Dr. Hans-Peter Uhl (CSU) am Rednerpult des Bundestages. (Foto: Deutscher Bundestag/ Thomas Koehler/photothek.net)
Hans-Peter Uhl

Sternstunden und dunkle Tage

Gastbeitrag Einige CSU-Bundestagsabgeordnete treten am 24. September nicht mehr zur Wahl an. Sie blicken auf Jahrzehnte intensiver Arbeit für den Bürger zurück. Der BAYERNKURIER hat sie gebeten, ihre Sternstunden im Bundestag zu schildern. Heute: Hans-Peter Uhl.

In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling – Still, auf gerettetem Kahn treibt in den Hafen der Greis.

Friedrich Schiller

Mit Blick auf dieses Dichterwort kann ich sagen, ich habe Glück gehabt. Von meiner Wahl in den Münchner Stadtrat 1978 bis zu meiner nun zu Ende gehenden Arbeit im Deutschen Bundestag war ich von guten Winden getragen und von wirklichen Widrigkeiten nicht angefochten.

Es war bereits eine glückliche Fügung, mit 33 Jahren in den Stadtrat der Landeshauptstadt München gewählt zu werden. Nach der Bayerischen Gemeindeordnung sind die Gemeinderäte kein Parlament, sondern die Spitze der Verwaltung, von ehrenamtlich tätigen Bürgern gebildet. Wenn auch die Aufblähung dieser Gremien, so etwa in München seit der Nachkriegszeit von 40 auf 80 Mitglieder, und die zunehmende Parteipolitisierung oft zu einer quasi parlamentarischen Wirklichkeit führt, ist es doch eine Aufgabe besonderer Art, ehrenamtlicher Stadtrat zu sein. Man ist gezwungen, seine Anträge und Überlegungen an der verwaltungsmäßigen Durchführbarkeit zu messen und kann andererseits im Zusammenwirken mit der Verwaltung für die Bürger vieles unbürokratisch erreichen.

Überraschender Sieg gegen Christian Ude

Die Bayerische Gemeindeordnung, die sicher den besten kommunalverfassungsrechtlichen Rahmen in Deutschland bietet, gibt dem Stadtrat aber auch die Möglichkeit berufsmäßige Kollegen hinzu zu wählen. 1987 schickte mich meine Fraktion, angesichts einer rot-grünen Mehrheit scheinbar aussichtslos, in das Rennen um den Posten des Kreisverwaltungsreferenten (Leiter der Sicherheits- und Ordnungs-, Einwohnermelde-, Straßenverkehrs- und Brandschutzbehörde). Völlig überraschend gewann ich diese geheime Wahl gegen Christian Ude, den Kandidaten der SPD und der Grünen, weil außer den Stimmen meiner Parteifreunde auch die Stimmen der FDP und einige Stimmen der SPD, gerüchteweise auch die des Oberbürgermeisters Kronawitter, auf mich fielen. Wenn ein schönes Ereignis völlig überraschend eintritt, bleibt es unvergessen. Wenn mich der BAYERNKURIER also nach Sternstunden meines politischen Lebens fragt, gehört dieser Nachmittag des 16. April 1987 sicher dazu.

Aus meiner zwölfjährigen Amtszeit als Münchner Kreisverwaltungsreferent greife ich zwei Erfolge heraus. Zum einen konnte ich eine Zentrale Rettungsleitstelle für die Stadt und den Landkreis München gründen, die ich gegen heftige Widerstände bei der Münchner Berufsfeuerwehr ansiedelte. Dadurch wurde das unschöne und gefährliche Konkurrenzverhalten der verschiedenen Rettungsorganisationen beendet, mit 112 eine einheitliche Notrufnummer und eine schnellstmögliche Alarmierung geschaffen und die Aufnahmepflicht der Krankenhäuser, auch bei sogenannten „unrentablen“ Notfallsituationen, durchgesetzt. Dieses Modell wurde schnell zum Pilotprojekt für den gesamten Freistaat.

Politik ist eben immer auch ein Faszinosum.

Hans-Peter Uhl

Zum anderen konnte ich gegen erheblichen politischen, juristischen und medialen Widerstand die Abschiebung eines jugendlichen Intensivtäters, der als „Mehmet“ bekannt wurde, in sein Heimatland Türkei durchsetzen. Das Strafregister von „Mehmet“ war 1000 Seiten dick. Er terrorisierte, erpresste und verletzte seine Klassenkameraden, beging Raubüberfälle, Diebstähle und Einbrüche, brach Autos auf, schlug seine Opfer zusammen und bedrohte sie mit Messern. Dennoch nannte der Vorsitzende des Münchner Ausländerbeirats mein Vorgehen einen „Aufruf zur Ausländerverfolgung“. Dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein gilt bis heute mein Dank für seine Unterstützung.

Visa-Ausschuss durchleuchtete Joschka Fischers Schlampereien

In meiner Zeit im Deutschen Bundestag seit 1998, und zwar als direkt gewählter Abgeordneter des Bundeswahlkreises München-West/Mitte, gab es für mich besonders als Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von 2005 bis 2014 viel gesetzgeberische Arbeit, auf die ich hier im Einzelnen nicht eingehen kann. Bisweilen ist es mir gelungen, bei den wechselnden Koalitionspartnern ein Gefühl dafür zu wecken, dass „Law and Order“ in einem demokratischen Rechtsstaat und unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rahmenbedingung für die Freiheit und nicht deren Bedrohung ist.

Der Untersuchungsausschuss bestätigte den Verdacht, dass die Visapolitik Schleusungen begünstigt hat.

Hans-Peter Uhl

Sehr gerne erinnere ich mich an meine Aufgabe als Vorsitzender des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Visa-Affäre in den Jahren 2004 und 2005. Er war eingesetzt worden, um die Visaerteilung unter Rot-Grün seit Oktober 1998 zu untersuchen. Im Mittelpunkt stand der Erlass des Auswärtigen Amtes vom März 2000, mit dem die Botschaften angewiesen wurden „im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu entscheiden. Der Untersuchungsausschuss bestätigte den Verdacht, dass die Visapolitik Schleusungen begünstigt hat. Das Auswärtige Amt und Minister Joschka Fischer haben „durch eine verfehlte und ideologisch motivierte Visa-Politik Schleppern und Menschenhändlern ihr Handeln erleichtert“, wie es in der Bewertung von Union und FDP zutreffend hieß. Nicht so gerne erinnere ich mich daran, dass die polizeiliche Auswertung von Akten der NSU-Täter ergab, dass diese mein früheres Münchner Wahlkreisbüro aufgesucht und detailgenau ausspioniert haben.

Flüchtlingskrise 2015 als Krise des Parlamentarismus

Politisch gehört es zu meinen unguten Erlebnissen, dass die Flüchtlings- und Einwanderungsproblematik des letzten Jahres auch eine Krise des deutschen Parlamentarismus war. Überwachung der Regierung und Festlegung ihres Handlungsrahmens bei wesentlichen politischen Fragen ist Verfassungspflicht des Parlaments. Diese Aufgabe hat der Bundestag nicht erfüllt. Als Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion konnte ich mich mit meinen Hinweisen und Aufforderungen auch in den eigenen Reihen nicht durchsetzen. Politik als das Bohren dicker Bretter mit Augenmaß und Vernunft (Max Weber) bringt eben manchmal auch Enttäuschungen mit sich.

Ich sehe mein Politikerleben als eine schöne Zeit.

Hans-Peter Uhl

Erfreulicherweise waren solche Enttäuschungen in meinem politischen Leben aber doch sehr die Ausnahme. Und Politik ist eben immer auch ein Faszinosum. So konnte ich als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses viele Gespräche mit nicht nur bedeutenden, sondern auch geistreichen und amüsanten ausländischen Politikern, Wirtschaftsführern und Künstlern führen. Und grundsätzlich ist zu sagen: Wenn es im politischen Betrieb Ärger gab, wurde er durch die vielen Erfolge bei der Durchsetzung von Bürgeranliegen zumindest stimmungsmäßig rasch wieder ausgeglichen. Ich sehe mein Politikerleben als eine schöne Zeit.