Merkel und Feymann beantragen EU-Sondergipfel
Schon nächste Woche werden sich die 28 Regierungschefs der EU voraussichtlich zu einem Sondergipfel in Sachen Flüchtlingskrise treffen. Die Bundeskanzler von Deutschland und Österreich, Merkel und Feymann, haben das Sondertreffen beantragt. Während Bundesinnenminister de Maizìère finanzielle Sanktionen gegen Aufnahme-unwillige EU-Partner vorschlägt, fordern die Länder mehr Unterstützung vom Bund.
Flüchtlingskrise

Merkel und Feymann beantragen EU-Sondergipfel

Schon nächste Woche werden sich die 28 Regierungschefs der EU voraussichtlich zu einem Sondergipfel in Sachen Flüchtlingskrise treffen. Die Bundeskanzler von Deutschland und Österreich, Merkel und Feymann, haben das Sondertreffen beantragt. Während Bundesinnenminister de Maizìère finanzielle Sanktionen gegen Aufnahme-unwillige EU-Partner vorschlägt, fordern die Länder mehr Unterstützung vom Bund.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der österreichische Kanzler Werner Faymann haben gemeinsam einen EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise in der nächsten Woche beantragt. Dieser Vorschlag sei EU-Ratspräsident Donald Tusk telefonisch unterbreitet worden, sagte Merkel nach einem Treffen mit Faymann in Berlin.

Bei dem Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs solle es unter anderem darum gehen, wie die Herkunftsländer von Flüchtlingen besser unterstützt werden können. Auch mit der Türkei müsse man „besser ins Gespräch kommen“, sagte Merkel. Ein weiteres Thema soll der Aufbau von Erstaufnahmezentren an den europäischen Außengrenzen sein.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Kritik an der unkontrollierten Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland in den vergangenen zwei Wochen.

Faymann betonte: „Es ist wichtig, dass wir den Kopf nicht in den Sand stecken.“ Entscheidend sei jetzt, wie den Menschen in Not geholfen werden könne. Die Frage sei auch, ob dieses Ziel genau so viel wert sei wie die Bewältigung der Finanzkrise. Es müsse Menschlichkeit und Kontrolle zugleich geben.

Unterdessen wies Merkel Kritik an der großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zurückgewiesen. „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann in Berlin. Merkel bezeichnete die Flüchtlingskrise als eine der größten  Herausforderungen seit Jahrzehnten.

De Maiziere fordert finanzielle Sanktionen gegen unwillige EU-Partner

Nach der vertagten EU-Entscheidung über die Aufnahme von Flüchtlingen fordert Bundesinnenminister Thomas de Maizière finanzielle Sanktionen für Staaten, die eine Quote ablehnen. „Die Länder, die sich verweigern, denen passiert nichts. An ihnen gehen die Flüchtlinge eben vorbei“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag im ZDF. „Deswegen müssen wir, glaube ich, über Druckmittel reden.“ Die EU-Kommission sieht indes keine Handhabe für derartige Strafmaßnahmen.

Die Programme aus dem EU-Haushalt bis 2020 böten „keine Rechtsgrundlage, um Mittel aus Strukturfonds zu kürzen, wenn ein Mitgliedstaat sich dem verbindlichen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge verweigert“, teilte eine Sprecherin der EU-Kommission mit. Sie erteilte den Forderungen aus Berlin damit eine Absage. Dafür müsse man den mehrjährigen Finanzrahmen aufschnüren. „Dies gehört nicht zu den Optionen, die wir derzeit prüfen.“

Eine Entscheidung über die umstrittene Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten war am Montagabend beim Krisentreffen der Innenminister vertagt worden. Dabei konnten sich die Minister in Brüssel nur grundsätzlich auf die Aufnahme-Zahl einigen, sagte de Maizière. Ein verbindlicher Verteilschlüssel nach dem Vorschlag der EU-Kommission fehlt weiterhin. Beim nächsten Treffen am 8. Oktober wollen die 28 Ressortchefs erneut darüber beraten.

Ungarn ruft Krisenfall für zwei Bezirke aus

Derweil rief Ungarns Regierung den „Masseneinwanderungs-Krisenfall“ für zwei südliche Landesbezirke. Nur wenige Stunden nach Einführung der verschärften ungarischen Gesetze zum Grenzübertritt gab es dort erste Verhaftungen von Flüchtlingen. Der Krisenfall wird in Ungarn durch ein neues Gesetz zum schärferen Grenzregime geregelt, das am Dienstag in Kraft trat.

Eine Ausrufung ermächtigt die Behörden etwa zu beschleunigten, faktisch rein formalen Asylverfahren. Flüchtlingen, die den nun vollständig geschlossenen Grenzzaun von Serbien aus überqueren oder beschädigen, droht eine Haftstrafe oder die Ausweisung. In der Nacht nahm die Polizei 16 Menschen fest, die den Grenzzaun durchschnitten hatten. Nach Beobachtungen eines Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur vom Vormittag versammelten sich etwa 2000 Menschen an der Grenze und forderten lautstark Einlass.

Vor der Schließung der serbisch-ungarischen Grenze hatte noch eine Rekordzahl von Flüchtlingen Ungarn erreicht: Die Polizei meldete 9380 Ankömmlinge – etwa viermal so viel wie im Tagesdurchschnitt der vergangenen Wochen.

Ungarn plant neuen Grenzzaun zu Rumänien

Nun will Ungarn auch an der Grenze zum EU-Nachbarland Rumänien einen Grenzzaun bauen. Als Grund gab Ungarns Außenminister Peter Szijjarto an, dass sich Schlepper nach der Schließung der ungarisch-serbischen Grenze Ausweichrouten über Rumänien suchen könnten. Man habe das Außenministerium in der rumänischen Hauptstadt Bukarest bereits über den Beschluss informiert. Beginnen solle der Bau des Zauns am ungarisch-serbisch-rumänischen Dreiländereck. „In vernünftiger Länge“ solle der Zaun von dort zum nahen Maros-Fluss führen sowie noch einige Kilometer weiter in östliche Richtung. Genauere Angaben machte Szijjarto zunächst nicht.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte im ZDF von Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen. „Wenn Europa daran scheitert, an dieser Herausforderung, der wir uns zu stellen haben, dann gibt es in dieser Form kein Europa mehr.“ Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge nannte die Ergebnisse des EU-Sondertreffens „sehr enttäuschend“. Es gehe um eine Notsituation, er sei schockiert gewesen, sagte António Guterres am Vormittag im Europäischen Parlament in Brüssel.

Länder fordern Verdoppelung der Bundes-Zuwendungen

Angesichts der Auswirkungen der Flüchtlingskrise in Deutschland forderten die Länder vor ihrem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend in Berlin mehr Unterstützung. Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) nannte nach einer Kabinettssitzung vor allem die Forderung nach einer Verdopplung der Finanzhilfen des Bundes für Länder und Kommunen.

Zudem sei die Bundesregierung gefordert, die Verteilung der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zu übernehmen und entsprechende Drehkreuze in anderen Ländern zu schaffen. Und über allem stehe das Ziel einer Begrenzung der weiteren Zuwanderung, betonte Huber. So wie zuletzt könne es nicht weitergehen, sagte er mit Blick auf die Lage in München. „Wir sind nicht unbegrenzt in der Lage, zu helfen.“

Huber verteidigte das Ziel, während des Oktoberfestes keine Flüchtlingszüge in München abfertigen zu müssen. Kritik und Spott wies er zurück. Die logistische Abwicklung des Besuchs von sechs Millionen Menschen könne man nicht mit dem Begriff Folklore abdecken. Da gehe es um Sicherheitsfragen. Es werde deshalb nichts übrig bleiben, als Züge während der Wiesn von München fernzuhalten.

Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer wollte bei dem Sondertreffen auf eine rasche Integration der Flüchtlinge dringen. „Wir brauchen einen nationalen Pakt aller Akteure, nicht nur von Bund, Ländern und Kommunen. Sondern auch der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Sozialverbände“, sagte die SPD-Politikerin dem „Trierischen Volksfreund“.