Ungebremster Zustrom von Asylbewerbern: Am Münchner Hauptbahnhof sind allein Anfang September Tausende Syrer aus Budapest angekommen. (Bild: Imago/Gehrling/Eibner-Pressefoto EP_JGG)
Asylpolitik

Schulterschluss im Angesicht der Flüchtlingskrise

In Bayern arbeiten Staatsregierung, Kommunen, Kirchen und Wohlfahrtsverbände eng zusammen, um die Flut an Immigranten zu bewältigen. „Gemeinsam schaffen wir das“, lautete das Fazit des zweiten „Flüchtlingsgipfels“ in der Staatskanzlei. Angesichts des gewaltigen Zustroms an Immigranten äußern aber auch immer mehr Deutsche Sorgen. Die Forderungen der Unionsparteien finden überwältigende Zustimmung.

Der Freistaat Bayern, Kommunen, Kirchen, Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände wollen bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise eng zusammenstehen. Das bekräftigten alle Beteiligten beim zweiten Asylgipfel unter Leitung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in der Staatskanzlei. Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) betonte zugleich, dass man sich einig gewesen sei, dass das Asylrecht nur für die wirklich Verfolgten gelte. Man könne es nicht schaffen, allen zu helfen.

„Die Herausforderung ist groß, aber ich glaube, die Kraft ist auch groß“, sagte der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm für die Kirchen. Übereinstimmend hervorgehoben und gelobt wurde das große Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer. Es wurden aber auch einige klare Forderungen an den Bund laut: etwa nach deutlich mehr sozialem Wohnungsbau und mehr Geld für den Ausbau der Asylsozialarbeit.

Bund muss Baurecht lockern

Der bayerische Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) forderte den Bund auf, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf mindestens zwei Milliarden Euro zu vervierfachen. Zudem sprach sich der Nürnberger Oberbürgermeister dafür aus, in der derzeitigen Situation bestimmte Regelungen außer Kraft zu setzen, die die schnelle Errichtung von Notunterkünften für Flüchtlinge behinderten – etwa im Baurecht. Auch auf vorgeschriebene Vergabeverfahren solle verzichtet werden dürfen.

Die gesamte Bundesrepublik, vor allem aber Bayern, sieht sich einem enormen Ansturm von Asylbewerbern, Kriegsflüchtlingen und Sozialmigranten gegenüber. Nach der jüngsten Prognose des zuständigen Bundesamts wird heuer deutschlandweit mit 800 000 Asylbewerbern gerechnet. Marcel Huber schloss angesichts der derzeitigen Lage aber auch eine Zahl von einer Million nicht aus. Der Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes, Theo Zellner, sagte, es stelle sich schon die Frage, ob man dies noch bewerkstelligen könne. Nur gemeinsam werde man es schaffen.

Grundsätzlich offen zeigte sich die Runde für einen Vorschlag des Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer (CSU), befristete Arbeitsvisa für Menschen aus Balkanländern einzuführen. Neumeyer schlug vor, Anwerbeabkommen mit den entsprechenden Ländern zu schließen, um Fachkräften den Weg nach Deutschland zu ermöglichen. Marcel Huber nannte die Idee „durchaus erwägenswert“ – aber nur wenn der Bedarf durch die zuständigen Behörden klar definiert sei.

Hälfte der Deutschen äußert Sorgen wegen Asylbewerberflut

Unterdessen artikulieren angesichts der Masseneinwanderung immer mehr Deutsche ihre Sorgen wegen wachsender Terrorgefahr und importierten Islamismus: Jeder zweite Deutsche hat laut einer Studie Angst vor Konflikten durch Zuwanderung und politischen Extremismus. Das ist das Ergebnis einer veröffentlichten repräsentativen Studie der R+V-Versicherung, die seit 1992 rund 2400 Deutsche zu ihren Ängsten befragt. „Aktuelle Bedrohungen und Herausforderungen, die von außen auf uns zukommen, lösen in diesem Jahr sehr große Ängste aus“, erklärte Rita Jakli, Leiterin des Infocenters der Versicherung. Auch die Schuldenkrisen von EU-Ländern treiben die Deutschen um: 64 Prozent der Befragten fürchten hohe Kosten für Steuerzahler. Jeder Zweite bangt auch um den Euro.

Im „Deutschlandtrend“ zeigen sich ebenfalls die Sorgen der Deutschen angesichts der Flüchtlingsflut: Jeder dritte Deutsche würde gern weniger Flüchtlinge aufnehmen, 37 Prozent halten das derzeitige Niveau für angemessen, und 22 Prozent sprechen sich für einen stärkeren Zuzug von Asylbewerbern aus. Während 96 Prozent für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und 80 Prozent für die Aufnahme von politisch Verfolgten sind, äußern sich 65 Prozent ablehnend, wenn es um Wirtschafts- und Sozialmigranten geht, etwa vom Westbalkan. Den „Deutschlandtrend“ erstellte Infratest-Dimap im Auftrag der ARD und der „Welt“.

79 Prozent für Abschiebungen, 72 Prozent für Sachleistungen statt Geld

Die überwältigende Mehrheit der Deutschen teilt die drei Kernforderungen der Unionsparteien in der Asyldebatte: 79 Prozent der Befragten des „Deutschlandtrends“ befürworten konsequente Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. 72 Prozent versprechen sich einen Nutzen von der Umstellung von Geldleistungen auf Sachleistungen für Asylbewerber. Sogar 92 Prozent der Befragten forderten eine gerechte Verteilung der Asylsuchenden nach einer Quote auf die 28 EU-Staaten. 45 Prozent der Deutschen fordern sogar die Wiedereinführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU.

Gefälschte syrische Pässe sollen Einreise ermöglichen

Unterdessen hat der Zoll Pakete mit echten und gefälschten syrischen Pässen abgefangen. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Keine Angaben machte sie dazu, um wie viele Dokumente es sich handelt. Die Bundespolizei überprüft nun die Pässe auf ihre Echtheit. Syrische Pässe sind unter Flüchtlingen begehrt. Wer nachweisen kann, dass er aus Angst vor Verfolgung aus dem Bürgerkriegsland geflohen ist, hat in Deutschland gute Aussichten auf Asyl. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex warnte kürzlich davor, dass es in der Türkei einen gut organisierten Fälschermarkt für syrische Pässe gebe.

dpa/wog