Anderer Ansicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht neben dem Fraktionsvorsitzenden der CSU im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, während der jährlichen Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Bild: Imago/Alternate
Bilanz Kreuth

Die Menschen wollen nicht, dass sich unser Land verändert

Zum Abschluss der Klausurtagung in Wildbad Kreuth mahnt Horst Seehofer erneut eine Wende in der Flüchtlingspolitik an. Für Bayern garantiert der Ministerpräsident, der Freistaat werde das sicherste Land bleiben. Zusammen mit dem frisch wiedergewählten CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer zieht er eine positive Bilanz der Kreuther Klausur und verspricht, den Druck auf Berlin aufrecht zu halten.

Das Jahr 2016 müsse in der Flüchtlingspolitik die Wende bringen. „Die Zeit zum Handeln ist gekommen.“ Mit diesem Appell wandte sich Horst Seehofer in seiner Grundsatzrede zum Abschluss der Klausurtagung in Wildbad Kreuth an die CSU-Landtagsabgeordneten. Seine Partei, so Seehofer, habe über den Jahreswechsel still gehalten. Dann sei die dramatische Silvesternacht in München gekommen. Dann die Ereignisse von Köln. Jetzt gebe es psychologisch und politisch eine neue Lage. Die Bevölkerung sei gespalten und tief beunruhigt. Die Radikalen würden gestärkt. Nicht nur das Recht erodiere, sondern auch der Grundkonsens im Land. Über Jahrzehnte seien die Deutschen gewesen stolz auf den großen inneren Frieden, die Soziale Marktwirtschaft, das ehrenamtliche Engagement, das konfliktdämpfende Wirken großer Volksparteien. Doch jetzt sei das Vertrauen in den Rechtsstaat, das Gefühl von Maß und Mitte in der deutschen Politik am Boden. Das treibe vor allem die „normalen, kleinen Leute“ um.

Bayern zeigt Sicherheit durch Stärke

Realität in Deutschland sei, dass ein Sex-Mob vor dem größten Wahrzeichen der christlich-abendländischen Wertetradition marodiere und den deutschen Rechtsstaat verhöhne. Realität sei auch, dass ein in Deutschland aufgenommener Asylbewerber sich hinter sieben Scheinidentitäten verbergen und ein Attentat in Paris versuchen könne.

Die Welt, so Seehofer, schüttele den Kopf über die sonst so ordnungsverliebten Deutschen. Für Bayern gab der CSU-Vorsitzende eine „Staatsgarantie“: Bayern werde das sicherste Land bleiben. Dies habe die Silvesternacht gezeigt: In Köln hätte über Stunden Anarchie geherrscht. In München seien binnen zwei Stunden 500 Beamte vor Ort gewesen. Das sei Sicherheit durch Stärke.

Das Vertreten nationaler Interessen ist Konsens in Europa

Seehofer erklärte, dass Deutschland natürlich eine humane Verantwortung und eine europäische Verantwortung habe. Aber es existiere auch eine nationale Verantwortung. Es gebe auch Interessen der einheimischen Bevölkerung. Nationale Interessen zu wahren, sei Konsens in Europa. Das sei der Amtseid in jedem Land dieser Erde. Nur eine Balance aus von Humanismus und Realismus, von nationaler Interessenvertretung und internationaler Verantwortung schaffe Vertrauen nach innen und außen.

Wer sich nicht korrigiert, der wird von den Wählern korrigiert.

Horst Seehofer

Seehofer widerholte die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. Die Zahl von 200.000 Flüchtlingen habe er wohlüberlegt definiert. Das bedeute 200.000 Menschen jedes Jahr mit echter Bleibeperspektive, 200.000 jedes Jahr, die auf längere Zeit integriert werden müssten. Er orientiere sich bei dieser Obergrenze an den Erfahrungen in den 90er Jahren mit den damaligen Flüchtlingen vom Balkan. Der Partei-Vorsitzende kritisierte, es sei unverständlich, warum man in der Notlage im September nicht von Anfang an die Lasten gerecht verteilt habe. Unter Partnern sei das eine Selbstverständlichkeit. Niemand verstehe, warum man diesen Fehler nicht korrigiert werde. Wer sich nicht korrigiere, so Seehofer, der werde von den Wählern korrigiert.

Seehofer fordert ein drittes Asylpaket

Seehofer forderte ein Paket konkreter Maßnahmen, die jetzt sowohl national als auch international umgesetzt werden müssten. So müsse der Kreis der sicheren Herkunftsstaaten massiv ausgeweitet werden, der Familiennachzug klar begrenzt werden. Über nationale Obergrenzen müssten Flüchtlinge und internationale Kontingente von den Hotspots aus auf Europa verteilt werden. Dazu brauche es die Sicherung der EU-Außengrenzen durch die Grenzschutzagentur Frontex sowie ein wehrhaftes Mandat zur Grenzsicherung auf See. Sollte es in Ländern wie Afghanistan und Syrien zu Schutzzonen kommen, müssten Flüchtlinge dorthin zurückgeführt werden.

Kein Grundgesetz, kein Europarecht, kein Völkerrecht, kann von Deutschland verlangen, völlig grenzenlos alle vom Schicksal geschlagenen Menschen dieser Welt aufzunehmen.

Horst Seehofer

Seehofer verlangte zudem, die Anreize für Armutszuwanderung zu verringern. Die Vorschläge des britischen Premierministers David Cameron hätten seine volle Zustimmung. Die Wohnsitznahme von Migranten müsse gesteuert werden. Das Grundrecht auf Asyl, so Seehofer, bedeute nicht, dass sich jeder frei aussuchen könne, wo er Schutz und Obhut finde.

Neben dem Asylpaket zwei, so Seehofer, brauche es ein drittes Asylpaket. Das müsse den Durchbruch bringen im nationalen Recht. Kein Grundgesetz, kein Europarecht, kein Völkerrecht, erklärte Seehofer, könne von verlangen, völlig grenzenlos alle vom Schicksal geschlagenen Menschen dieser Welt aufzunehmen.

„Für die Fraktion waren es vier Glanztage in Kreuth“

Bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Klausurtagung lobte der Ministerpräsident die Landtagsfraktion und deren Vorsitzenden Thomas Kreuzer für die geleistete Arbeit und das geschlossene Auftreten, auch gegenüber der Bundeskanzlerin. „Für meine Fraktion waren es vier Glanztage hier in Kreuth“, sagte Seehofer. Gerade die Diskussionskultur im Gespräch mit der Bundeskanzlerin, dabei hatte sich eine große Zahl von Abgeordneten zu Wort gemeldet, haben dem Ministerpräsidenten gefallen. „Mein Herz war stolz“, sagte Seehofer – und zollte der Fraktion seinen Respekt für ihre Präsentation.

Kreuzer als Fraktionschef im Amt bestätigt

„Die Fraktion ist in Bestform“, stellte der CSU-Chef fest und hob dabei auch die Rolle des alten und neuen Fraktionschefs Thomas Kreuzer hervor. Wie bei seiner ersten Wahl vor zwei Jahren sprachen sich 98 Prozent der Abgeordneten für den Schwaben aus. Auch Kreuzers Stellvertreter, Gudrun Brendel-Fischer, Kerstin Schreyer-Stäblein, Karl Freller und Josef Zellmeier, wurden in ihrem Ämtern bestätigt und bilden für weitere zweieinhalb Jahre die Fraktionsspitze.

Die Bundeskanzlerin setzt weiter auf eine europäische Lösung. Diese scheint aber in absehbarer Zeit nicht umsetzbar zu sein.

Thomas Kreuzer

Thomas Kreuzer pflichtete dem Parteichef und dessen Ausführungen zur Asylpolitik bei. Auf der ganzen Welt gebe es keinen Staat und keinen Kontinent, in den man ohne irgendeine Form von Kontrolle oder Überblick ein- und ausreisen könnte, so der Fraktionschef. Daher sieht Kreuzer keine Alternative zu nationalen Maßnahmen zur Grenzsicherung. „Die Bundeskanzlerin setzt weiter auf eine europäische Lösung. Diese scheint aber in absehbarer Zeit nicht umsetzbar zu sein“, sagte Kreuzer. Deswegen sei die Bundesregierung zu Grenzsicherungsmaßnahmen verpflichtet.

Kritik an Entscheidung des Bundes gegen bayerische Polizei an den Grenzen

Sowohl Kreuzer als auch Seehofer kritisierten die anhaltende Weigerung der Bundesregierung, das Angebot des Freistaats anzunehmen und bayerische Landespolizisten zur Sicherung der Bundesgrenzen einzusetzen. Die schweren Fehler, die in Berlin gemacht würden, müssten schnellstens abgestellt werden, betonte Seehofer. Gerade das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei dabei das Kernproblem. „Die Bundesregierung hat es zu lange versäumt, genug Personal einzustellen und die Anträge zu bearbeiten“, sagte der Ministerpräsident. Aktuell seien 660.000 Anträge beim BAMF noch nicht bearbeitet – und weitere Hunderttausende seien noch nicht einmal gestellt worden. Seehofer reagierte auch auf die aus Berlin kommende Forderung, die Bundesländer müssten die Zahlen ihrer Abschiebungen drastisch erhöhen. „Solche Forderungen sind nichts als Schall und Rauch“, so der CSU-Chef. Aufgrund der langen Verffahren beim BAMF würden nicht genug Ablehnungsbescheide vorliegen, die die rechtliche Grundlage für die Rückführung in die Heimatländer bilden.

Die Menschen wollen nicht, dass Bayern oder Deutschland zu einem anderen Land wird.

Horst Seehofer

Gestörtes Vertrauensverhältnis belastet Koalition

Die Arbeit innerhalb der Großen Koalition werde durch die Differenzen in der Flüchtlingsfrage durchaus beeinträchtigt, gab Seehofer zu. „Wir sind in einer ernsten Lage.“ Zwar verwies Seehofer auf die sieben Jahre der Kanzlerschaft Angela Merkels, in denen die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert habe. Seit September sei die Zusammenarbeit aber „ein mühsames Feld“, das viel Geduld erfordere. Dass das Vertrauensverhältnis jetzt gestört sei, sei ein Thema, „dass mich ungeheuer belastet“, sagte Seehofer. Als langjähriger Parteisoldat wünsche er sich immer einen politischen Erfolg für das bürgerlich-konservative Lager. Dafür sei man selbstverständlich auch bereit, bei den laufenden Wahlkämpfen, etwa in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz, mitzuhelfen, „wenn wir eingeladen werden“. Noch wichtiger als die Erfolge der Parteifreunde sei es für ihn aber, seine politische Integrität zu bewahren, betonte der Ministerpräsident. „Ich kann bei dem, was ich von den Menschen höre, die Bevölkerung und auch die Politiker auf allen Ebenen nicht verraten oder verleugnen.“ Und diese hätten, so Seehofer, eine klare Botschaft an die Entscheidungsträger in Land und Bund: „Die Menschen wollen nicht, dass Bayern oder Deutschland zu einem anderen Land wird.“

(Thomas Röll / Dominik Sauter)