„Jetzt ist der starke Staat gefordert“
Nach den massenhaften Angriffen auf Frauen in der Silvesternacht müssen aus Sicht der Bundesregierung die Asylgesetze verschärft sowie Polizei und Justiz gestärkt werden. Neben einer Verschärfung des Aufenthaltsrechts und der Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber sollen auch wieder mehr Beamte auf Streife sein. In Köln ist die Zahl der Anzeigen unterdessen auf über 500 angestiegen.
Übergriffe von Köln

„Jetzt ist der starke Staat gefordert“

Nach den massenhaften Angriffen auf Frauen in der Silvesternacht müssen aus Sicht der Bundesregierung die Asylgesetze verschärft sowie Polizei und Justiz gestärkt werden. Neben einer Verschärfung des Aufenthaltsrechts und der Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber sollen auch wieder mehr Beamte auf Streife sein. In Köln ist die Zahl der Anzeigen unterdessen auf über 500 angestiegen.

Im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen in der Sylvesternacht liegen der Kölner Polizei mittlerweile mehr als 500 Anzeigen vor. Das teilte die Behörde, deren bisheriger Chef Wolfgang Albers im Zuge der Enthüllungen um das Verhalten der Polizei in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war, jetzt mit. In etwa 40 Prozent der Fälle geht die über 100 Beamte starke Ermittlungsgruppe unter anderem möglichen Sexualstraftaten nach. In ganz Deutschland sollen es mehr als 700 Anzeigen sein.

Koalition fordert mehr Beamte – de Maiziére: „Herkunft der Täter muss offengelegt werden“

Unterdessen setzt sich in der Spitze der großen Koalition der Wunsch nach mehr Polizeipräsenz und stärkeren Regeln für Asylbewerber immer mehr durch. CSU-Chef Horst Seehofer sagte im Münchner Presseclub, er sei dafür, „dass man die Strafen verschärft“. Die Vorfälle in Köln und anderen Städten – darunter auch in München und Nürnberg – seien „widerwärtig“, da gelte „null Toleranz“.

Seehofer: „Rechtsstaat muss Biss haben“

Nötig sei ein Rechtsstaat, der Biss und Zähne habe, sagte Bayerns Ministerpräsident. Um das zu gewährleisten, müsse man alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen. Die Maßnahmen müssten aber tatsächlich umsetzbar sein: „Es muss verschärft werden – aber so, dass es in der Praxis auch wirkt.“ Konkret nannte Seehofer beispielsweise folgende Probleme, auf die man Antworten geben müsse: Bei Freiheitsstrafen, die auf Bewährung ausgesprochen würden, könne man ausländische Täter nach den geltenden Regeln nicht abschieben. Und wenn jemand aus einem Staat komme, wo etwa Todesstrafe oder Folter drohten, könne man dorthin auch nicht abschieben. Da müsse man also klären, wie man dann vorgehen wolle.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) etwa forderte mehr Polizei auf der Straße. Zudem müsse die Justiz kriminelle Ausländer beschleunigt verurteilen, ähnlich wie schon jetzt gewalttätige Fußballfans, sagte der Minister in einer Stellungnahme. Sexuelle Angriffe von Männergruppen wie in Köln seien zwar kein neues Phänomen. „Aber in dieser Form, mit dieser Dimension, auch durch Asylbewerber und Flüchtlinge: Das ist neu“, betonte der Minister im ZDF. Nun müsse offengelegt werden, woher die Täter kamen. Fakt sei, dass es eine überproportionale Kriminalität unter Migranten vom Westbalkan und aus Nordafrika gebe. Es sei nicht richtig, wenn die Polizei die Herkunft von Tätern verschweige.

Aufenthaltsrecht soll verschärft werden

Unterstützung erhält de Maiziére auch vom Koalitionspartner SPD: Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte, jetzt sei der „starke Staat“ gefordert: er müsse Recht und Gesetz klar durchsetzen. Dazu brauche es aber, so der Wirtschaftsminister, auch zusätzliche Polizisten und Staatsanwälte. Gabriel geht auch in anderen Bereichen auf die Unionsforderungen zu. Der Minister teilte mit, er halte – mit gewissen Einschränkungen – ein nochmals verschärftes Aufenthaltsrecht für notwendig, um kriminelle Ausländer noch schneller ausweisen und abschieben zu können, auch wenn sie noch im Asylverfahren sind. Auch solle nach dem Willen Gabriels der deutsche Staat Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen künftig vorschreiben, wo genau in Deutschland sie wohnen müssen. Ohne eine solche Wohnsitzauflage zögen die Menschen, auch die anerkannten Asylbewerber, alle in die Großstädte, wo dann „richtige Ghettoprobleme“ drohten, warnte der Vizekanzler in der ARD. Zudem zeigen sich die Sozialdemokraten beim Thema Videoüberwachung gesprächsbereit.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich grundsätzlich offen für Überlegungen der CSU gezeigt, Marokko und Algerien als weitere sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Zwar sei die Frage noch nicht entschieden, sagte Merkel nach dem Ende der zweitägigen Winterklausur des CDU-Vorstands in Mainz. Sie glaube aber, dass „die Bleibeperspektiven jedenfalls deutlich geringer sein werden für diese Flüchtlinge als die Bleibeperspektiven von zum Beispiel Syrern oder Irakern“. Flüchtlinge haben in Deutschland kein Recht auf Asyl, wenn sie aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat kommen. Abgelehnte Bewerber aus solchen Ländern können laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) innerhalb von vier Wochen nach der Antragstellung in ihre Länder zurückgeschickt werden. Als sichere Herkunftsstaaten sind derzeit neben allen EU-Mitgliedern Ghana und Senegal eingestuft sowie seit November Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Albanien, Kosovo und Montenegro.

Druck auf NRW-Innenminister Jäger wächst

Unterdessen steigt der Druck auf Gabriels Parteifreund, den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger. Dieser musste sich zu Wochenbeginn vor dem Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages verantworten.

Auf Bundesebene drängen Unionspolitiker zu schnellen Lösungen. Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) etwa teilte mit, die Ereignisse von Köln „zwingen zu einem schnellen Handeln“.

Die Innen- und Rechtspolitiker sollen nach seiner Ansicht Forderungen des CDU-Vorstands berücksichtigen, Ausweisungen und Abschiebungen krimineller Ausländer zu erleichtern. Der Vorstand um Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor wenigen Tagen eine sogenannte „Mainzer Erklärung“ veröffentlicht, in der die Partei ihre Forderungen rund um die Flüchtlingskrise definierte. Darin enthalten ist auch die Forderung nach einem besseren Schutz von Polizisten sowie die schon geplante Verschärfung des Sexualstrafrechts. Künftig müsse auch Begrapschen geahndet werden können, das bisher nur als „sexuelle Beleidigung“ zählt.

Umfrage: Mehrheit der Bürger sieht Ausländer nicht negativer als zuvor

Für das Bild von Ausländern in der Öffentlichkeit haben die Vorfälle von Köln offenbar relativ geringe Auswirkungen. Einer Forsa-Umfrage für RTL zufolge sieht eine Mehrheit der Bundesbürger Ausländer nicht negativer als zuvor. 60 Prozent der Befragten gaben an, ihre persönliche Einschätzung von Ausländern sei nicht kritischer geworden.

Übergriffe auf Ausländer in Köln

Und trotzdem gibt es jetzt Gewalt gegen Ausländer: Am Sonntagabend machten in Köln etwa 20 Männer, die Polizeiangaben zufolge aus dem Hooligan-Milieu stammen, Jagd auf Ausländer in der Domstadt und verletzten unter anderem sechs Pakistaner und einen Syrer. Die Stadtspitze verurteilte die Vorgänge umgehend. Oberbürgermeister Henriette Reker sprach in einer Reaktion von einem „ungeheuerlichen Vorgang“.

Paris-Attentäter kam aus NRW

Während in Köln gegen die möglichen Täter ermittelt wird, weist eine Spur aus Paris nach Nordrhein-Westfalen. Wie jetzt bekannt wurde, lebte der Islamist, der am 7. Januar beim Versuch, mit einem Beil und einer Bombenattrappe eine Polizeistation zu erstürmen, erschossen wurde, bis kurz vor seiner Tat in einem Asylbewerberheim in Recklinghausen – und war der deutschen Polizei offenbar bekannt. Anfang 2014 soll er in einer Kölner Disco Frauen sexuell belästigt haben. Anschließend sei er polizeilich erfasst worden, heißt es in dem Bericht. Noch kurz vor seiner vereitelten Tat in Paris war sein Handy nahe Köln geortet worden. Gegen den Mann, der unter dem Namen Walid Salihi registriert worden war, wurde seit Mai 2014 unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, Rauschgifthandel, Diebstahl und Körperverletzung ermittelt. In seinen Hafträumen hatte er laut LKA zudem zwei selbstgemalte Zeichnungen von Flaggen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angebracht.