In Afghanistan und in Mali ist die Bundeswehr im Einsatz. (Foto: imago/STAR-MEDIA)
Bundeswehr

Woher kam der Sparkurs?

Zum ersten Mal nimmt der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg Stellung zur aktuellen Bundeswehr-Debatte. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, die Bundeswehr kaputt gespart zu haben. Der Spardruck habe andere Urheber und Ursachen gehabt.

Die Bundeswehr ist massiv unterfinanziert, viele Soldatenberichte, Pannen und Ausfälle beim technischen Gerät zeigten das. Auch die NATO-Vereinbarung von zwei Prozent des BIP für Verteidigung, von US-Präsident Donald Trump deutlich eingefordert, zeigte die Defizite in Deutschland. Über den desolaten Zustand der Bundeswehr wurde und wird viel geredet und geschrieben.

Die Schuld daran wird gerne dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gegeben. Obwohl der das Verteidigungsministerium von 2009 bis März 2011 keine zwei Jahre führte.

Woher kam der Spardruck?

Natürlich ist die Finanzierung der Bundeswehr schon seit dem Ende des kalten Krieges in den 90er Jahren nicht mehr ausreichend gewesen. Der Feind war scheinbar fort, wozu also noch viel Geld für Verteidigung aufwenden? Entscheidende Fehler wurden hier schon in der rot-grünen Bundesregierung, die mit vielen Bundeswehr-Gegnern insbesondere bei den Grünen besetzt war, von 1998 bis 2005 gemacht.

Aber auch in den Unions-geführten Regierungen danach gab es falsche Entscheidungen. Zum ersten Mal seit seinem Abschied von der Politik hat sich Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg jetzt zu dem Thema zu Wort gemeldet. In deutlichen Worten wehrt er sich gegen den Vorwurf, die Bundeswehr kaputt gespart zu haben.

Die Sparbemühungen damals gingen vom Bundeskanzleramt aus.

Karl-Theodor zu Guttenberg, Verteidigungsminister 2009-2011

Im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk sieht zu Guttenberg die Verantwortung für das in seine Amtszeit fallende Ende der Wehrpflicht sowie den damit verbundenen verschärften Sparkurs zum einen bei der Haltung in der Bevölkerung und zum anderen bei der damaligen Regierung von Angela Merkel: „Die Sparbemühungen damals gingen vom Bundeskanzleramt aus, und sie wurden vom Bundesfinanzminister mit großer Vehemenz mitgetragen, und den Schuh muss sie sich schon mit anziehen.“ Er selbst, so zu Guttenberg, habe dagegen eine „bessere Professionalisierung der Bundeswehr“ gefordert und bessere Ausrüstung für die Soldaten im Einsatz. Die die Bundeswehr aber nicht bekam. Im Gegenteil.

Verharmlosung überall

Eine Mitschuld sieht zu Guttenberg auch bei seinem Amtsvorgänger Franz-Josef Jung (CDU). Denn der habe wie auch andere Politiker den gefährlichen Bundeswehreinsatz in Afghanistan sozusagen kleingeredet. Was eben auch zur Folge gehabt habe, dass Politik und Öffentlichkeit für die materiellen Bedürfnisse der Bundeswehr nicht das notwendige Verständnis entwickeln konnten.

Es fehlte generell an offener Benennung der Tatsachen bei den Auslandseinsätzen, was allerdings auch der abwehrenden Haltung in der gesamten Gesellschaft gegen eine Kriegsteilnahme geschuldet war. Zu Guttenberg: „Ich kann mich noch an das immer wieder gemurmelte Sätzchen von einem Stabilisierungseinsatz gerade von meinem Amtsvorgänger erinnern. Also ein Gedruckse, ein Herumgeeier und leider eben nicht der Sache dienend.“ Denn damit sei natürlich niemandem Genüge getan gewesen, „weder den Soldaten noch einer Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, auch entsprechend aufgeklärt zu werden“.

Sprachliche Unklarheit …

Tatsächlich hatte Jung immer darauf geachtet, den Einsatz in Afghanistan niemals als „Krieg“ zu bezeichnen. Wie fast die gesamte Politik in Berlin sprach Jung stets nur von „Stabilisierungseinsatz“ oder fand andere harmlose Beschreibungen. Jung hält das auch im Rückblick noch für richtig.

Den Eindruck vermittelt, dass wir im wesentlichen winken und Brunnen buddeln.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Im Interview mit dem NDR sagt zu Guttenberg dagegen, dass ihn das damals geärgert habe. Denn mit der richtigen Begrifflichkeit hätte man leichter um Unterstützung für die notwendige Ausrüstung im Einsatz werben können. Zu Guttenberg: „Wenn man von ‚Stabilisierungseinsätzen‘ spricht und den Eindruck vermittelt, dass wir im wesentlichen winken und Brunnen buddeln, ist natürlich dann auch kaum die Zustimmung aus einem Bundestag und von anderen Entscheidungsträgern zu erwarten.“

… geht immer zurück auf gedankliche Unklarheit

So war es denn auch zu Guttenberg, der das sprachliche „Gedruckse und Herumgeeier“ über die Situation in Afghanistan beendete. Trauriger Anlass war ein schweres Gefecht in der nordafghanischen Region Kundus. Am 2. April 2010, es war der Karfreitag, hatten Taliban dort eine deutsche Patrouille in einen Hinterhalt laufen lassen. Drei Bundeswehrsoldaten kamen ums Leben. Sechs wurden zum Teil schwer verletzt. Die Taliban hatten die Bundeswehr-Patrouille vernichten wollen.

Man kann umgangssprachlich von Krieg reden.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Vor Journalisten in Bonn fand Verteidigungsminister zu Guttenberg als Erster klare Worte für das, was sich da abgespielt hatte: Bei der Realität in Afghanistan „kann man umgangssprachlich von Krieg reden“. Ein Tabu-Bruch, fanden damals viele. Aber wohl ein dringend notwendiger. Denn sprachliche Unklarheit hat ihre Ursache stets in gedanklicher Unklarheit. Mit seinem klaren Wort vom „Krieg” in Afghanistan half zu Guttenberg, diese Unklarheit zu beenden. (dpa/BK/H.M.)