Der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge von Paris, Abdelhamid Abaaoud, ist tot. Der 28-jährige „Belgier“ sei bei der Polizeiaktion am Mittwoch in Paris-St. Denis getötet worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Abaaoud war das Ziel des dramatischen Einsatzes nördlich der französischen Hauptstadt, sein Schicksal war danach aber zunächst unklar. Weiteren terroristischen Bedrohungen will Frankreich künftig auch mit schärferen Gesetzen begegnen.
Auch in Deutschland wird weiter darüber diskutiert, ob die Sicherheitsbehörden auf einen möglichen Anschlag ausreichend vorbereitet sind. Die Absage des Länderspiels Deutschland-Niederlande in Hannover ging letztlich auf konkrete Informationen eines ausländischen Geheimdienstes über einen bevorstehenden Terroranschlag zurück. Ein entsprechender Bericht der Bild-Zeitung wurde der dpa aus Sicherheitskreisen bestätigt.
Bild: Sehr konkrete Anschlags-Planungen
Der deutsche Verfassungsschutz hatte die Hinweise zu einem Papier zusammengestellt, in dem es hieß, dass am Dienstagabend im Stadion und am Bahnhof Bomben explodieren sollten. Eine Gruppe von mehreren Angreifern habe geplant, bei der Partie zuzuschlagen. Bisher wissen die Behörden nach offizieller Darstellung aber nicht, ob die Hinweise wirklich zutrafen. Es wurde kein Sprengstoff gefunden, Festnahmen gab es auch nicht. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Es gehe um den Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, sagte ein Sprecher.
Der jetzt in Frankreich getötete Abaaoud galt als meistgesuchter Islamist Belgiens und war nicht erst seit den Anschlägen von Paris mit insgesamt 129 Todesopfern im Visier der Sicherheitsbehörden. Gesucht wurde er seit einem vereitelten Terroranschlag auf Polizisten im ostbelgischen Verviers im vergangenen Januar. Zwischenzeitlich soll er für die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien gekämpft haben.
Frankreich verlängert Ausnahmezustand für drei Monate
Spezialkräfte hatten bei ihrem Zugriff am Mittwoch in Paris-St. Denis acht Menschen festgenommen. Zwei mutmaßliche Terroristen starben, neben Abaaoud wahrscheinlich eine Frau, die sich in die Luft sprengte. Laut Staatsanwalt François Molins hatte es einen Hinweis gegeben, dass Abaaoud sich in Saint-Denis aufhalte. Ob er sich ebenfalls selbst tötete, war noch unklar. „Wir wissen heute, dass Abaaoud, das Gehirn dieser Anschläge – eins der Gehirne, denn wir müssen besonders vorsichtig sein und kennen die Bedrohungen – sich unter den Toten befand“, sagte Premierminister Manuel Valls in der Nationalversammlung.
Es kann auch ein Risiko chemischer oder bakteriologischer Waffen geben.
Manuel Valls
Die französischen Abgeordneten stimmten für eine Verlängerung des nach den Attentaten verhängten Ausnahmezustands um drei Monate. Außerdem votierten sie für teils erweiterte Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Das Vorhaben braucht aber noch die Zustimmung des Senats, der sich an diesem Freitag damit befasst. Valls hatte zuvor vor weiteren Attentaten gewarnt. „Es kann auch ein Risiko chemischer oder bakteriologischer Waffen geben“, sagte er. „Man darf heute nichts ausschließen.“
Polizei-Offensive auch in Belgien
Im Kampf gegen Terroristen durchsuchte auch die belgische Polizei wieder mehrere Häuser im Großraum Brüssel. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Belga richteten sich die Aktionen vor allem gegen Freunde und Familienangehörige von Bilal Hadfi, einem der Selbstmordattentäter von Paris. Einen direkten Zusammenhang mit den Anschlägen gibt es laut Staatsanwaltschaft aber nicht. Die Untersuchung habe schon vorher begonnen.
In Deutschland fordern immer mehr Politiker den Einsatz der Bundeswehr im Inland, um die Polizei zu unterstützen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt plädierte für mehr Befugnisse der Bundeswehr im Innern. „Wenn dafür die verfassungsrechtliche Grundlage verändert werden müsse, sollten wir davor nicht zurückschrecken“, sagte sie der Rheinischen Post. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält laut Rheinischer Post eine Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr im Innern für nachdenkenswert.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte bei einem Besuch in Italien, der bestehende Gesetzesrahmen lasse zu, „bei katastrophischen Umständen die Bundeswehr tatsächlich auch einzusetzen“. Bisher geschah das im Inland vor allem bei Naturkatastrophen, zurzeit aber auch in der Flüchtlingshilfe.
IS nimmt New York ins Visier
In einer neuen Videobotschaft drohte die Terrormiliz IS indirekt mit einem Anschlag in New York – die Polizei und Bürgermeister Bill de Blasio sehen aber keine konkrete Gefahr. Das Video enthält unter anderem eine Bildsequenz aus New York und dann, offenbar an einem anderen Ort aufgenommen, die Aufnahme eines Selbstmordattentäters. Das Video sei offensichtlich in den vergangenen Tagen hastig zusammengeschnitten worden, hieß es.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius erklärte, die Welt müsse die Bedrohung durch die IS-Terrorkämpfer in den Griff bekommen. Das Engagement Moskaus im Kampf gegen die Terrormiliz in Syrien begrüßte er. „Es gibt eine Öffnung Russlands“ sagte er im Sender France Inter.
Von der Leyen will UN-Resolution
In einer repräsentativen N24-Emnid-Umfrage sagen 61 Prozent der Befragten, sie hätten persönlich keine Angst, Opfer eines terroristischen Anschlags in Deutschland zu werden. Nur 38 Prozent der Deutschen geben zu, vor einem solchen Terrorangriff Angst zu haben. Ein Bedürfnis nach mehr Sicherheit haben die Deutschen schon: 57 Prozent der Befragten fordern, dass mehr Geld für Polizei und Militär aufgewendet werden soll, um den Terror zu bekämpfen. 28 Prozent finden, der bisherige finanzielle Aufwand reiche aus, nur 4 Prozent der Befragten wollen weniger für Polizei und Bundeswehr ausgeben als bislang.
Um den IS-Terror zu bekämpfen, fordern 90 Prozent der Deutschen eine Verhinderung des Nachschubs von Waffen und Geld. 54 Prozent der Befragten fordern Militäraktionen gegen IS. Auf Verhandlungen mit der IS-Führung setzen nur 24 Prozent. Bei den militärischen Aktionen gegen IS sollte Deutschland ruhig mitmachen, fordern 54 Prozent der Deutschen. 41 Prozent der Befragten lehnen ein Engagement der Bundeswehr ab.
dpa/wog