Die Annäherung zwischen Christentum und Islam gestaltet sich in vielen Fällen schwierig. BIld: sa1ph, Fotolia.
Islam

Muslime gehören zu Deutschland, aber nicht der Islam

Vier Millionen Moslems leben in Deutschland. Deren Integration ist ein Dauerbrenner der Innenpolitik - oft macht die hier geborene dritte Generation der Zuwanderer mehr Probleme als die erste. In Bayern funktioniert die Integration viel besser als etwa in Berlin. Der Bayernkurier befragte den früheren Wissenschaftsminister Thomas Goppel und den bayerischen Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer.

Vier Millionen Moslems leben in Deutschland – deren Integration ist ein Dauerbrenner der Innenpolitik. Wolfram Göll und Dominik Sauter sprachen darüber mit Thomas Goppel, dem früheren Wissenschaftsminister und jetzigen Vorsitzenden der Senioren-Union, und mit Martin Neumeyer, dem Integrationsbeauftragten der bayerischen Staatsregierung.

Bayernkurier: Beginnen wir bei dem heiß debattierten Satz: Der Islam gehört zu Deutschland. Christian Wulff hat den Satz geprägt, Angela Merkel hat ihn so ähnlich wiederholt. Wie stehen Sie zu diesem Satz?

Martin Neumeyer: Mir hat dieser Satz weder aus dem Mund von Christian Wulff noch von der Bundeskanzlerin gefallen. Wulff war damals Bundespräsident und damit in einer Position, die eigentlich mehr Neutralität und Zurückhaltung gefordert hätte. Bei Angela Merkel war es eine politische, sogar parteipolitische Positionierung. Ich denke, es ist nicht die Aufgabe des Staates, festzulegen, welche Religion wohin gehört oder warum. Der Staat hat ganz andere Aufgaben. Aber der Staat kann feststellen, dass sowohl Christen, Juden, Moslems, Agnostiker, Humanisten und Atheisten zu einem Land gehören. Das ist das Spannende. Ich habe als Integrationsbeauftragter vor sechs Jahren ein Motto ausgegeben: Wir integrieren keine Nationen, wir integrieren keine Religionen – wir integrieren Menschen. Denn: Wenn wir damit beginnen, die Religion so in den Mittelpunkt zu stellen, dass der Mensch zuallererst über seine Religion definiert wird, dann wird die Debatte erst richtig schwierig.

Thomas Goppel: Ich verstehe weder Herrn Wulff noch Frau Merkel in dieser Frage. Wir leben in einem Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg festgestellt hat: Bei uns gibt es solche Unterschiede, etwa bei der Rasse, nicht. Bei uns heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und damit sind alle gleich. Wenn dann jemand in der Führungsriege der Politik anfängt zu unterscheiden, ist das falsch. Dabei bleibt es: Wir sind ein Land, in der das menschliche Verhalten, nicht die Religion, die entscheidende Rolle spielt. Aber in Deutschland gehört auch das christliche Menschenbild dazu, und dieser christliche Grundsatz schreibt fest: Alle haben die gleiche Würde, also sollen alle die gleichen Bedingungen vorfinden. Das ist im Koran so nicht beschrieben. Deswegen bin ich der Meinung, dass der Islam als Religion nicht zu uns gehört. Der einzelne Mensch gehört zu uns – der Islam nicht.

Der einzelne Mensch gehört zu uns

Bayernkurier: Es wurde ja als Gegenargument aufgeführt, dass der Islam nichts zur Geschichte Deutschlands beigetragen hätte, zum kulturellen Fundament und der Wertebasis.

Goppel (lacht): Nur weil er damals in Wien hängengeblieben ist!

Neumeyer: Der Islam hat jetzt die Chance, etwas beizutragen. Die Muslime sind in größerer Zahl seit den 1960er Jahren in Deutschland präsent. Seitdem haben sie die Chance, im moralischen und gesellschaftlichen Diskurs ihren Beitrag zu leisten. Das gilt auch für die Kunst und die Musik. Aber es stimmt natürlich: Wenn wir auf die Wurzeln unseres Landes zurückblicken, war der Islam schlicht und ergreifend nicht da – und wenn, dann nur in Fragmenten. Moslems waren in Deutschland eine exotische Erscheinung. Es gibt zwar eine lange Moscheetradition in Berlin und eine langwährende deutsch-türkische Freundschaft – das war immer deutsch, das hat zu unserem Land gehört, und das ist auch gut so. Aber die Grundpfeiler unserer Nation fußen auf dem Christentum, und in Teilen auf dem Judentum, aber nicht auf dem Islam.

Goppel: Wesentlicher Bestandteil unserer Diskussion ist die Tatsache, dass wir beide hier ein einvernehmliches Menschenbild, nämlich das christliche, haben – ein freieres Menschenbild gibt es nicht. Und in einigen der Weltreligionen – leider auch im Islam – muss man mitunter nachfragen: Wen vertrittst du gerade? Wenn diese Frage gestellt werden muss, kann ich nicht das Ergebnis vorwegnehmen. Vielleicht lässt sich sagen: Er, der Islam, bewirbt sich um Aufnahme.

Neumeyer: Muslime gehören zu Deutschland, aber nicht der Islam. Der Islam ist die drittgrößte Religion in Deutschland, auch wenn sich die Moslems selbst ja in unzählige Splittergruppen teilen. Es gibt einen arabisch orientierten Islam, einen türkisch orientierten, und innerhalb der einzelnen Länder gibt es wieder Unterschiede. Das macht es auch hierzulande nicht einfacher. Denn die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, beinhaltet auch die Frage, was der Islam in Deutschland eigentlich ist.

Bayernkurier: Die große Zersplitterung innerhalb des Islam ist in Deutschland kaum bekannt. Kann man es so sagen: Am verträglichsten sind hierzulande türkische Moslems?

Goppel: Zumindest, wenn der Regierungschef stimmt.

Neumeyer: Atatürk hat ja in der Türkei dafür gesorgt, dass es dort keine Staatskirche in dem Sinne gibt. Wenn man sich anschaut, welchen Einfluss DITIB (=Deutscher Ableger des staatlichen türkischen Amtes für Religionsangelegenheiten DIYANET, d.Red.) auch hier in Deutschland heute hat, ist das ein großer Vorteil. Denn als Politik hat man hier einen konkreten Ansprechpartner, zumindest für einen gewissen Teil der in Deutschland lebenden, aus der Türkei stammenden Sunniten.

Österreichisches Islamgesetz: Hochinteressante Ansätze

Bayernkurier: Bevor wir gleich die Islamverbände noch eingehender betrachten, lassen Sie uns zunächst nach Österreich schauen. Dort wurde ein neues Islamgesetz verabschiedet, das das alte Gesetz von 1912, aus den Zeiten Kaiser Franz Josephs, ersetzt. Dort steht gleich zu Beginn der Satz: Der Islam gehört zu Österreich. Danach kommen aber einige Einschränkungen, die von Konservativen in Deutschland sehr positiv aufgenommen wurden: Das Verbot ausländischer Geldgeber oder die Vorgaben, dass nur auf Deutsch gepredigt werden darf und die Imamausbildung nur in Österreich absolviert werden darf. Wie sehen Sie dieses Gesetz?

Neumeyer: Zunächst einmal hat Österreich eine ganz andere islamische Tradition als wir. Es gab im k.u.k.-Reich Muslime auf dem Balkan, die ganz selbstverständlich Teil des Kaiserreichs waren. Der Kaiser war da sehr fortschrittlich – im Militär gab es etwa einen Militärpfarrer, einen Rabbi und einen Imam. Die Moslems hatten bereits damals den Status einer Religionsgemeinschaft. Seit den 1990er Jahren gibt es in Österreich wieder einen islamischen Religionsunterricht. Ich habe das neue Gesetz gelesen: Viele Dinge wären auch auf Deutschland übertragbar, aber längst nicht alle. Der Islam ist in Bayern keine anerkannte Religionsgemeinschaft – darum bemühen sich ja viele Verbände, allen voran DITIB. Der österreichische Weg, ein Auge auf die Finanzierung der Moscheen zu haben, ist mit Sicherheit richtig. Das ist ein gewisser Schutz für Österreich und den Islam im Land.

Goppel: Ich kann es nicht nachvollziehen, dass man in einer Situation, in der viele Fragen so offen sind, sagt: Herzlich Willkommen, wir reden nachher über die Probleme und Bedingungen. Mir ist es lieber, die Mentalität der Einrichtungen wird zuerst darauf geprüft, ob sie zu uns passt, und dann heißt es: Herzlich Willkommen. Dass die Österreicher eine andere Geschichte und damit ein anderes Verhältnis zum Islam haben als wir und so zu anderen Ergebnissen kommen als wir, ist klar. Das macht aber auch deutlich, welche Diskussionen wir in Europa noch führen müssen. Europa muss dem Islam gegenüber mit einer Zunge sprechen. Wenn wir die gesamte Welt anschauen, ist das christliche Menschenbild letztlich auf dem Rückzug. Gerade einmal 32 Prozent der Weltbevölkerung sind Christen.

Bayernkurier: In Deutschland haben wir sehr stark zersplitterte Islam-Verbände – in Österreich gibt es seit 1972 eine einheitliche Islamische Glaubensgemeinschaft. Welche Lehren könnte man für Deutschland dennoch aus der österreichischen Entwicklung ziehen?

Neumeyer: Wenn man sich das Gesetz anschaut, gibt es einige Stellen und Regelungen, an denen man sich fragt, ob man so etwas wirklich in Gesetzesform gießen muss. Was Themen wie die Finanzierung angeht, macht das durchaus Sinn. Bei der Sprache sieht es anders aus: Wir in Deutschland haben viele Moslems, die beispielsweise nur Türkisch sprechen, Serbokroatisch oder Arabisch. Aber auch hierzulande wird teilweise zweisprachig gepredigt. Denn die einzige verbindende Sprache aller Moslems in Deutschland ist nunmal Deutsch. Auch Moslems aus unterschiedlichen Ländern benutzen Deutsch, um sich untereinander zu verständigen. Das ist ein Automatismus, an dessen Ende sich Deutsch durchsetzen wird. Ich denke nicht, dass wir dafür ein Gesetz brauchen.

Goppel: Ich darf und soll ja auch für die Senioren in der CSU sprechen. Die sagen natürlich auch: Ich lasse mir meine Identität nicht nehmen. Und da kommen wir zurück auf die Frage der Sprache. Ich lege schon Wert darauf, dass man auch von unseren muslimischen Mitbürgern erwarten kann, dass sie Deutsch lernen, wenn sie hier leben. Auch sie sollten sich Zug um Zug der Sprache bedienen, die wir alle verstehen – auch, damit wir nicht weiter auseinanderdriften, sondern zusammengeführt werden. Wenn wir uns verstehen und verständigen können, glaube ich, wird vieles ganz von alleine funktionieren. Gesetze brauche ich hier nur, wenn eine Gruppe, wenn auch nur eine Minderheit, sich weigert, anzuerkennen, auf was sich die Mehrheit als Regeln geeinigt hat.

Neumeyer: Konsequenterweise muss man sagen: Dann müsste der Aramäische Gottesdienst kü nftig auf Deutsch laufen, und der Russische Orthodoxe Gottesdienst auch.

Liturgiesprache nicht verwechseln mit deutscher Predigtsprache

Bayernkurier: Aber gibt es nicht einen Unterschied zwischen Liturgiesprache und Predigtsprache? Dass die Russen ihre altkirchenslavische Liturgie aufgeben oder die Moslems ihre arabischen Koranverse übersetzen, das wird wohl kaum passieren. Aber die Predigten könnten doch zumindest auf Deutsch gehalten werden.

Neumeyer: Ich war schon bei solchen Gottesdiensten, und zumindest teilweise wird dort auch Deutsch gesprochen. Die Forderung, nur Deutsch zu reden, müsste man dann auch hier konsequent umsetzen. Da habe ich einen liberaleren Umgang.

Goppel: Ich möchte ganz klar sagen: Wenn ich etwas sprachlich verstehe, fällt es mir leichter, auch die Dinge inhaltlich nachzuvollziehen. Darum muss man allen, auch den Moslems, sagen: Sprecht in einer Sprache, die ich verstehe, dann werden viele Vorbehalte rasch von ganz alleine dahinschwinden.

Neumeyer: Das ist aber genau der entscheidende Unterschied. Bei der Russischen Orthodoxen Kirche kommen die Russen, bei den Rumänen kommen die Rumänen und so weiter. Bei den Muslimen kommen Gläubige aus vielen Ländern, die viele Sprachen sprechen. Darum wird am Ende Deutsch die Sprache sein – sonst versteht man sich nicht. Der Marokkaner wird nicht Türkisch lernen nur wegen der Predigt. Schneller als in den christlichen Kirchen wird es beim Islam auf Deutsch hinauslaufen.

Warum machen vor allem die Moslems Schwierigkeiten?

Bayernkurier: Wenn es um Integrationsprobleme geht, sprechen wir fast immer über Moslems. Warum sprechen wir denn über islamisch-arabische Parallelgesellschaften, in die sich manchmal nicht einmal mehr die Polizei hineintraut? Bei Griechen, Portugiesen oder Vietnamesen sind derartige Probleme nicht bekannt. Woran liegt das?

Neumeyer: Es wäre schön, wenn man das in nur einem Satz erklären könnte. Heinz Buschkowsky, der frühere SPD-Bürgermeister von Berlin-Neukölln, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Neukölln ist überall“. Da muss ich sagen: Neukölln ist nicht überall. Denn die Konzentration von Menschen mit Migrationshintergrund, und gerade Muslimen, ist nirgendwo sonst so groß wie in Buschkowskys Stadtteil. Wir in Bayern haben solche Verhältnisse zum Beispiel überhaupt nicht.

Goppel: Aber Tendenzen sind schon da und wollen aufmerksam begleitet sein.

Neumeyer: Sicherlich. Aber wenn ich nach New York blicke, gibt es dort Stadtteile, wo Chinesen in dritter Generation leben, ohne dass sie ein Wort Englisch sprechen. Bei Einwanderern ist es doch klar: Ich komme irgendwo hin und gehe natürlich zur Tante oder zum Onkel. Dort, wo meine Familie ist und die Leute meine Sprache sprechen. Klar, das machen russische Einwanderer auch. Man grenzt sich aber nicht nur durch Nation, sondern auch durch Religion ab. Gerade die jungen Muslime sprechen ja überwiegend sehr gut Deutsch. Ich kenne viele Türken, die sagen: Ich werde immer deutscher – meine Pünktlichkeit, meine Einstellung zu bestimmten Themen. Man kann sich solchen Einflüssen nicht dauerhaft entziehen. Das ist aber eine Folge, die bei den türkischen Mitbürgern nicht unbedingt immer gegeben ist – denn es kommen immer neue Menschen aus der Türkei nach Deutschland. Dadurch ist es auch für die, die schon lange hier sind, immer wieder ein Neubeginn. Als ich bei Heinz Buschkowsky zu Besuch war, hat eine Lehrerin in Neukölln zu uns gesagt: Was sie hier sehen, ist zwar die dritte Generation. Aber es fühlt sich noch immer an wie die erste Generation. Das macht es umso schwieriger. Wir beginnen tagtäglich wieder neu mit dem Kontakt zu den Müttern und Vätern, die einen bestimmten Blick auf Deutschland haben und das auch hier leben wollen.

Bayernkurier: Mit dem Blick auf Berlin wird deutlich, dass wir in Bayern relativ wenig Integrationsprobleme und relativ wenig Ghettoisierungs- und Parallelgesellschafts-Tendenzen haben, obwohl der Ausländeranteil in Nürnberg oder Augsburg höher ist als in Berlin. Woran liegt das? Nur an der besseren Wirtschaftslage und damit niedrigeren Arbeitslosigkeit? Oder auch an stabileren Grundwerten der Mehrheitsgesellschaft in Bayern?

Starke bayerischer Tradition hilft bei Integration

Neumeyer: Tatsächlich hat Bayern eine starke Tradition. Die Berliner belächeln zwar gern unsere Trachten, andererseits sind sie zweifellos neidisch darauf. Entscheidend ist auch das Thema Wirtschaft. Wir in Bayern können jedem Menschen einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz geben, was ja nicht überall der Fall ist. Durch Arbeit musst du in der Frühe aufstehen, hast einen klaren Tagesablauf, kannst dich auch auf dieses Land konzentrieren. Wenn ich arbeite, bin ich unabhängig und kann für mich entscheiden. Wenn ich Hartz IV bekomme, bin ich immer abhängig. Wir sollten auch das Thema Werte nicht zu locker nehmen. Für uns ist Glaube wichtig, Heimat ist wichtig. Das gibt einen festen Rahmen, den wir pflegen.

Goppel: Ich habe im Gefühl, was das wichtige Unterscheidungsmerkmal ist: Hier – bei uns im Süden gibt es für uns ein festes Fundament und eine Gesellschaft, die den Begriff Arbeit höher hängt, als das in den anderen Teilen Deutschlands der Fall ist. Bei uns ist man erst zufrieden, wenn man etwas zu tun hat und dem Nachbarn sagen kann: Prima, wir erledigen gemeinsam unsere Aufgaben, ergänzen uns. Das wird deutlich bei 12,5 Millionen Bayern, von denen 6,5 Millionen hier nicht geboren sind.

Bayernkurier: Da rechnen Sie aber die Heimatvertriebenen schon mit.

Goppel: Genau. 1,5 Millionen Sudetendeutsche, 1,5 Millionen Ostzuwanderer und 1,5 Millionen von West-, dazu zwei Millionen Norddeutsche. Die kommen mit einer anderen Vorstellung. Sie sind aber daran interessiert, das, was sie hier haben, auch zu behalten. In Bayern sind die Muslime, die sagen, das ist schön, so will ich es haben, mehr als in Berlin. Wer eingebunden ist in eine Firma, einen Verein, eine Familie, wer Freunde hat, der hat Grund dazu, das zu verteidigen. Wer aber in einer Szene festsitzt, wo er im Grunde mit allen anderen nutzlos herumhängt, der wird immer versucht bleiben, alles zu ändern. Wenn jemand fremd in ein Land kommt und feste Strukturen vorfindet, kann er sich anschließen und integrieren. Wenn wir einen Berg besteigen, halten wir uns gern an Seilen links und rechts fest, damit wir nicht ins Straucheln geraten. In Bayern gibt es diese Leitschnüre. In Berlin dagegen ist vor ersichtlicher Schnurlosigkeit der Ärger programmiert.

Bayernkurier: Es gibt intellektuelle Islamkritiker, die uns Deutschen vorwerfen, wir gäben unsere Grundwerte und Grundfreiheiten vorschnell auf, um mit dem Islam und seinen Verbänden ins Benehmen zu kommen: Etwa Necla Kelek, Serap Cileli oder Hamed Abdel Samad. Diese Leuten leben ja gerade wegen der Grundfreiheiten gern in Deutschland. Frau Cileli etwa kämpft entschieden gegen Ehrenmorde und Zwangsheiraten. Sie kritisiert etwa, dass Deutschland faktisch Zwangsehen aus der Türkei akzeptiert, weil volles Nachzugsrecht für diese Ehegatten herrscht. Ist an der Kritik was dran?

Intellektuelle Islamkritiker werfen den Deutschen Feigheit vor den Moslems vor

Neumeyer: Wir hatten ja schon festgehalten, dass türkische junge Männer und Frauen schon in der Türkei Deutsch lernen sollen, ehe sie hierher kommen dürfen. Ministerpräsident Erdogan hat sich über diese angebliche Diskriminierung der Türken beschwert. Ich sehe das anders. Zu den Ehrenmorden muss man sagen, dass manche unserer Gerichte da religiöse Aspekte mildernd geltend machen. Die Richter äußern da oft viel zu viel Verständnis wegen der religiösen Tradition. Die Bevölkerung ist damit nicht einverstanden.

Bayernkurier: Die Islamverbände werden von Kennern eher für Integrations-Hindernisse gehalten. Der größte Verband DITIB gehört dem türkischen Staat und wird nicht nur immer islamistischer, sondern will die Türken auch fest ans Mutterland binden. Das wirkt nicht gerade integrationsfördernd…

Neumeyer: In der christlichen Kirche hab ich klare Strukturen, da hab ich eine Ansprechpartner, und es ist klar, dass seine Aussage zählt. Aber bei den Moslems ist das viel komplizierter. Mit wem verhandelt der Staat? Man müsste wie in Österreich eine Islamische Glaubensgemeinschaft bilden, nur dass das bei uns nicht der Staat machen kann, sondern die Muslime müssten das tun. Und das wird wohl nicht geschehen, weil sie so zersplittert sind. Und die Strukturen sind so fest, dass sie kaum noch zu ändern sind. DITIB ist Besitzer der meisten Moscheen…

Goppel: Aber wenn du siehst, wie die beiden christlichen Kirchen sich seit 1945 verändert haben, stelle ich fest: Es bewegt sich vieles. Die evangelische Kirche erkenne ich nicht wieder, und bei der katholischen habe ich gelegentlich Zweifel. Ich wäre trotzdem und deshalb nicht so pessimistisch wie du.

Neumeyer: Die Vorherrschaft von DITIB lässt sich jedenfalls nicht so leicht brechen. Die haben die meisten Moscheen – eine gemauerte Dominanz.

Viele Islam-Verbände haben suspekte Freunde

Bayernkurier: Es gibt noch viel suspektere Verbände. Etwa der Zentralrat der Muslime, ein Ober-Dachverband aus eher randständigen Dachverbänden, der in den Medien ungeheuer präsent ist, aber nur wenige Moslems tatsächlich vertritt. Oder die Islamische Gemeinschaft Deutschland (IGD), zu dem die Moschee in München-Freimann gehört, die mit der ägyptischen Muslimbruderschaft zusammenhängt und Stammgast im Verfassungsschutzbericht ist. Dann die türkisch-islamistische Mili Görüs, die den zweitgrößten Dachverband Islamrat dominiert und im Verdacht steht, die Hamas zu finanzieren.

Neumeyer: Beim Zentralrat der Muslime steht Aiman Mazyek vorne dran, der eine deutsche Mutter hat und sich hervorragend verkauft. Auch wegen seiner Medienpräsenz werden wir nicht umhin können, auch mit dem Zentralrat zu sprechen. Die IGD ist eine heiße Kiste, der Freimanner Imam al-Khalifa hat da viel Einfluss. Der Islamrat ist ebenfalls eine schwierige Sache. Die kommen als Ansprechpartner für Bayern nicht in Frage. In anderen Ländern geht man da sehr locker um und nimmt solche Vebände als Ansprechpartner. Dennoch war ich dort schon zu Gast beim Fastenbrechen, weil ich denke, das sind auch junge Leute, die unsere Hilfe brauchen. Wenn wir die ablehnen, verlieren wir sie. Wir haben immer noch die Chance, dass wir sie gewinnen. Die Hoffnung stirbt auch da zuletzt. Der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) ist das nächste Thema, mit den Koranschulen zum Beispiel in Neu-Ulm, wo die Kinder in der Grundschule unglaubliche christenfeindliche Parolen nachplappern. Die bauen eine Moschee in München-Hasenbergl. Viele VIKZ-Mitglieder sind auch CSU-Mitglieder. Auch in der Gülen-Bewegung sind CSU-Mitglieder. Soll ich zu denen sagen: Ich rede nicht mit Euch? Wir müssen trotz allem mit ihnen reden.

Goppel: Vielleicht merken sie dann, dass wir Bekenner sind. Darüber muss man wohl reden. Wenn jemand so überzeugt ist in seinem Glauben, kann und darf es schon sein, dass der sich eine Partei sucht, die es vorsieht, dass sich auch der Glaube in ihrem Programm spiegelt.

Staatliche Islamkunde oder regulärer Islamischer Religionsunterricht?

Bayernkurier: Interessant wird die Frage des Ansprechpartners ja besonders dann, wenn es um den Religionsunterricht geht…

Neumeyer: Ich bin ein Verfechter des bayerischen Islamunterrichts. Wir müssen etwas anbieten. Den offiziellen, bekenntnisorientierten Religionsunterricht können wir nicht anbieten, weil kein Ansprechpartner, keine Religionsgemeinschaft da ist. Aber der Islamunterricht, den wir in Bayern anbieten, ist gut, ein ganz tolles Angebot. Der hat sich entwickelt über den konsularischen Unterricht und das „Erlanger Modell“ in der Grundschule Brucker Lache in Erlangen. In der Regel wird das angenommen, Ausnahme ist leider Neu-Ulm. Kürzlich hat DITIB kritisiert, dass in dem Lehrbuch „Saphir“ manche Sachen anders drinstehen als sie es sehen. Aber auch in katholischen Lehrbüchern stehen Aussagen, denen nicht alle Katholiken zustimmen. Man wird nicht für jede Glaubensrichtung ein Buch rausbringen können.

Bayernkurier: Stichwort Gefängnisseelsorge: Würden gemäßigte Imame von radikalen Moslems überhaupt ernstgenommen, vor allem in so einer aggressiven Machokultur wie im Gefängnis?

Neumeyer: Imame haben bei frommen Moslems durchaus Autorität und würden einen guten Einfluss haben – wenn sie denn gemäßigt sind…

Goppel: Der letzte Halbsatz ist der wichtigste. Ich habe leider Imame kennengelernt, bei denen es besser wäre, wenn sie daheimgelieben wären.

Neumeyer: Das ist definitiv der Fall. Man kann nicht jedem Menschen in den Kopf schauen, und man kann nicht jedes Gespräch überwachen