Flüchtlinge warten an der Grenze von Schärding (Österreich) nach Neuhaus am Inn (Bayern) auf der Alten Innbrücke vor einer Sperre der Bundespolizei. (Foto: imago/Volker Preußer)
Innenminister

Einzelfallprüfung für Syrer kommt

Die Innenminister von Bund und Ländern sind sich einig: Auch die Anträge von Syrern sollen wieder einzeln geprüft werden – seit einem guten Jahr erhielten sie fast automatisch den vollen Flüchtlingsstatus. Wichtig ist die Entscheidung, weil Immigranten mit sogenanntem subsidiären Schutz kein Anrecht auf Familiennachzug haben. Auch Afghanen sollen wieder abgeschoben werden können.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erhält aus den Bundesländern Rückendeckung für die Rückkehr zur Einzelfallprüfung auch für Flüchtlinge aus Syrien. Seine Kollegen hätten die geplante Maßnahme zur Kenntnis genommen, sagte er nach Beratungen in Koblenz. Alle Schutzsuchenden sollen damit vor der Entscheidung über einen Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mündlich angehört werden. Die Einzelheiten sollen in der großen Koalition in Berlin geklärt werden.

Die Innenminister aus Bund und Ländern pochten darauf, dass sich die Verfahren durch die aufwendigere Prüfung nicht verlängern. Seit gut einem Jahr gilt für Syrer ein vereinfachtes Verfahren, in dem sie lediglich in einem Fragebogen ihre Fluchtgründe darlegen müssen. Fast alle bekommen den Flüchtlingsstatus gewährt. Bei der Einzelfallprüfung werden sie wieder persönlich befragt. De Maizière sagte, aus Sicherheitsgründen sei es notwendig, die Identität festzustellen und einen Missbrauch der Staatsangehörigkeit zu verhindern.

Einzelfallprüfung wird bald angeordnet

Außerdem will Deutschland will Flüchtlinge aus Afghanistan angesichts ihrer deutlich steigenden Zahl abschieben – allerdings nur in sichere Regionen. Die Innenminister seien sich einig, dass die Rückführung in sichere Gebiete Afghanistans grundsätzlich möglich und erlaubt sei, sagte de Maizière. Die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan war zuletzt deutlich gestiegen. „Das ist besorgniserregend“, sagte de Maizière.

Ein Sprecher des Ministers sagte, de Maizière werde die Rückkehr zur Einzelfallprüfung bald anordnen. Er rechne nicht damit, dass es in der Koalition dazu Differenzen gebe. De Maizière hatte Anfang November die Rückkehr zum normalen Verfahren für Syrer verhängt und für Streit in der Koalition gesorgt.

Auf Intervention des Kanzleramts musste er die Entscheidung auf Eis legen. Hauptstreitpunkt war, dass im Zuge der Änderung die Zahl der Personen steigen wird, die nur für ein Jahr Schutz zugesprochen bekommen. Die Koalitionsspitzen hatten beschlossen, dass Personen dieser Gruppe künftig für zwei Jahre ihre Familie nicht nachholen dürfen. De Maizière sagte, er hoffe jetzt auf eine baldige Einigung.

Rückkehr zur rechtsstaatlichen Normalität

Damit folgen die Länderinnenminister auch der Forderung der CSU. Die CSU hatte vor Beginn der Beratungen darauf beharrt, auch syrische Flüchtlinge wieder in jedem Einzelfall auf ihre Asyl-Berechtigung hin zu überprüfen. „Die Einzelfallprüfung für Syrer muss vom Bundesinnenministerium wieder angeordnet werden“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. „Das war früher selbstverständlich und zu dieser Selbstverständlichkeit für Sicherheit müssen wir endlich zurückkehren.“

Sollte jeder subsidiär Schutzbedürftige seine Kernfamilie nachholen dürfen, verdrei- oder vervierfacht sich die Zahl der in unserem Land lebenden Flüchtlinge.

Michael Frieser

Scheuer betonte: „Wir müssen genau kontrollieren, wer nach Deutschland kommt und sich hier aufhält.“ Auch CSU-Chef Horst Seehofer sagte, eine Rückkehr zur Einzelfallprüfung sei „rechtsstaatlich geboten“.

Familiennachzug einschränken

Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Frieser, forderte eine konsequente Einschränkung des Familiennachzugs für Antragsteller mit subsidiärem Schutz. „Im Asylkompromiss der Koalition wurde vereinbart, dass der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt wird. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem enormen Flüchtlingsansturm“, erinnert Frieser. Allein 2015 komme in Deutschland über eine Million Flüchtlinge an. „Sollte jeder subsidiär Schutzbedürftige seine Kernfamilie nachholen dürfen, verdrei- oder vervierfacht sich die Zahl der in unserem Land lebenden Flüchtlinge“, unterstreicht Frieser.

Wir können nicht unterstützen, dass Eltern ihre Kinder alleine auf die lebensgefährliche Reise ins Ungewisse schicken.

Michael Frieser

Es gehe nicht um das Wollen, sondern um das Können, so Frieser. „Unsere Gesellschaft kann nicht jedes Jahr Millionen von Menschen aufnehmen und integrieren. Dafür reichen unsere Kapazitäten nicht aus.“ Scharfe Kritik übte Frieser am Koalitionspartner. „Die SPD blockiert nach wie vor die Umsetzung des Asylpaketes II und fordert unter anderem, den Familiennachzug für Minderjährige zu erhalten. Das halte ich für das vollkommen falsche Signal. Wir können nicht unterstützen, dass Eltern ihre Kinder alleine auf die lebensgefährliche Reise ins Ungewisse schicken.“ Denn bereits heute befänden sich mehr als 40.000 unbegleitete junge Flüchtlinge in Obhut der Jugendhilfe, so der CSU-Innenpolitiker.

Rückgang des Ansturms wegen schlechten Wetters

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte, die Verfahren dürften sich nicht verlängern. Ohnehin dauerten diese 5,1 Monate. In den großen Bundesländern begännen sie indes oft erst nach acht Monaten. Der SPD-Politiker räumte ein, dass Personen versuchen, eine syrische Staatsangehörigkeit vorzutäuschen. Gleichwohl dürften die Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Den Rückgang der Flüchtlingszahlen der vergangenen Tage führte de Maizière vor allem auf Stürme in der Ägäis zurück, wodurch viele von der Fahrt von der Türkei nach Griechenland abgehalten werden. Möglicherweise hätten auch Maßnahmen der Türkei einen Einfluss. „Ich wäre vorsichtig, das jetzt schon als die Trendwende zu bezeichnen“, sagte de Maiziere. „Es ist eine Entwicklung in die richtige Richtung, und wir müssen daran arbeiten, dass sich das verstetigt.“

Schlechtes Wetter hält Flüchtlinge derzeit ab

Im Jahr 2015 kamen bislang mehr als 950.000 Flüchtlinge nach Deutschland. Mehrere 100.000 davon sind nach wie vor untergetaucht und wurden nicht registriert. Seit einigen Tagen geht die Zahl der registrierten Einreisen zurück, auch nach Angaben von Experten wegen der Herbststürme in der Ägäis. An diesem Mittwoch kamen der Bundespolizei zufolge 3567 Migranten an, seit September waren es bisher im Schnitt täglich 6000 bis 10.000.

Reuters/dpa/wog