Seehofer will Konsens über Parteigrenzen hinweg
Weiterhin beantragen 5000 bis 10.000 Menschen an der bayerischen Grenze Asyl – jeden Tag. Angesichts dieses massiven Ansturms, der Kommunen, Helfer und Behörden überlastet, reicht Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) der bayerischen Opposition die Hand, um eine Begrenzung des Zuzugs zu erreichen. Unterdessen plant die Bundesregierung, einen Aktionsplan für schnellere Abschiebungen.
Flüchtlingskrise

Seehofer will Konsens über Parteigrenzen hinweg

Weiterhin beantragen 5000 bis 10.000 Menschen an der bayerischen Grenze Asyl – jeden Tag. Angesichts dieses massiven Ansturms, der Kommunen, Helfer und Behörden überlastet, reicht Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) der bayerischen Opposition die Hand, um eine Begrenzung des Zuzugs zu erreichen. Unterdessen plant die Bundesregierung, einen Aktionsplan für schnellere Abschiebungen.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hofft in der Flüchtlingskrise auf eine parteiübergreifende Einigung mit der Landtags-Opposition über Integration und Begrenzung der Zuwanderung. Ein solcher Konsens soll dann auch ein Zeichen in Richtung Berlin sein. „Wir haben große Krisen schon bewältigt durch parteiübergreifende Initiativen“, sagte Seehofer in München – als Beispiel nannte der CSU-Chef die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. „Ich glaube, wir sollten uns bemühen, bei der aufgewühlten Stimmung in der Bevölkerung ein bundesweites Signal zu setzen.“

Seehofer hatte die Gespräche mit SPD, Freien Wählern und Grünen zuvor bei einer Regierungserklärung im Landtag angekündigt. Da sich inzwischen auch bei SPD und Grünen die Stimmen für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen mehren, will Seehofer auch bei diesem strittigen Thema die Einigungsmöglichkeiten ausloten. Er wolle mit den Fraktionsvorsitzenden besprechen, „was ist verhandlungsfähig und was ist nicht verhandelbar“. Seehofer strebt damit in Bayern an, was auf Bundesebene zwischen den Schwesterparteien CSU und CDU bislang gescheitert ist.

350.000 Zuwanderer seit Anfang September

Nach Angaben von Sozialministerin Emilia Müller sind derzeit 117.000 Flüchtlinge in Bayern untergebracht. Pro Tag kämen zwischen 5000 und 10.000 Menschen an. Seit dem 1. September seien es 340.000 bis 350.000 Asylbewerber gewesen, sagte Müller. Nach dem bundesweiten Verteilungsschlüssel sollten eigentlich nur gut 15 Prozent davon im Freistaat bleiben.

Nicht schöne Worte, sondern nur noch die Tat zählt in der Bevölkerung.

Horst Seehofer

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher ist bereit, über eine Begrenzung zu sprechen: „Die Menschen im Land erwarten Dialogfähigkeit der politischen Akteure“, erklärte er. „Wir werden in großer Ernsthaftigkeit besprechen, wie wir die Flüchtlingsbewegung nach Bayern in geordnete Bahnen lenken, verlangsamen und die Zugangszahlen verringern.“ Und es werde um funktionierende Integrationskonzepte für die Zukunft gehen. Die Opposition ist in der Flüchtlingsfrage untereinander uneins. Die Freien Wähler liegen sehr nahe der CSU-Linie, SPD und Grüne haben der CSU dagegen mehrfach vorgeworfen, die Stimmung anzuheizen.

„Ich spreche gerne mit Seehofer, um Probleme von Bayern abzuwenden“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Um die hohen Zuwandererzahlen zu reduzieren, müsse sich „wenigstens in Bayern die Drehtür schneller drehen“, so Aiwanger. Menschen ohne Bleiberecht müssten schneller wieder in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden.

Seehofer verurteilt Pegida-Demonstration „schärfstens“

Seehofer malte ein düsteres Bild, falls die Bundesregierung sich nicht bald entschließe, den Massenzuzug einzudämmen – speziell für die Union, mit Verweis auf sinkende Umfragewerte von nur noch 37 Prozent. Bereits jetzt fänden sich große Teile der Bevölkerung in der Politik nicht wieder, so Seehofer. „Die Union wird weiter abnehmen, CDU und CSU – das geht an beiden nicht spurlos vorüber. Wahrscheinlich sind wir jetzt schon tiefer, als es die Umfragen ausdrücken“, sagte Seehofer vor Journalisten. Der Bundesregierung warf Seehofer vor, dass es noch keinen Beschluss für die Errichtung von Transitzonen an der deutschen Grenze gibt – obwohl das in der Union so vereinbart worden sei.

Wir haben mit diesen Leuten überhaupt nichts am Hut.

Horst Seehofer zu Pegida

Die Pegida-Demonstranten kritisierte Seehofer unterdessen scharf: „Wir haben am Montag erlebt, dass es bei diesen rassistischen, ausländerfeindlichen und streckenweise antisemitischen Äußerungen völlig inakzeptabel ist, was da stattfindet“, sagte der CSU-Chef zu der Dresdner Kundgebung. „Das wird von mir schärfstens verurteilt. Wir haben mit diesen Leuten überhaupt nichts am Hut.“ Das entbinde die Politik aber nicht von der Verantwortung, das aufzugreifen, was die demokratisch gesinnte Mehrheit in der Bevölkerung denke und empfinde. „Die Leute wollen, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen.“

Herrmann: Transitzonen und Zurückweisungen sind nach EU-Recht möglich

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warb im Landtag massiv für Transitzonen an Bayerns Außengrenzen. Das müsse gemeinsam von der Bundesregierung beschlossen werden und die CSU werde dafür kämpfen, betonte Herrmann. Grundsätzlich sei in den Transitzonen nach EU-Recht und Dublin-III-Verordnung eine Zurückweisung von Flüchtlingen unter folgenden Voraussetzungen möglich: „Offensichtlich unbegründet sind Asylanträge von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten, also vor allen Dingen den Staaten des Westbalkan. Unzulässig sind insbesondere Asylanträge, für deren Bearbeitung nach der Dublin-Verordnung ein anderer Mitgliedsstaat der EU zuständig ist.“

Außerdem richtet die Staatskanzlei einen Sonderstab für die Flüchtlingskrise ein. Leiter wird der bisherige Pressesprecher Rainer Riedl, wie die Münchner Regierungszentrale mitteilte. Der Stab soll innerhalb der Staatsregierung die Koordinierung gewährleisten, da mehrere Ministerien mit den Flüchtlingen beschäftigt sind – hauptsächlich Soziales und Innenressort. Riedl werden 15 Mitarbeiter zugeordnet.

Abschiebungen mittels „Transall“?

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem größeren Maßnahmenpaket, um die Zahl der Abschiebungen in Deutschland deutlich zu erhöhen. Das Kabinett beriet über zahlreiche Schritte, allerdings ohne bereits zu Beschlüssen zu kommen. Dazu gehört auch die Idee, Transall-Maschinen der Bundeswehr für Abschiebungen zu nutzen, wenn nicht genügend Kapazitäten in zivilen Fliegern zur Verfügung stehen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich offen dafür. Sie fände einen anderen Flugzeugtyp aber praktikabler.

Die Bundesregierung bespricht die Lage und das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise inzwischen in jeder Kabinettssitzung. Für Abschiebungen sind grundsätzlich die Länder zuständig, was insbesondere in von grünen Multikulti-Fans mitregierten Ländern viel zu wenig durchgesetzt werden kann. Auch aus anderen Gründen klappt das nicht wie erhofft. Der Bund fordert jedoch schon seit langem, abgelehnte Asylbewerber müssten schneller und in größerer Zahl als bislang in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Er will dazu einige rechtliche Rahmenbedingungen ändern und die Länder bei der Aufgabe unterstützen – unter anderem eben durch Hilfe der Bundeswehr.

Im Bund gibt es außerdem Überlegungen, die Möglichkeiten für einen rechtlichen Einspruch gegen eine geplante Abschiebung einzuschränken – und auch strengere Vorgaben für mögliche Krankschreibungen zu machen, mit der sich viele abgelehnte Asylbewerber der Abschiebung entziehen. Eine Abschiebung kann wegen einer Erkrankung ausgesetzt werden. Ein anderes Problem sind fehlende Papiere: Daher gibt es Ideen, das Ausstellen von Ersatzpapieren zu vereinfachen.

Bundeswehr grundsätzlich bereit zur Amtshilfe

Aus dem Verteidigungsministerium hieß es dazu, die Bundeswehr könne sich bei einer Abschiebung allenfalls um den Transport kümmern, dürfe dabei aber keine Polizeiaufgaben übernehmen. Das jeweilige Bundesland müsste in einem solchen Fall um Amtshilfe bitten. Allerdings gehe das nur bei freien Kapazitäten. Einsatzverpflichtungen gingen vor.

„Selbstverständlich ist eine Nutzung der Transall nicht ausgeschlossen“, sagte von der Leyen. „Aber für den Fall, dass alle zivilen Transportkapazitäten ausgeschöpft sind und die prioritären Einsätze der Bundeswehr nicht leiden, käme für diesen Zweck eher ein Truppentransporter infrage.“ Die Transall ist kein klassisches Passagierflugzeug, sondern eine Transportmaschine mit einer großen Ladefläche, mit der nur etwa 50 bis 60 Personen befördert werden können. Die Bundeswehr hat auch zwei Truppentransporter des Modells A310, die wie Passagierflugzeuge ausgestattet sind – mit jeweils 200 Plätzen.

Auch Regierungskreise sehen die Transall-Option nicht als Lösung für eine große Zahl von Abschiebungen. Die Bundeswehr hat laut Verteidigungsressort ohnehin täglich nur etwa 25 Transall-Maschinen zur Verfügung. Mit ihnen müssten alle anfallenden Transportaufgaben und Einsätze erledigt werden.

De Maizière bringt Transitzonen-Regelung auf den Weg, SPD stellt sich stur

Ein größerer – und innerhalb der Koalition strittiger – Punkt in dem geplanten Paket sind Transitzonen für Flüchtlinge an der deutschen Grenze. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat dazu bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der derzeit in der Ressortabstimmung ist. De Maizière will die Möglichkeit schaffen, Flüchtlinge vor der Entscheidung über die Einreise nach Deutschland bis zu einer Woche in Transitzonen an den Landesgrenzen festzuhalten. Wird ein Asylgesuch in dieser Zeit im Schnellverfahren abgelehnt, sollen Schutzsuchende noch an der Grenze abgewiesen werden.

Der Koalitionspartner SPD sperrt sich immer noch gegen die Pläne. „Unsere Position ist unverändert“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD), der die Transitzonen gleichzeitig als „Haftzonen“ verunglimpfte.

dpa/wog