Bartholomäus Kalb, der Haushalts-Experte der CSU im Bundestag. (Foto: Imago/Wolf P. Prange)
Barthl Kalb

Zeit für Steuersenkungen

Interview Einige CSU-Bundestagsabgeordnete treten am 24. September nicht mehr zur Wahl an. Sie blicken auf Jahrzehnte intensiver Arbeit für den Bürger zurück. Dem BAYERNKURIER gaben sie zum Abschied aus dem Hohen Haus ein Interview. Heute: Bartholomäus Kalb.

Herr Kalb, Sie waren viele Jahre Bundestagsabgeordneter, zuvor bereits von 1978 bis 1986 Landtagsabgeordneter. In Ihre aktive Zeit fällt die deutsche Wiedervereinigung, aber auch ein grundlegender Wandel der Gesellschaft. Wenn sie Deutschland heute grundsätzlich mit dem Deutschland 1987 vergleichen – was ist besser, was ist schlechter?

Wenn man Deutschland beurteilen will, muss man den gesamten Entwicklungsprozess des Landes betrachten und zwar in direkter Abhängigkeit von der internationalen Entwicklung und im Rahmen des Globalisierungsprozesses. Wir leben nun mal nicht auf einer Insel. Ohne Zweifel ist für mich die Beendigung des Kalten Krieges, der Konfrontation von Ost und West eine großartige Wendung der Nachkriegsgeschichte. Noch heute empfinde ich es als Glück und als Segen, dass die Teilung unseres Landes und unseres Kontinentes durch Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl friedlich überwunden werden konnte. Große Anstrengungen waren erforderlich, aber Deutschland steht heute wirtschaftlich gut da und ist angesehener und verlässlicher Partner in der Welt. Das muss man einfach anerkennen. Die große Geschwindigkeit der Veränderungen – ausgelöst durch technologische Entwicklung, Digitalisierung und Globalisierung – führt in Teilen der Bevölkerung zu Besorgnissen. Diese dürfen aber nicht dazu führen, dass unsere Gesellschaftsordnung und unsere Demokratie grundsätzlich in Zweifel gezogen werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Politiker immer wieder das Gespräch mit dem Bürger suchen. Persönliche Kontakte zu den Menschen in meinem Wahlkreis sind für mich sehr wichtig, sie bilden die Grundlage für das Vertrauen. Man kann viel twittern und posten – ein persönliches Gespräch ersetzt das nicht. Dass das Vertrauen in die Politik abgenommen hat, ist keine gute Entwicklung. Daran müssen wir als Politiker auf jeden Fall arbeiten.

Sie waren über viele Jahre der Chefhaushälter der CSU-Landesgruppe. Allgemein nimmt man an, dass das ein sehr nüchternes Politikfeld ist, womit man anderen Fachpolitikern und Interessenvertretern immer wieder die Sparzwänge verteidigen muss. Stimmt das?

Nein, das stimmt nicht. Die Beschäftigung mit dem Bundeshaushalt ist keinesfalls eine nüchterne Angelegenheit. Hinter den Zahlen stehen Prozesse und hinter den Prozessen stehen Menschen, die diese gestalten. „Gestaltung“ ist dabei vielleicht das Wort, das es am besten beschreibt: Der verantwortungsbewusste, sorgfältige Umgang mit dem Geld, das unsere Menschen erarbeiten, ist in jeder Hinsicht ein interessanter und auch kreativer Prozess, der im Interesse unserer Bürger von uns Haushältern gestaltet werden muss. Die Gratwanderung zwischen sinnvollem Sparen und notwendiger Investition in die Zukunft ist dabei oft sehr schwierig. Aktuelle Probleme müssen gelöst, zukünftige Entwicklungen bedacht werden. Keine einfache, aber eine sehr interessante Herausforderung.

In erster Linie ist die ’schwarze Null‘, also ein Haushalt ohne neue Schulden, denjenigen zu verdanken, die jeden Tag aufstehen, zur Arbeit gehen und das Geld erwirtschaften.

Bartholomäus Kalb

Ein historischer Erfolg markiert Ihre Amtszeit – der Bundeshaushalt hat die „schwarze Null“ geschafft, erstmals nach 40 Jahren wieder. Der letzte Finanzminister, der das schaffte, war Franz-Josef Strauß. Ist das nur der guten Konjunktur und den niedrigen Zinsen zu verdanken, oder auch politischen Maßnahmen?

In erster Linie ist die „schwarze Null“, also ein Haushalt ohne neue Schulden, denjenigen zu verdanken, die jeden Tag aufstehen, zur Arbeit gehen und das Geld erwirtschaften, das es uns bereits im Jahr 2014 ermöglicht hat, das erste Mal seit 40 Jahren wieder einen ausgeglichenen Etat zu erreichen. Durch die solide Haushaltspolitik von Bundesregierung und Parlament, ist es gelungen, diese positive Entwicklung fortzusetzen. Ich glaube, der Satz von Wolfgang Schäuble: „Wir müssen darauf achten, dass wir unsere Zukunftsfähigkeit bewahren“, drückt am besten aus, worum es dabei geht.

Die Regierung Merkel sieht sich manchmal dem Vorwurf ausgesetzt, sie habe den langanhaltenden Aufschwung von der Regierung Schröder geerbt – durch die „Agenda 2010“ – dann aber selbst eher Umverteilungs-Politik gemacht, Sozialausgaben und Staatsquote wieder erhöht. Wie sehen Sie das?

Ich darf darauf verweisen, dass die Agenda 2010 von CDU/CSU und von den unionsgeführten Ländern im Bundesrat unterstützt wurde. Ohne einen solchen überparteilichen Konsens wäre eine solche Reform nicht möglich gewesen. Deutschland galt damals als der „kranke Mann“ Europas. Wichtige Reformen, sparsame Haushaltsführung und die erfolgreiche Bewältigung der Wirtschafts-, Finanz- , Banken- und der europäischen Schuldenkrise haben letztlich dazu geführt, dass wir heute die höchste Zahl an Erwerbstätigen und an versicherungspflichtig Beschäftigten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben. Das führt natürlich auch zu der guten Einnahmesituation der öffentlichen Kassen. Das ermöglicht uns jetzt, mehr in Bildung und Infrastruktur zu investieren. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ist das für die Zukunftssicherung unerlässlich.

Durch den Abbau des sogenannten Mittelstandsbauches sollen vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlastet werden.

Bartholomäus Kalb

Nachdem der Gesamtstaat nun 19 Milliarden Euro Überschuss erzielt hat, davon allein der Bund 6,2 Milliarden, und die Steuereinnahmen wahrscheinlich weiter steigen – wäre es da nicht an der Zeit, die Steuern vor allem für die Mittelschicht und die Familien mit Kindern kräftig und nachhaltig zu senken?

Die CSU-Landesgruppe hat schon im Frühjahr 2016 ein, wie ich meine, sehr stimmiges Konzept für eine Steuerreform vorgelegt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer Reform des Einkommensteuertarifes. Durch den Abbau des sogenannten Mittelstandsbauches sollen vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlastet werden. Unsere Vorstellungen stimmen mit denen der Bayerischen Staatsregierung überein. Durch die sparsame Haushaltsführung und die gute Einnahmeentwicklung haben wir Spielräume geschaffen, die uns in den nächsten Jahren eine spürbare Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommensbezieher und von Familien ermöglichen.

Die momentanen Steuerpläne der Union, Ausgleich der kalten Progression, langsames Abschmelzen des Soli, sind erfreulich für die Steuerzahler. Doch scheinen sie, verglichen mit früheren forscheren Plänen der Union – Steuerkonzepte von Merz und Kirchhof – eher bescheiden. Ist der Union in diesem Punkt der Mut abhanden gekommen?

Und was ist aus diesen großartigen Konzepten geworden? Nichts! Wir stehen in der Verantwortung und müssen realistische und umsetzbare Vorschläge machen. Ich darf daran erinnern, dass die SPD zu Beginn der Legislaturperiode massive Steuererhöhungen und höhere Schulden durchsetzen wollte. Beides haben wir erfolgreich verhindert. Eine Steuerreform braucht immer die Zustimmung einer Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Die SPD-geführten Länder lehnen bisher jede steuerliche Entlastung ab. Ich sage aber voraus: Angesichts der Entwicklung der Steuerquote und der Bedingungen für junge Fachkräfte wird sich auch die SPD in den kommenden Jahren einer Reform nicht mehr verweigern können.