Am letzten Tag der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz stand die aktuelle Flüchtlingsdebatte auf deutscher und europäische Ebene im Zentrum der Diskussionen. Dazu besuchte mit Ungarns Regierungschef Viktor Orban einer der wohl umstrittensten Akteure in der Flüchtlingsfrage die Abgeordneten um Ministerpräsident Horst Seehofer. Neben Seehofer, Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer und Orban war auch der EVP-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber nach Banz gekommen.
Zu Beginn zogen sich der bayerische Ministerpräsident und Orban zu einem persönlichen Gespräch zurück, insbesondere über die Flüchtlingspolitik. Anschließend trafen sich die Spitzen in etwas größerer Runde – zum Abschluss stand ein Auftritt Orbans vor der Gesamtfraktion auf dem Programm.
Ich sehe mich als eine Art Grenzkommandeur der EU, der die Pflicht hat, zu kommen und zu berichten.
Viktor Orban
Fraktionschef Thomas Kreuzer betonte in der anschließenden Pressekonferenz einmal mehr, wie wichtig es sei, mit dem ungarischen Regierungschef über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Ins gleiche Horn stieß auch Orban selbst. Er sei „stolz, bei einer Partei eingeladen zu sein, die so große historische Verdienste und eine so großen nationalen Einfluss hat wie die CSU“. Er sehe es sogar als seine Pflicht an, sich mit seinen europäischen Partnern zu treffen. „Ich sehe mich als eine Art Grenzkommandeur der EU, der die Pflicht hat, zu kommen und zu berichten“, sagte der ungarische Regierungschef. Die Migrantenkrise habe eine historische Dimension und könne daher die Zukunft der europäischen Völker bestimmen.
Ob und wie weit dies der Fall sei, hänge aber auch in hohem Maße von der Antwort Deutschlands auf die Flüchtlingsfrage ab, betonte Orban. Er sei sich mit der CSU bei den Grundforderungen in der Asylpolitik einig: Der Grenzschutz an den EU-Außengrenzen müsse verstärkt werden. „Wir haben in Europa Rechte und Gesetze – und die Flüchtlingskrise muss auch wieder nach rechtlichen Grundsätzen organisiert werden“, betonte Orban.
Ungarn will selbst Lösungsvorschläge machen
Beim Treffen der EU-Regierungschefs am Mittwochabend werde er selbst konkrete Lösungsvorschläge für die Asylpolitik unterbreiten, sagte der Regierungschef. Dazu zähle unter anderem ein europäischer Grenzschutz, der beispielsweise in Griechenland den Ansturm auf die Außengrenze besser kontrollieren solle. Außerdem sollte die Liste sogenannter „sicherer Drittstaaten“ auf EU-Ebene definiert werden. Dabei ist es für den ungarischen Premier klar, dass EU-Beitrittskandidaten „zweifellos“ als sichere Länder einzustufen seien. Zusätzlich schlug Orban vor, dass jedes EU-Land ein Prozent seines Bruttoinlandsproduktes einsparen solle, um so neue Finanzmittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu generieren. Außerdem müsse die EU nach Meinung Orbans sein Verhältnis zu Russland und der Türkei neu überdenken.
Wir befinden uns in einer historischen Epoche, und die Flüchtlingskrise ist die größte politische Aufgabe seit der Wiedervereinigung und der Überwindung der europäischen Teilung.
Horst Seehofer
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer betonte, er sei „sehr froh“, dass die Landtagsfraktion Viktor Orban eingeladen habe. „Wir befinden uns in einer historischen Epoche, und die Flüchtlingskrise ist die größte politische Aufgabe seit der Wiedervereinigung und der Überwindung der europäischen Teilung“, stellte Seehofer fest. Da sei es absolute Pflicht, miteinander zu reden und gemeinsam Lösungen zu suchen – zumal Ungarn für Seehofer „unverzichtbar für eine wirkliche Lösung des Problems“ ist. „Wir stimmen überein, dass nach dem beinahe regel- und systemfreien Ausnahmezustand der vergangenen Zeit wieder Ordnung und System Einzug halten muss“, stellte Bayerns Regierungschef fest. Viktor Orban bemühe sich – trotz allen Gegenwindes – genau darum.
„Europäische Regeln wieder zur Geltung zu bringen hat Unterstützung verdient“
Dafür, europäische Regeln wieder zur Geltung zu bringen, habe Orban die Unterstützung der europäischen Partner, und nicht deren Kritik verdient, befand Seehofer, und sagte seinem Gast sogleich die Unterstützung des Freistaats bei dieser Mission zu.
Eine große Herausforderung sieht Seehofer in der Integration der Flüchtlinge. „Die Menschen mit Schutzbedarf, die zu uns kommen, müssen wir so integrieren, dass es zu keinen gesellschaftlichen Spannungen kommt“, betonte der CSU-Chef. Als Grundpfeiler für eine gelungene Integration nannte Seehofer die Sprache, den Beruf, die Kultur und die Bildung. Für die bayerische Asylpolitik gebe es zwei Grundsäulen: Die Begrenzung des Zustroms und die Integration Schutzbedürftiger.
Weber hofft auf Einigung der Regierungschefs
EVP-Fraktionschef Manfred Weber gab einen Ausblick auf das anstehende Gipfeltreffen der EU-Regierungschefs zur Flüchtlingskrise. „Der Migrantenansturm ist eine gewaltige Herausforderung für Europa“, stellte Weber fest. Die EVP erwarte von dem Gipfel, dass die EU jetzt endlich eine „gemeinsame Antwort“ auf die Krise gebe, so der CSU-Europaabgeordnete. Die Forderung nach einer festen Verteilungsquote, wie sie von Deutschland unterstützt aber von Ungarn abgelehnt wird, habe die Unterstützung seiner Fraktion im Parlament, so Weber. „Ich hoffe, dass auch die Regierungschefs jetzt eine Einigung in dieser Frage erzielen.“
Alle, die bessere Ideen haben, wie wir wieder Recht und Ordnung herstellen können, sind herzlich eingeladen, ihre Ideen kundzutun.
Manfred Weber
Auf die Kritik an der Einladung Orbans nach Banz ging auch Weber ein. „Viktor Orban spricht Fragen an, die auf den Tisch gehören“, sagte Weber. Dazu gehören unter anderem stärkere Grenzsicherungsmaßnahmen. „Alle, die bessere Ideen haben, wie wir wieder Recht und Ordnung herstellen können, sind herzlich eingeladen, ihre Ideen kundzutun“, sagte Weber mit Blick auf die Opposition. Bisher habe es seiner Meinung nach aber noch keine besseren Vorschläge gegeben. Überhaupt müsse die EU endlich Recht und Ordnung in der Asylpolitik wiederherstellen und die Initiative ergreifen, so Weber. „Es dürfen nicht Schlepper entscheiden, wer nach Europa kommt, sondern Staaten“, betonte der Fraktionschef.
Die Idee, sogenannte „Flüchtlingskontingente“ für besonders belastete Länder wie etwa Jordanien einzurichten, nannte Weber einen „guten Vorschlag“. Das nehme er mit in die EVP-Fraktion nach Brüssel und werde dort mit seinen Kollegen darüber sprechen. Gleichzeitig richetete Weber einen Appel an die Türkei: „Die jetzigen Fragen sind nicht zu lösen, wenn wir nicht gemeinsam mit der Türkei agieren“, stellte Weber fest. Dabei brauche es allerdings auch auf türkischer Seite die Bereitschaft für ein gemeinsames Vorgehen gegen Schlepper – eine Bereitschaft, die man von der Türkei als NATO-Partner und EU-Beitrittsanwärter auch erwarten könne, so der EVP-Fraktionschef.