Menschenfalle Berliner Mauer: Blick auf das Reichstagsgebäude im Juni 1989. (Bild: avd)
Vor 54 Jahren

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“

Vor 54 Jahren, am 13. August 1961, begann der Bau des "antifaschistischen Schutzwalls", wie die SED die Berliner Mauer nannte, die ihre eigenen Bürger davon abhalten sollte, vor den Kommunisten in den Westen, in die Freiheit zu fliehen. Über die endgültige Zahl der Toten an der Mauer und den innerdeutschen Grenzanlagen gibt es immer noch keine Gewissheit.

Am 13. August 1961 hatte die SED-Führung unter Walter Ulbricht mit dem Bau der Mauer begonnen, nachdem er noch kurz vorher dreist die Welt und die eigene Bevölkerung belogen hatte mit dem Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Das rund 155 Kilometer lange Bollwerk zerschnitt Berlin dann über 28 Jahre. Die Teilung endete erst mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starben allein an der Berliner Mauer mindestens 138 Menschen durch das DDR-Grenzregime. Dies sind jedoch nur die eindeutig belegten Fälle. Viele andere Morde wurden vermutlich vom DDR-Regime vertuscht und als Unfälle oder Tötungen an anderen Orten getarnt.

Der Mauerbau war zugleich das dauerhafte Eingeständnis der SED, dass ihr Regime und damit der Sozialismus vollständig gescheitert war. Die Errichtung zählt zweifellos zu den größten Verbrechen der Menschheit.

Zigtausende Opfer der SED

Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass an den gesamten DDR-Grenzanlagen zwischen Lübecker Bucht und tschechoslowakischer Grenze ab 1949 in jedem Fall mehr als 1000 Menschen getötet wurde. Die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ sprach sogar von mehr als 1300 Opfern. Die endgültige Zahl steht jedoch bis heute nicht fest. Ein derzeit laufendes wissenschaftliches Projekt des Forschungsverbundes SED-Staat der FU Berlin zur Opferzahl wurde am 11. August verlängert. Der Grund: Die Recherche und die Suche in Archiven sei komplexer als angenommen. Voraussichtlich soll 2017 ein Totenbuch vorliegen.

Hinzu kommen natürlich die zahlreichen Opfer von 1945 bis 1989, die nicht an der Grenze, sondern aus verschiedenen Gründen anfangs in sowjetischen Lagern wie Workuta zu Zehntausenden starben, später dann in DDR-Zuchthäusern. Oder die Opfer des Volksaufstandes von 1953, die von sowjetischen Panzern brutal niedergemacht wurden.

Millionenflucht

Vor 1961 waren es Millionen, die ihr Heil in der Flucht aus der DDR suchten, die meisten davon vor 1952. Denn Ende Mai 1952 wurde die innerdeutsche Grenze massiv abgeriegelt, das Schlupfloch Berlin blieb jedoch noch offen. Genaue Zahlen vor 1961 sind schwer zu erfassen, doch es wird geschätzt, dass insgesamt etwa 3,8 Millionen Menschen die DDR nach ihrer Gründung 1949 bis Juni 1990 legal oder illegal verließen, wovon rund 400.000 wieder zurückkehrten. Zieht man die 40.000 erfolgreich Geflohenen in der Zeit 1961-1989 sowie die Zehntausenden von Ende 1989 bis zum Juni 1990 ab, dürften also in jedem Fall mehr als drei Millionen Menschen vor 1961 aus der DDR geflohen sein.

Die Vergessenen: Ertappte „Republikflüchtige“, die überlebten

Auch nach dem Mauerbau 1961 versuchten rund 150.000 Menschen, die DDR-Grenze „illegal“ zu überwinden. Nur 40.000 gelang es. Der Rest wurde wegen „Republikflucht“ oft zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und auch nach der Freilassung fast immer mitsamt der ganzen Familie beruflich diskriminiert, beispielsweise vom Studium ausgeschlossen oder von Führungspositionen abgehalten. Zudem hatten viele aus den brutalen Gefängnissen schwere gesundheitliche Probleme physischer, aber auch psychischer Natur.

Nur 46 Täter mussten ohne Bewährung in Haft, nur zwei davon für 10 Jahre, der Rest deutlich darunter – für 40 Jahre übelster kommunistischer Diktatur.

Ihre zum großen Teil miserable oder ganz fehlende Entschädigung ist bis heute einer der großen Schandflecke der Bundesrepublik – während die linken Täter heute oft höhere Renten erhalten als ihre Opfer oder sogar für die Linkspartei wieder in Parlamenten sitzen. Ein weiterer Schandfleck bleibt die juristische Aufarbeitung der DDR-Diktatur: Nur 46 Täter mussten ohne Bewährung in Haft, nur zwei davon für 10 Jahre, der Rest deutlich darunter – für 40 Jahre übelster kommunistischer Diktatur mit rund 250.000 politischen Gefangenen sowie tausenden Ermordeten an der Grenze, in den Gefängnissen und anderen Orten. Einen uns beschämenden Vergleich stellten die Autoren Uwe Müller und Grit Hartmann in ihrem Buch „Vorwärts und vergessen“ (Rowohlt Verlag) an: Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 158 Täter wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Wegen eines vergleichsweise harmlosen Delikts wurden also in einem Jahr mehr Menschen ins Gefängnis geschickt als für die Verbrechen einer jahrzehntelangen Diktatur.

2015: Die Erinnerung heute

Am 54. Jahrestag des Mauerbaus hat Berlin heute an die Opfer der deutschen Teilung erinnert. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) legte im Beisein zahlreicher Vertreter der Bundespolitik in der Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße einen Kranz nieder. Er betonte, Freiheit und Rechtsstaat seien nicht selbstverständlich. Viele Berliner wüssten aus eigenem Erleben, dass Demokratie erkämpft werden müsse. Auch Kanzlerin Angela Merkel schickte ein Gebinde. In einer Erklärung von Bundesratspräsident Volker Bouffier (CDU) hieß es, der Mauerbau sei ein schwarzer Tag deutscher Geschichte gewesen. Das Schicksal von Millionen Menschen sei negativ beeinflusst, ganze Familien seien auseinandergerissen worden, erklärte der hessische Ministerpräsident. Die Erinnerung müsse aufrechterhalten werden.

Zuvor gab es in der Kapelle der Versöhnung der Gedenkstätte an der Bernauer Straße auf dem früheren Todesstreifen eine Andacht. Daran nahm auch die Mutter des letzten erschossenen DDR-Flüchtlings, Karin Gueffroy, teil. Ihr 20-jähriger Sohn Chris war noch im Februar 1989 tödlich getroffen worden, als er in den Westen fliehen wollte.

Das Maueropfer Peter Fechter war vor den Augen der Welt verblutet.

Vielerorts wurden die Opfer gewürdigt. In der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wurde mit einer Kranzniederlegung der Menschen gedacht, die wegen Fluchtversuchen in der DDR verhaftet wurden. Auch zur Gedenkstele für Peter Fechter wurden Blumen gebracht. Fechter war am 17. August 1962 von DDR-Grenzposten bei einem Fluchtversuch nahe dem Checkpoint Charlie angeschossen worden und vor den Augen der Welt verblutet. In der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn (Sachsen-Anhalt) sollte eine Ausstellung zur Mauer eröffnet werden. An der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam sollte es am Abend eine Lichterkette geben.