Will die Rückkehr zum üblichen rechtsstaatlichen Verfahren: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). (Foto: imago/Mike Schmidt)
Flüchtlingskrise

De Maizière hat rechtzeitig informiert

Im Streit über die Wiedereinführung der Einzelfallprüfung für Syrer hat CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt. Laut Hasselfeldt war die gesamte Unionsfraktion seit einer Woche über seine Pläne informiert, die Einzelfallprüfung für Syrer wieder einzuführen. Immer mehr Unionspolitiker unterstützen de Maizières Vorhaben.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat nach Angaben von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt bereits in der Fraktionssitzung vergangenen Dienstag darüber informiert, dass er syrische Flüchtlinge wieder einer Einzelfallprüfung unterziehen will. „De Maiziere hat so geantwortet wie später mit der Aussage, dass die Praxis wieder so angestrebt wird wie vor November 2014“, sagte Hasselfeldt in Berlin. Der Innenminister hatte Anfang vergangener Woche die Rückkehr zur Einzelfallprüfung für Syrer angeordnet, musste dies aber am Freitag auf Druck des Kanzleramtes und der SPD wieder zurücknehmen. Ihm wurde ein unabgesprochener Alleingang vorgeworfen. Hasselfeldts Äußerung entlastet den CDU-Politiker.

An der Fraktionssitzung hatten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer teilgenommen. Die Koalitionsspitzen hatten am Donnerstag dann die Einschränkung des Familiennachzugs für Migranten mit begrenztem Schutzstatus beschlossen. Durch die gleichzeitig geplante Rückkehr zur Einzelfallprüfung hätte diese Einschränkung des Familiennachzugs auch Syrer betroffen, die dann nur einen sogenannten subsidiären Schutz bekommen hätten. Hasselfeldt sagte, die Rückkehr zur Einzelfallprüfung sei aber bisher unabhängig vom Familiennachzug schon längere Zeit von den Innenpolitikern diskutiert worden. Grund seien vor allem Sicherheitsbedenken gewesen. Sie gehe davon aus, dass auch SPD-Politiker an den Absprachen beteiligt gewesen seien.

Viele Unionspolitiker unterstützen Pläne des Ministers

Es geht darum, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu der seit November 2014 für Syrer ausgesetzten rechtsstaatlichen Regelung zurückkehrt, nach der bei jedem schutzsuchenden Immigranten erst einmal im Einzelfall überprüft wird, wie mit ihm umgegangen wird: Ob er als politischer Verfolgter ins Asylverfahren kommt, ob er Schutz für Kriegsflüchtlinge nach der Genfer Konvention in Frage erhalten soll oder ob ihm lediglich der sogenannte subsidiäre Schutz zusteht. Dieser gilt als Abschiebehindernis, ist aber zunächst auf ein Jahr begrenzt, und laut Beschluss der Koalition von letzter Woche ist für subsidiär Geschützte der Familiennachzug ausgeschlossen.

Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelnen, nicht für ganze Nationen.

Julia Klöckner, Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz

Unterdessen unterstützen immer mehr Unionspolitiker unterstützen de Maizières Vorhaben. Der CDU-Vizechef Thomas Strobl sagte dem Handelsblatt: „Wir werden, ohne Deutschland zu umzäunen, ohne unser Land abzuschotten, insgesamt zu einer Steuerung und Begrenzung der Flüchtlingszahlen kommen müssen.“ Er fügte hinzu: „Dabei werden wir um Einschränkungen beim Familiennachzug nicht herumkommen.“ Strobls Stellvertreter-Kollegin Julia Klöckner erklärte in der Rheinischen Post: „Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelnen, nicht für ganze Nationen. Es bedarf daher konsequenterweise auch einer Einzelfallprüfung.“ Bereits am Montag hatte der dritte Merkel-Stellvertreter, Armin Laschet aus NRW, gefordert, man müsse diese Frage dringend mit dem Koalitionspartner besprechen.

Beobachter erwarten in der heutigen Sitzung der Unionsfraktion heftige Diskussionen. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Bundesinnenminister de Maizière werden anwesend sein. Merkel sagte, sie setze auf eine rasche Einigung. Der sogenannte subsidiäre Schutz mit eingeschränktem Nachzugsrecht für Familienangehörige gelte nur für einen kleinen Teil der Flüchtlinge. Im Moment stehe die Frage, ob künftig wieder erst nach mündlichen Anhörungen über den Schutzstatus von Syrern entschieden werde, sagte sie am Montagabend in Schwerin.

Viel Beachtung für Schäubles Sorgen: Kippt die Stimmung im Kabinett?

An der Unions-Fraktionssitzung wird auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) teilnehmen, der für viele Kommentatoren der eigentliche starke Mann im Kabinett ist. Schäuble hatte am Wochenende erstmals öffentlich seine tiefe Besorgnis angesichts der Flüchtlingskrise ausgerückt. In der ARD hatte er darauf hingewiesen, dass die Wiedereinführung der Einzelfallprüfung für Syrer internationalem und europäischem Recht entspreche: „Wir müssen natürlich den Familiennachzug begrenzen, denn unsere Aufnahmekapazität ist ja nicht unbegrenzt“, sagte er im offenen Widerspruch zur Kanzlerin.

Es können nicht alle jetzt nach Deutschland kommen.

Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister

Schäuble wörtlich weiter: „Ich halte das für eine notwendige Entscheidung und ich bin sehr dafür, dass wir sehr rasch uns darüber in der Koalition verständigen.“ Infolge dessen sei es „eine notwendige Maßnahme, dass man im Einzelnen prüft und dass eben in Syrien klar ist: Es können nicht alle jetzt nach Deutschland kommen“, betonte Schäuble. Seine Aussagen hatten viel Beachtung erhalten. Manche Analytiker der Berliner Szene meinten, der sonst stets loyale Finanzminister könne mit seiner Kritik die Stimmung im Bundeskabinett kippen.

Kritik an einer möglichen Abkehr von dieser Regel wies der Innenausschuss-Vorsitzende Ansgar Heveling (CDU) zurück: „Wir hatten die Einzelfallprüfung ja bereits bis 2014. 70 Prozent der Flüchtlinge haben damals einen Schutzstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention erhalten – inklusive Recht auf Familiennachzug“, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Haltung der CSU ist klar

Klar ist weiterhin die Haltung der CSU: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller wies darauf hin, dass die meisten syrischen Flüchtlinge aus Lagern in den Nachbarländern nach Deutschland kämen. „Ja, dort herrschen oft schwierige Verhältnisse, aber es sind keine Kriegsgebiete“, sagte er der Mittelbayerischen Zeitung. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer appellierte in der Bild-Zeitung: „Wir brauchen von der SPD jetzt ein Zeichen der Vernunft, keine Blockade.“

dpa/Reuters/FAZ/wog