Die CSU führt derzeit eine Mitgliederbefragung durch. (Bild: A.Schuchardt)
Volksentscheid

Mitmachpartei CSU

In der CSU findet derzeit eine Mitgliederbefragung statt, ob sich die Partei für Volksentscheide auf Bundesebene einsetzen soll. Parteichef Horst Seehofer spricht sich klar dafür aus. Er wolle möglichst viel "Koalition mit den Menschen".

Die CSU befragt derzeit ihre rund 144.000 Mitglieder zur Einführung von bundesweiten Volksentscheiden. 5000 haben bereits abgestimmt. Sollte das Votum die Ansicht stützen, soll der Punkt auch im neuen Grundsatzprogramm der Partei festgeschrieben werden. In der Folge würde die CSU sich dann auf Bundesebene für mehr direkte Demokratie einsetzen. Bislang sind in Deutschland nur auf Länderebene Volksentscheidungen möglich. Mit Entscheiden sollen teils langwierige Streitthemen durch die Kraft des Bürgervotums friedlich gelöst werden.

Bayern hat mit seinen bisher 19 Volksentscheiden gute Erfahrungen gemacht.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich in den vergangenen Wochen wiederholt für mehr Partizipationsmöglichkeiten der Bürger ausgesprochen. Er argumentierte, die direkte politische Beteiligung der Bürger über Volksbefragungen, Volksentscheide und Bürgerbegehren sei Kern seiner Politik. Er wolle möglichst viel „Koalition mit den Menschen“. Auch das Votum für den EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) änderte daran nichts. Man könne Grundfragen nicht davon abhängig machen, ob eine Umfrage gerade mal positiv oder negativ ausgehe, sagte er.

Man kann eine solche Grundfrage – Teilhabe der Bevölkerung an den politischen Prozessen – nicht davon abhängig machen, ob eine Wahl oder eine Umfrage gerade mal positiv oder negativ ausgeht.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Bürgerentscheide meistens gegen ein Projekt

Bisher gab es in Bayern zudem über 1700 Bürgerentscheide. Diese Möglichkeit eines Plebiszites auf kommunaler Ebene gibt es allerdings erst seit 1995 – und es werden immer mehr. Jüngste Beispiele: am 9. Oktober stimmten die Aschheimer mit 87 Prozent gegen die Verlagerung des Münchner Schlachthofs in ihre Gemeinde. Gleichzeitig lehnten in Schliersee 55 Prozent der Bürger den Neubau des Pflegeprodukte-Herstellers Sixtus ab. Die Liste an Beispielen lässt sich fortführen, die sich oft um Bauprojekte drehen. Prominentestes Beispiel: Der Münchner Bürgerentscheid von 2012, mit dem die dritte Startbahn am Münchner Flughafen abgelehnt wurde – obwohl der Airport nicht mal auf Münchner Stadtgebiet liegt, sondern die Stadt nur als Gesellschafter beteiligt ist.

Klar, dass die bayerische Wirtschaft dem Instrument kritisch gegenübersteht. So sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, im Münchner Merkur, dass mit dem Einsatz von Volksentscheiden behutsam umgegangen werden müsse. Es gibt jedoch auch Beispiele, wo die Bürger sich für etwas entschieden, wie derzeit in Mittenwald. Dort wollen sie erreichen, dass die Schließung eines Schwimmbades rückgängig gemacht wird. Oder in Freising, dort stimmten die Anwohner grundsätzlich für die Ansiedlung von Gewerbe.

Reicht ein „Ja“ oder „Nein“?

In der Schwesterpartei CDU steht man den bundesweiten Volksentscheiden skeptisch gegenüber. Die repräsentative Demokratie wie in Deutschland mit dem Bundestag habe sich „wahrhaftig bewährt“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Anfang Juli. Schon während der Koalitionsverhandlungen 2013 hatte sie Überlegungen von CSU und SPD eine Absage erteilt. Aber nicht nur in der CDU, auch in der CSU regt sich Widerstand gegen Volksentscheide. Nicht alle komplexen Fragen nationaler Politik ließen sich mit einem einfachen Ja oder Nein entscheiden, sagt Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung. Zudem werde die Verantwortung von der Politik an den Bürger weitergereicht, kritisierte er.

Nicht alle komplexen Fragen nationaler Politik lassen sich mit einem einfachen Ja oder Nein entscheiden.

Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Straubinger verwies darauf, dass große Entscheidungen in der Geschichte des Landes – von der Wiederbewaffnung über die Nato-Nachrüstung – mit einem Volksentscheid nicht hätten umgesetzt werden können – obwohl diese Entscheidungen richtig waren. Auch europäische Fragen dürften hierunter fallen. Die positive Entwicklung unseres Landes sei mit der repräsentativen Demokratie verbunden, nicht mit Volksentscheiden, betonte er. Der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete und Innenpolitiker Florian Herrmann argumentierte dagegen. Dem Münchner Merkur sagte er, die Politik könne sich nicht vor der Meinung der Bürger wegducken.

Gegen Volksentscheide wird auch eingewendet, dass sie – wie in der Regel bei Bürgerentscheiden – nur eine niedrige Beteiligung haben werden und daher nicht zu repräsentativen und befriedenden Ergebnissen führen würden. Es könnte zudem zu einer Herrschaft der aktiven Minderheiten kommen. Auch historisch gibt es Negatives zu berichten: In der Weimarer Republik waren die Volksentscheide (Fürstenenteignung – Initiator KPD und SPD; Panzerkreuzerverbot – Initiator KPD; Young-Plan/Reparationen – Initiator DNVP, DVP und NSDAP) immer die Stunde der Populisten und führten zu einer noch tieferen Spaltung des Landes.

CSU-Mitgliederbefragung

In der CSU findet derzeit eine Mitgliederbefragung statt, ob sich die Partei für Volksentscheide auf Bundesebene einsetzen soll. Das Ergebnis soll bis zum Parteitag Anfang November vorliegen. Stimmt die Mehrheit der Mitglieder mit Ja, soll die Forderung ins neue Grundsatzprogramm der CSU aufgenommen werden, das der Parteitag beschließen soll. Die Stimmzettel der CSU-Mitglieder sollen bis zum 4. November ausgezählt werden. 5000 der rund 144.000 Mitglieder haben bereits abgestimmt (Stand: 14. Oktober).