW laut FAZ. Der Zusammenhang lasse sich in jedem Fall nicht auf Länder wie Deutschland übertragen. Wie IW-Direktor Hüther kritisierte, fehle außerdem der Nachweis, dass der gemessene Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum etwas über Ursache und Wirkung aussage.

Befund für Deutschland ist „nicht haltbar“

Der Befund der OECD für Deutschland sei schlicht „nicht haltbar“, fasste Hüther die Untersuchung seines Instituts zusammen. Dies gelte umso mehr, als die umstrittene OECD-Studie aus einer unklaren Datenlage auch noch die fragwürdige Schlussfolgerung ziehe, dass das Ausmaß der staatlichen Umverteilung durch Steuern und Sozialtransfers – anders als die Ungleichheit – keinen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum habe.

Zum Hintergrund zitiert die FAZ den IW-Chef, die Studie seines Instituts, das auf ganz ähnlicher Datengrundlage aufbaue, habe ergeben, dass der Wachstumsschaden durch ungleiche Einkommen allenfalls in armen Entwicklungsländern gelte, die weniger als 9000 US-Dollar pro Einwohner und Jahr erwirtschaften. Und sie gelte möglicherweise bei Ländern, in denen die Einkommen wesentlich ungleicher verteilt seien als in Deutschland.

Die Einkommen haben sich angenähert

Zur Messung der Einkommens-Ungleichheit gibt es einen statistischen Wert namens „Gini-Koeffizient“. Er liegt zwischen 0 und 1, wobei der Wert 0 eine theoretische vollständige Einkommensgleichheit aller Einwohner bedeutet, die es in keinem Land der Welt gibt. In Deutschland sei dieser Wert zwischen 2005 und 2010 von 0,30 auf 0,29 gesunken, die Einkommen hätten sich also angenähert, im Gegensatz zur Diagnose der OECD. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt übrigens 0,03 Punkte höher. „Einfache Schwarzweiß-Malerei hilft hier nicht weiter“, zitiert die FAZ den IW-Direktor.

Denn das IW hat festgestellt, dass Einkommensunterschiede möglicherweise ab 0,35 aufwärts schädlich fürs Wachstum sein könnten. Das könnte beispielsweise für die USA gelten, wo ein Wert von etwa 0,40 herrscht – hier gibt es also deutlich größere Differenzen zwischen niedrigen und hohen Einkommen als in Deutschland. Allerdings hat man in den Vereinigten Staaten noch nie ernsthafte Forderungen nach massiven staatlichen Umverteilungen wie von der deutschen Sozialdemokratie gehört.

FAZ/wog