Offene Fenster: Einbrecher haben zu oft leichtes Spiel. Bild: Fotolia/Photographee-eu
Wohnungseinbrüche

Den Banden an den Kragen

Im Kampf gegen Einbrecher haben Bayern und Baden-Württemberg am Freitag eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. In beiden Bundesländern sind die Einbruchszahlen dramatisch gestiegen. Geplant sind unter anderem gemeinsame Fahndungen, der Datenaustausch und länderübergreifende Kontrollen.

Im Kampf gegen Einbrecherbanden werden Baden-Württemberg und Bayern ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen. Das erklärten Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall am Freitag bei der Unterzeichnung der neuen länderübergreifenden Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität in Stuttgart.

Das Risiko, erwischt zu werden, steigt für Einbrecher im Süden Deutschlands deutlich.

Joachim Herrmann und Reinhold Gall

Kern der Vereinbarung ist ein 7-Punkte-Programm beider Polizeien, das insbesondere einen schnelleren und besseren Informationsaustausch, eine stärkere gemeinsame Täterfahndung sowie eine noch intensivere Zusammenarbeit bei konkreten Ermittlungsverfahren und in der Prävention vorsieht. „Das Risiko, erwischt zu werden, steigt für Einbrecher im Süden Deutschlands deutlich“, waren sich die Minister einig.

Experten erarbeiteten das 7-Punkte-Konzept

Wie Herrmann und Gall erläuterten, hat eine hochrangige Arbeitsgruppe unter Leitung der Inspekteure der Polizeien aus Bayern und Baden-Württemberg zusammen mit Experten der beiden Landeskriminalämter und einzelner Polizeipräsidien das gemeinsame Bekämpfungskonzept erarbeitet. „Damit vernetzen wir unsere Kompetenzen im Kampf gegen die Einbruchskriminalität und können gegenseitig von unseren Stärken profitieren“, betonte Gall. „Es geht uns um die effektive Bündelung unserer Informationen, unserer Polizeikräfte und unseres Know-how“, so Herrmann. Die intensive Bekämpfung der Wohnungseinbrüche bleibe ein wichtiger Schwerpunkt der Polizeiarbeit in Baden-Württemberg und Bayern, auch wenn erste Trends für 2015 zeigten, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche gesunken ist.

Mehr Austausch und Kooperation

Die neue Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität hat sieben Schwerpunkte:

  • Erstens: Die Länderpolizeien intensivieren ihren Informationsaustausch. Dazu führen sie beispielsweise die Erkenntnisse aus laufenden Ermittlungsverfahren schneller und effektiver zusammen und können Tatzusammenhänge, Reisewege, Absatzmärkte und Bandenstrukturen besser rekonstruieren. Unter anderem werden hierzu künftig täglich Lagebilder über verdächtige Personen und Fahrzeuge sowie über aufgefundenes Diebesgut ausgetauscht.
  • Zweitens: Die beiden Länder optimieren die Auswertung von Täterspuren. Hierzu vernetzen sich Bayern und Baden-Württemberg bei der Kriminaltechnik und insbesondere bei der Spurenauswertung noch enger. Das gilt vor allem für Schuh- und Werkzeugspuren. „Die gezielte Spurenauswertung hat mit dazu beigetragen, dass die spezifische Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen in Baden-Württemberg im 1. Halbjahr 2015 bei mehr als 20 Prozent liegt“, unterstrich Minister Reinhold Gall.
  • Drittens: Es gibt künftig gemeinsame länderübergreifende Fahndungsmaßnahmen und Schwerpunktkontrollen. Bereits für Herbst 2015 sind entsprechende Aktionen geplant. Herrmann: „In dieser Zeit rechnen wir mit verstärkten Wohnungseinbrüchen in der Dämmerung. In Bayern haben wir mit landesweiten Schwerpunktkontrollen gute Erfolge erzielt. Beispielsweise haben wir dieses Jahr im März bei einem einwöchigen Schwerpunkteinsatz mit 1.280 Polizeibeamten fast 7.700 Personen und 5.600 Fahrzeuge an wichtigen Ein- und Ausfallstraßen sowie auf internationalen Verkehrswegen kontrolliert. In 30 Fällen klickten die Handschellen.“ Außerdem habe Bayern erst kürzlich die Schleierfahndung um 500 Beamte verstärkt.
  • Viertens: Bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität nehmen die bayerische und baden-württembergische Polizei verstärkt reisende Intensivtäter und osteuropäische Täterbanden ins Visier, gerade auch im Hinblick auf Reise- oder Fluchtwege. Dazu gehören beispielsweise gemeinsame Ermittlungsgruppen mit Kriminalbeamten beider Länder. Gall stellte fest: „Durch unsere landesweit bei den Polizeipräsidien eingerichteten Ermittlungsgruppen und besonderen Aufbauorganisationen wurden in Baden-Württemberg 17 Verfahren gegen Einbrecherbanden geführt. Dabei wurden 79 Tatverdächtige festgenommen, denen 559 Wohnungseinbrüche zugerechnet werden. Wenn rund 70 Prozent der Tatverdächtigen in Haft gehen, zeigt das ein hohes Maß an Ermittlungsqualität. Und es verdeutlicht vor allem, worauf sich Einbrecherbanden in Baden-Württemberg und Bayern einstellen können – auf eine Inhaftierung.“ Wie Herrmann ergänzte, stammten 43 Prozent der 631 im Jahr 2014 in Bayern gefassten Einbrecher aus dem Ausland, die meisten davon aus Osteuropa. „In München und Ingolstadt beispielsweise konnten unsere Ermittler einer serbischen Einbrecherbande mehr als 200 Wohnungseinbrüche mit einem Gesamtschaden von rund 2,4 Millionen Euro nachweisen.“
  • Fünftens: Beide Polizeien entwickeln gemeinsam den Ansatz des sogenannten ‚Predictive Policing‘ durch spezielle Prognosesoftware weiter, um die Polizeistreifen noch gezielter in einbruchsgefährdeten Bereichen einzusetzen. Wie Herrmann schilderte, hat Bayern mit einer solchen Prognosesoftware seit Oktober 2014 in München und Mittelfranken vielversprechende Erfahrungen gemacht. Die Polizei hat 26 Personen in den relevanten Gebieten festgenommen. „Auch die Einbruchszahlen haben sich dort positiv entwickelt“, so Herrmann. In den überwachten Gebieten in München lag der Rückgang der Fallzahlen bei 42 Prozent, in Mittelfranken bei 17,5 Prozent. „In Baden-Württemberg zeichnet sich im ersten Halbjahr eine Trendumkehr beziehungsweise ein gefestigter Rückgang der Wohnungseinbrüche im gut zweistelligen Prozentbereich ab. Wie sich das bis Ende des Jahres fortentwickelt, bleibt natürlich abzuwarten“, sagte Minister Gall.
  • Sechstens: Die Länder bauen ein länderübergreifendes Präventionsnetzwerk auf. Kernanliegen beider Minister ist, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger individuell über effektive Sicherungstechnik beraten werden. „Im vergangenen Jahr blieb fast jeder zweite Einbruch in Bayern und in Baden-Württemberg im Versuchsstadium stecken, weil die Täter gestört oder von einer wirkungsvollen Sicherungstechnik abgehalten wurden“, begründeten Herrmann und Gall die Notwendigkeit. Eine gute Gelegenheit dafür böten Volksfeste wie die bald anstehende Allgäuer Festwoche oder andere Großveranstaltungen, bei denen erfahrungsgemäß Bürgerinnen und Bürger beider Länder zu Gast sind. Außerdem ist für nächstes Jahr ein ‚Gemeinsamer Tag des Einbruchsschutzes‘ geplant.
  • Siebtens: Die Polizeien Bayerns und Baden-Württembergs intensivieren gemeinsam die internationale Zusammenarbeit. Dazu wollen Herrmann und Gall die jeweiligen Anrainerstaaten, das Bundeskriminalamt sowie Europol zu einer ‚Fachkonferenz Wohnungseinbruch‘ einladen. „Unser Ziel ist die Einrichtung eines Fachforums, in dem Experten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zum Thema Wohnungseinbruch austauschen können“, erklärten die Minister. Bayern sei bereits an einem ähnlichen Projekt beteiligt, dem ‚Danube Property Crime Project‘ (DPCP) der Europäischen Strategie für die Donauregion. In diese Kooperation will sich nun auch Baden-Württemberg aktiv einbringen.

Jeder Wohnungseinbruch ist ein Eindringen in den höchstpersönlichen Lebensbereich und das belastet jedes einzelne Opfer ungemein.

Reinhold Gall

 

Gall und Herrmann mussten in den Jahren 2013 und 2014 hohe zweistellige Zuwachsraten verkünden. In Bayern registrierte die Polizei 2014 einen Anstieg der Wohnungseinbrüche um 28,6 Prozent auf 8.210 Delikte. Das heißt, mit 65 Einbrüchen pro 100.000 Einwohner war das Einbruchsrisiko insgesamt zwar rund dreimal geringer als im Bundesdurchschnitt, aber dennoch sehr hoch. Jeder Wohnungseinbruch sei „ein Eindringen in den höchstpersönlichen Lebensbereich und das belastet jedes einzelne Opfer ungemein“, schrieb Baden-Württembergs Innenminister Gall in der Einladung zur Unterzeichnung des Abkommens.

Internationale Banden gehen auf Beutezug

Einen Großteil der Einbrüche schrieben die beiden Minister mobilen, international agierenden Banden zu, die vor allem entlang der Autobahnen auf Beutezug gingen. Die gemeinsamen Fahndungen und Kontrollen sollen nun genau entlang dieser vermuteten Fluchtwege der Banden erfolgen. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, bei dem Thema sei es wichtig, „ohne politische Scheuklappen“ vorzugehen. Baden-Württemberg könne etwa von einer Prognosesoftware Precobs profitieren, die in Bayern entwickelt wurde. Mit ihr lasse sich erstaunlich genau voraussagen, wo die Banden vermutlich wieder zuschlagen. Dort könnten dann Polizeistreifen gezielt verstärkt werden. In Bayern hat das nachweislich zu Erfolgen geführt. Im Gegenzug könne Bayern laut Innenministerium sicher von verschiedenen Präventionsprojekten der Polizei in Baden-Württemberg profitieren.