Verfassungsschutz

Bundesamt soll Einsätze koordinieren

Die Staatsschutzarchitektur Deutschlands wird umgebaut: Bundes- und Landesverfassungsschutzämter sollen enger zusammenarbeiten und den Einsatz von V-Leuten besser koordinieren. Das Verfassungsgericht von den Ländern Beweise, dass alle V-Leute in der NPD abgeschaltet wurden.

Berlin – Die Staatsschutzarchitektur Deutschlands wird umgebaut: Bundes- und Landesverfassungsschutzämter sollen enger zusammenarbeiten und den Einsatz von V-Leuten besser koordinieren. Unterdessen fordert das Verfassungsgericht von den Ländern Beweise, dass alle V-Leute in der NPD abgeschaltet wurden.

Als Konsequenz aus den Ermittlungspannen im Fall der rechten Terrorzelle NSU will die Bundesregierung die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer in Bund und Ländern neu ordnen. Das Kabinett brachte eine lange diskutierte Reform auf den Weg. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll mehr Befugnisse bekommen und im Zweifel auch in den Ländern operativ eingreifen können. Für den Einsatz von V-Leuten werden im Gesetz erstmals Regeln festgelegt.

Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern sollen nun per Gesetz zu einem intensiveren Informationsaustausch verpflichtet werden und eigene Erkenntnisse ausführlicher als bislang in eine gemeinsame Datenbank einspeisen. Das Bundesamt soll die Zusammenarbeit der Ämter koordinieren und die Erkenntnisse zu wesentlichen Phänomen-Bereichen zentral auswerten. Bei gewaltorientierten Bestrebungen in den Ländern soll das Bundesamt notfalls selbst in die Beobachtung einsteigen können.

Jetzt kommt die Reform-Vorlage erst einmal in den Bundestag, wo reger Gesprächsbedarf herscht, meint der innenpolitische Experte der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser: „Die unfassbare Mordserie des NSU zeigte schmerzhaft auf, dass es einer besseren Vernetzung der Verfassungsschutzbehörden bedarf, um zu gewährleisten, dass in Zukunft wichtige Zusammenhänge schneller erkannt werden können. Mit dem Gesetzentwurf soll deshalb die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestärkt werden.“

So weit, so gut, sagt Frieser. Aber damit sind noch lang nicht alle Fragen geklärt: „Klärungsbedarf wird es in der parlamentarischen Beratung aber noch wegen der Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Zusammenarbeit geben. Einige Länder, unter ihnen auch Bayern, plädieren für ein verpflichtendes Einvernehmen, bevor das Bundesamt für Verfassungsschutz eigenständig tätig werden kann.“ Auch in anderen Ländern stoßen die Zentralisierungspläne auf Widerstand. Der Vorsitzende der  Innenministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Ressortchef Roger Lewentz (SPD), sagte, über diesen Punkt sei noch zu reden.

Für den Einsatz von V-Leuten – also Mitgliedern einer Szene, die dem Verfassungsschutz regelmäßig Informationen liefern – werden im Gesetzentwurf Regeln festgeschrieben. Wer zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, scheidet als Quelle für das Bundesamt aus. Es soll auch nicht so sein, dass V-Leute allein von ihrer Informantentätigkeit leben können. Geregelt wird auch, dass diese Quellen bei kleineren Delikten von einer Strafverfolgung verschont werden können – etwa beim Zeigen des Hitler-Grußes oder Verstößen gegen das Vermummungsverbot. „Eine klare rechtliche Grundlage darf aber nicht zu einer realitätsfernen Einschränkung der Ermittlungsmöglichkeiten führen“, warnt Frieser. „Es müssen Einzelfallentscheidungen möglich sein, um flexibel auf Bedrohungslagen reagieren zu können.“

Ein wenig grotesk wirkt in diesem Zusammenhang, dass das Bundesverfassungsgericht in Sachen NPD-Verbot vom Bundesrat jetzt verlangt, die Länder mögen doch bitte „in geeigneter Weise belegen“, dass wirklich alle V-Leute in der NPD abgeschaltet sind. Die diesbezügliche Erklärung aller Landes-Innenminister, die mit dem Verbotsantrag eingereicht wurde, genügt den Richtern offenbar nicht. „Ein Fest für die NPD“, kommentiert die FAS diese Forderung. Denn genau so argumentiert auch die rechtsextremistische Partei und behauptet, sie würde auch jetzt noch bespitzelt. An den vielen V-Leuten war der erste NPD-Verbotsantrag 2003 gescheitert.

Grotesk ist das deshalb, weil NPD-Funktionäre jetzt einfach behaupten könnten, sie seien V-Leute des Verfassungsschutzes, und würden damit den Verbotsprozess unterminieren. Wer könnte denn das Gegenteil beweisen? Außerdem könnte eine gerichtliche Benennung der V-Leute durch die Ämter deren Leben gefährden. Alles sehr heikel.